Am Berner Salemspital sind sieben Fälle dokumentiert, bei denen die Bandscheibenprothese Cadisc-L implantiert wurde. Das vor einigen Jahren zurückgerufene Implantat führte in mehreren europäischen Ländern bei Patienten zu Komplikationen, wie ein internationales Journalistenteam herausfand.
Die Prothese vertrieb die inzwischen nicht mehr existierende britische Firma Ranier. Bei der Entwicklung und Markteinführung des Produkts gehörte auch ein Professor des Berner Salemspitals und ein weiterer Schweizer Orthopäde dem wissenschaftlichen Beraterstab von Ranier an.
Das internationale Journalisten-Team recherchierte gemäss Berichten in Tamedia-Medien, dass das Implantat zunächst an Pavianen getestet wurde und Fachleute keine günstigen Beurteilungen abgaben. Bei Pavianen kam es zu Knochenerosionen oder Ödemen. Zum Teil zersetzte sich das Implantat oder es verschob sich.
Probleme bei Pavianen
Das Recherchekonsortium zitiert aus dem Bericht eines britischen Röntgenspezialisten: dieser fand "keine guten Hinweise darauf, dass sich das Implantat mit dem Knochen verbunden hat". Seinen Bericht schliesst er mit den Worten: Sechs Monate seien eine kurze Zeit, um die Entwicklung eines Implantats zu beobachten. Trotzdem gebe es schon "beunruhigende Veränderungen in allen Versuchsobjekten, ausser einem".
Trotz diesen Hinweisen wurde ein Pilotprojekt an Menschen gestartet. Der wissenschaftliche Beirat von Ranier gab grünes Licht für eine Studie mit 29 Patienten in drei europäischen Kliniken.
Nach einer rund achtmonatigen Patientenstudie, die gemäss Artikel in den Tamedia-Blättern auch nicht reibungslos verlief, kam das Produkt 2010 auf den Markt. Langzeitfolgen waren zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.
Anders als Medikamente brauchen Medizinalprodukte wie Implantate keine Zulassung vom Staat. Die Verantwortung liegt beim Hersteller. Notwendig ist ein Zertifikat, die sogenannte CE-Marke, die private Prüfstellen vergeben.
Rückruf des Implantats
2014 kamen Mitarbeitende von Ranier zum Schluss, dass rund zwei Drittel der implantierten Scheiben zu Problemen geführt hätten. Cadisc-L wurde vom Markt genommen. Ranier ging Konkurs.
Das Rechercheteam lässt in seinen Artikeln auch betroffene Patienten zu Wort kommen, die sich nach einigen Jahren das Implantat wieder entfernen lassen mussten. Sie berichten von starken Schmerzen und diversen Nachoperationen, die nötig geworden seien.
Ein deutscher Chirurg, der in den vergangenen Jahren bei mehreren Patienten Cadisc-L-Implantate entfernt hat, wird vom Rechercheteam mit den Worten zitiert: "Man hätte auch ein Stück Holz implantieren können, die Bilder wären dieselben".
Das Journalistenkonsortium stiess auch auf Hinweise, wonach die beiden Schweizer Professoren von einem Erfolg des Kunststoffimplantats finanziell hätten profitieren können.
Interne Untersuchungen
Bei der Schweizer Spitalgruppe Hirslanden, zu der das Berner Salem-Spital gehört, heisst es auf Anfrage, dass in den Jahren 2010 bis 2014 sieben Fälle dokumentiert seien, in denen die fragliche Bandscheibenprothese in Bern implantiert worden sei.
Die Hirslanden-Gruppe verweist in einer schriftlichen Stellungnahme vom Dienstag darauf, dass es für die Verwendung eines medizinaltechnischen Produkts im Spitalumfeld eine offizielle Zulassung beziehungsweise eine CE-Zertifizierung brauche. "Liegt diese vor, bestand für ein Spital bis anhin kein Anlass, das Produkt entgegen der Zulassung nicht zu verwenden."
Als Cadisc-L im Salemspital implantiert wurde verfügte das Produkt über die CE-Zertifizierung. Probleme mit dem Produkt seien dem Spital damals keine bekannt gewesen. Nach dem Rückruf sei das Produkt nicht mehr eingesetzt worden.
Die Hirslanden-Gruppe hat nach Angaben vom Dienstag inzwischen eine interne Untersuchung initiiert, um die betroffenen Patienten zu identifizieren und den Sachverhalt zu klären. Nachoperationen seien am Salem-Spital keine durchgeführt worden, hält die Spitalgruppe fest. Dem Salemspital sind keine Komplikationen bei den sieben Betroffenen bekannt.
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