Klimapolitik Luzerner Stadtrat legt ambitionierte Klimastrategie vor

rl, sda

13.8.2021 - 11:46

Mehr Velos, weniger Autos ist ein Rezept des Luzerner Stadtrats gegen den Klimawandel. (Archivaufnahme)
Mehr Velos, weniger Autos ist ein Rezept des Luzerner Stadtrats gegen den Klimawandel. (Archivaufnahme)
Keystone

Der Luzerner Stadtrat will den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoss schneller senken als er dies in seiner Klimastrategie von 2011 vorgesehen hat. Um die neuen Ziele zu erreichen, will er an die Grenzen des rechtlichen und finanziellen Handlungsspielraums der Stadt gehen.

Keystone-SDA, rl, sda

Die Stadtregierung hat am Freitag ihre überarbeitete Energie- und Klimastrategie vorgestellt. Das Thema sei von aussergewöhnlicher Wichtigkeit und Dringlichkeit, sagte Umweltdirektor Adrian Borgula (Grüne) an einer Medienorientierung. Die neusten Fakten, die der Weltklimarat veröffentlicht habe, und der Sommer in Europa mit Hochwasser, Hagel und Hitze zeigten, dass die Klimakrise da sei.

Der über 200 Seiten starke Bericht der Stadtregierung enthält Ziele für die nächsten Jahrzehnte und 32 Massnahmen, die bis 2030 realisiert werden sollen. Teilweise handelt es sich erst um Grundsatzentscheide, bei denen es noch offen ist, wie und ob sie umgesetzt werden können. Die Stadt bleibe auf Bund und Kanton angewiesen, sagte Borgula.

Die geltende Klimastrategie hat sich nach Ansicht des Stadtrates bewährt, reicht aber nicht mehr aus. Er strebt deswegen statt bis spätestens 2080 bereits bis 2050 eine 2000-Watt-Gesellschaft an.

2040, 2030 oder 2045?

Bei den Treibhausgasemissionen soll die Stadt das Ziel Netto Null bis 2040 erreichen. Der Bund will sich bis 2050 Zeit geben, das Luzerner Stadtparlament hatte 2030 gefordert. 2030 sei aber mit den Möglichkeiten, welche die Stadt habe, nicht erreichbar, sagte Borgula.

SP und Grüne kritisierten in Stellungnahmen die Zielsetzungen Netto Null bis 2040 als zögerlich. Ambitioniert, aber nicht ambitioniert genug, erklärte die SP. Netto Null müsse bis 2030 umsetzbar sein, das sei eine Frage des Willens und der Prioritäten, teilten die Grünen mit.

Etwas anders tönt es vom städtischen Energieversorger EWL. Geschäftsleitungsvorsitzender Patrik Rust sagte, sein Unternehmen setze sich für Netto Null bis 2045 ein. Die hohen Investitionen in den Ersatz der Gasversorgung durch Fernwärme seien dann besser verkraftbar. Er führte aber auch die grosse Bautätigkeit an, die der Neubau der Leitungen mit sich bringen werde, und die so zeitlich besser verteilt werden könnten.

Weniger Verkehr

Stark in die Pflicht genommen werden soll gemäss den Plänen der Stadtregierung der Verkehr: 2040 sollen alle in der Stadt immatrikulierten Autos keinen Verbrennungsmotor mehr haben. Rechtlich hat die Stadt derzeit aber keine Möglichkeiten, dies umzusetzen.

Der Verkehr soll nicht nur grüner, sondern auch weniger werden. Bis 2040 ist eine Reduktion um 15 Prozent eingeplant. Dies soll auch mit einer Reduktion der Parkplätze erreicht werden: Jeder sechste private und jeder vierte öffentlich zugängliche Parkplatz sollen verschwinden.

Viele ältere Wohnhäuser haben gemäss Stadt zu viele Parkplätze. Parkplätze auf öffentlichem Grund seien eine Platzverschwendung und würden besser als Grünraum oder Veloweg genutzt, hiess es an der Medienorientierung.

In der Stadt soll auch viel mehr Solarenergie produziert werden. Auf neuen Dächern oder solchen, die wesentlich geändert werden, müssen gemäss Klimastrategie Photovoltaikanlagen installiert werden. Ölheizungen kann die Stadt zwar nicht flächendeckend verbieten, sie sollen aber in Teilgebieten via Bau- und Zonenordnung zum Verschwinden gebracht werden.

Steuererhöhung möglich

Die verschärften Vorschriften bringen der Stadt gemäss dem Bericht bis 2030 zusätzliche Kosten von 190 Millionen Franken, mindestens gleich viel fällt bei Dritten an. Geld ausgeben will die Stadtregierung vor allem für die finanzielle Förderung von erneuerbaren Energien, die Dämmung von Häusern und die Kommunikation. Die Gesellschaft müsse die Klimapolitik mittragen, erklärte Borgula.

Um dies finanzieren zu können, überlegt sich der Stadtrat einen Klimarappen einzuführen, die Gebühren zu erhöhen und allenfalls auch die Steuern. Es habe in Luzern in der Vergangenheit kaum je ein Projekt mit vergleichbar hohen finanziellen Auswirkungen gegeben, erklärte der Stadtrat in seinem Bericht. Es sei aber wichtig, dass die Ursache des Klimawandels bekämpft und folglich Heizungen und Fahrzeuge nicht mehr mit fossilen Brennstoffen betrieben würden.

Gesellschaftlicher Wandel

Der Stadtrat ist ferner der Ansicht, dass technische Lösungen und neue Vorschriften nicht ausreichen, um den Klimawandel zu stoppen. Es brauche eine tiefgreifende Veränderung der Gesellschaft. Diese müsse ihr Verhalten überdenken und offen sein für neue Werte, neue Ideen und neue Lebensstile.

Die Milderung des Klimawandels wird auch soziale Folgen haben. Energetische Sanierungen werden das Wohnen teurer machen. Der Stadtrat werde sich dafür einsetzen, dass die Auswirkungen für die sozial Schwächsten tragbar blieben, heisst es im Bericht.

Die SP ist mit diesem Bekenntnis aber nicht zufrieden. Sie fordert in ihrer Mitteilung konkrete Massnahmen dazu, wie die Klimapolitik sozial ausgestaltet werden könne, etwa über eine Mietzinskontrolle.

Umgesetzt werden soll die neue Klima- und Energiestrategie ab dem 1. Juni 2022. Zuvor müssen die Stimmberechtigten der Revision verschiedener städtischen Reglemente zustimmen. Gleiches gilt für Sonderkredite im Umfang von 33 Millionen Franken, die für Klimamassnahmen auf städtischen Gebäuden, für ein Fernwärmeprojekt und für zusätzliches Personal benötigt werden.