Armut Stadt Bern lanciert Informationskampagne zur Sozialhilfe

pa, sda

20.5.2021 - 12:14

Anstehen zur Abgabe von Lebensmitteln während der Coronakrise in Genf. (Archivbild)
Anstehen zur Abgabe von Lebensmitteln während der Coronakrise in Genf. (Archivbild)
Keystone

In der Coronakrise ist die Nachfrage bei privaten und kirchlichen Hilfsangeboten stark angestiegen. Armutsbetroffene verzichten oft aus falscher Scham oder mangels Kenntnisse auf öffentliche Sozialhilfe. Diese Hürden will die Stadt Bern mit einer Kampagne abbauen.

Keystone-SDA, pa, sda

Ein Faltblatt mit dem Titel «Haben Sie Probleme wegen Corona?» macht in einfachen Worten auf die Sozialhilfe und weitere Hilfsangebote aufmerksam und liegt in elf Sprachen vor. Angestossen wurde die Idee vom Runden Tisch zu Corona und Armut, wie Gemeinderätin Franziska Teuscher am Donnerstag vor den Medien erklärte.

Besonders von der Coronakrise betroffen seien Personen, die bereits vor der Pandemie mit wenig Mitteln auskommen mussten. Obwohl das Geld für Essen, Miete und Krankenkasse fehlt, verzichteten Betroffene oft auf eine Anmeldung beim Sozialdienst und gingen zu privaten und kirchlichen Hilfsangeboten.

«Die Nachfrage bei diesen Stellen war noch nie so gross wie heute», sagte Teuscher. Eine solche Verschiebung zu privaten und kirchlichen Stellen müsse zu denken geben. «Die staatliche Sozialhilfe ist das wichtigste soziale Netz, gerade in einer Krisensituation. Jede und Jeder hat Anspruch darauf.»

Rund ein Viertel meidet Behörden

Laut Sozialamtsleiterin Claudia Hänzi meiden viele Armutsbetroffene die öffentliche Sozialhilfe auch deshalb, weil sie Angst haben, wegen der Verschärfungen im Ausländerrecht ihre Aufenthaltsbewilligung zu verlieren oder ihre Einbürgerung zu gefährden.

Eine Studie der Berner Fachhochschule schätzt die sogenannte Nichtbezugsquote im Kanton Bern auf einen Viertel aller Anspruchsberechtigten. Auch für die Stadt Bern geht Hänzi davon aus, dass die aktuell 4677 Sozialhilfe-Dossiers nur rund 75 Prozent der Berechtigten erreichen.

Die Coronakrise zeige nun auf, wie hoch die Eintrittshürde zur Sozialhilfe geworden sei. Immer mehr Menschen misstrauten behördlicher Hilfe und nähmen dafür prekäre Lebensverhältnisse auch für ihre Kinder in Kauf.

Keine Nachteile bei unverschuldetem Jobverlust

Sozialdirektorin Teuscher wies darauf hin, dass die Stadt Bern jeden Einzelfall sorgfältig prüfe, um Härtefälle zu vermeiden. Der Bezug von Sozialhilfe wegen Corona dürfe bei ausländerrechtlichen Gesuchsprüfungen zu keinen Nachteilen führen.

Alexander Ott, Leiter der städtischen Fremdenpolizei, illustrierte dies am Beispiel eines Jobverlustes augrund der wegen Corona geschlossenen Gastronomie. «Wenn jemand deshalb unverschuldet Sozialhilfe bezieht, hat das keine negativen Auswirkungen.»

Darüber hinaus sollen Einbürgerungswillige keine Nachteile erfahren, wenn sie die geforderten Sprachkurse nicht nachweisen können, weil die entsprechenden Kursangebote während der Coronapandemie ausfielen.