Ein Bieler Arzt muss 31 Krankenkassen rund 570'000 Franken zurückzahlen. Er habe seine Patienten überbetreut und damit unwirtschaftlich gehandelt, befand das am bernischen Verwaltungsgericht angesiedelte kantonale Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten.
Gemäss einem am Montag veröffentlichten Urteil hätte der Bieler Allgemeinmediziner für seine erbrachten Leistungen maximal Kosten von rund 1,5 Mio. Franken verrechnen dürfen. Den Krankenkassen stellte er aber in den Jahren 2014 und 2015 Kosten von über 2 Mio. Franken in Rechnung.
Das hat das Gericht in einem statistischen Vergleich mit allen Allgemeinmedizinern des Kantons Berns eruiert. Daraus ging unter anderem hervor, dass der Bieler Arzt überdurchschnittlich viele Praxiskonsultationen aufwies - mehr als eineinhalbmal so viele wie alle anderen.
Zudem machte der Beklagte mehr als doppelt so viele Hausbesuche wie derjenige Allgemeinmediziner im Kanton Bern mit den zweitmeisten Hausbesuchen. Zu hoch waren auch die Kosten für die von ihm verschriebenen Medikamente.
Dies sei unwirtschaftlich und nicht zweckmässig, argumentierte das Gericht. Zudem habe der beklagte Arzt jeweils übermässige Wegpauschalen miteingerechnet. Eine Mehrheit seiner Heimpatienten seien von der Praxis jedoch in wenigen Minuten zu Fuss erreichbar gewesen.
Viele alte Patienten
Der beklagte Arzt verteidigte die hohen Kosten mit Besonderheiten in seiner Praxis. Er behandle überdurchschnittlich viele alte Patienten und Heimpatienten, machte er vor Gericht geltend. Entsprechend besuche er viele Patienten zuhause und müsse 365 Tage im Jahr erreichbar sein.
Das Gericht liess keiner dieser Einwände gelten. Es sei falsch, dass die erhöhten Kosten mit den genannten Patientengruppen gerechtfertigt werden können. Die höchsten Kosten für alte Patienten und Heimpatienten würden vor allem im Spital und in Pflegeheimen entstehen. Zudem sei das Alter im Vergleich mitberücksichtigt worden.
Rückzahlung und Verfahrenskosten
Neben der Rückzahlung an die Krankenkassen muss der beklagte Arzt auch die Verfahrenskosten übernehmen. Das Gericht fällte sein Urteil auf der Basis einer Rechnungssteller-Statistik und eines Indexes zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Leistungserbringern.
Ob das letzte Wort in dem Fall gesprochen ist, bleibt offen. Der Arzt kann das Urteil ans Bundesgericht weiterziehen.
Eine "Überarztung" liegt gemäss Urteil dann vor, wenn eine ins Gewicht fallende Zahl von Rechnungen desselben Arztes im Vergleich zur Zahl von Rechnungen von Ärzten des gleichen Fachbereichs in geographisch gleichem Tätigkeitsgebiet und mit etwa gleichem "Krankengut" im Durchschnitt erheblich höher ist.
Dies ist dann der Fall, wenn keine den Durchschnitt beeinflussende Besonderheiten geltend gemacht werden können.
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