ProzessTödlicher Stich in Luzerner «Loco-Bar» soll Notwehr gewesen sein
SDA
25.5.2020 - 15:24
2017 ist in einer Bar in der Luzerner Baselstrasse ein Mann durch einen Messerstich getötet worden. Die Staatsanwältin forderte für den Beschuldigten wegen eventualvorsätzlicher Tötung eine Freiheitsstrasse von elf Jahren. Der Beschuldigte will in Todesangst gehandelt haben, sein Verteidiger plädierte auf Notwehr und einen Freispruch.
Wie die Staatsanwältin und der Beschuldigte am Montag vor dem Kriminalgericht die verhängnisvollen Ereignisse schilderten, konnten die Prozessbeobachter fast an zwei verschiedene Taten glauben. Sicher ist, dass in jener Novembernacht kurz nach Mitternacht ein 34-jähriger Mann aus Eritrea auf der Tanzfläche der «Loco-Bar» verblutete, nachdem ihm der Beschuldigte mit einem Survivalmesser eine tödliche Verletzung am Hals zugeführt hatte.
Er sehe sich als Opfer und nicht als Täter, sagte der Beschuldigte, ein 39-jähriger Serbe. Er habe der Bardame geholfen, Feierabend zu machen. Er habe die Gäste rausgeschickt und ihnen Plastikbecher gegeben, damit sie ihre Getränke umschütten konnten.
Das Opfer, das gemäss Staatsanwaltschaft mit 1,8 Promille alkoholisiert gewesen war, machte Probleme. Der Mann habe ihn beleidigt, bedroht und gestossen, sagte der Beschuldigte. Plötzlich seien ihm mehrere Afrikaner gegenübergestanden, er sei geschlagen worden, und dann habe das Opfer ein Messer hervorgeholt.
Fluchtweg abgeschnitten
Der Beschuldigte gab an, ihm sei der Fluchtweg abgeschnitten gewesen, er habe Todesangst gehabt. Er habe dem Opfer das Messer entwinden können und habe, um sich vor den Schlägen zu schützen, mit diesem herumgefuchtelt und das Opfer, ohne dies zu merken, verletzt.
Die Staatsanwältin liess diese Darstellung jedoch nicht gelten und verwies auf Zeugenaussagen und Spuren. Es sei kein Herumfuchteln mit dem Messer gewesen, sondern ein Stich mit einem erheblichen Kraftaufwand. Zeugen hätten übereinstimmend gesagt, dass der Beschuldigte keiner Überzahl von Angreifern gegenübergestanden sei. Es sei eine Mann-gegen-Mann-Situation gewesen.
Das Opfer habe den Beschuldigten zwar zum Kampf aufgefordert, dieser hätte aber deeskalierend reagieren können, sagte die Staatsanwältin. Eine konkrete Bedrohung habe es für den Angeklagten nicht gegeben, dieser habe präventiv von seiner Waffe Gebrauch gemacht und sei bei der Auseinandersetzung ja auch nur leicht verletzt worden.
Dass das Messer dem Beschuldigten und nicht dem Opfer gehörte, stand für die Staatsanwältin fest. Zeugen hätten gesagt, dass der Angeklagte ein solches Messer besitze, bei ihm zu Hause sei auch ein passendes Holster gefunden worden. Auch die Spuren deuteten darauf hin, dass das Opfer das Messer nicht in der Hand gehalten habe.
«Klassische Notwehrsituation»
Die Frage, wem das Messer gehörte, war für den Verteidiger zweitrangig. Sein Mandant habe sich in einer «klassischen Notwehrsituation» befunden. Er habe sich mit dem Messer wehren dürfen, denn er sei spät nachts bei einer aggressiven Stimmung in einer Bar von zwei kräftigen Männern geschlagen worden.
Die Verteidigung liess zudem an den Zeugenaussagen, die gegen die Darstellung des Beschuldigten sprachen, kein gutes Haar. Die Anklage unterschlage hier einiges, sagte er.
Die Staatsanwältin gestand dem Beschuldigten im Sinne von «im Zweifel für den Angeklagten» zu, dass er keine direkte Tötungsabsicht gehabt habe. Er habe aber den Tod seines Kontrahenten in Kauf genommen, als er den Stich ausgeführt habe, und sei deswegen wegen eventualvorsätzlicher Tötung zu verurteilen.
Die Anwältin der Opferfamilie sprach sogar von vorsätzlicher Tötung. Wer nehme schon ein so grosses Messer mit in den Ausgang, nur um ein Bier zu trinken, sagte sie. Es gebe auch Hinweise, dass der Beschuldigte das Opfer gekannt und Streit gesucht habe.
Langer Landesverweis
Der Beschuldigte ist auch wegen Drogendelikten sowie des Verstosses gegen das Waffengesetz angeklagt. Der Verteidiger forderte für diese Delikte, wenn es im Tötungsvorwurf zu einem Freispruch kommt, eine bedingte Geldstrafe und eine Busse.
Der Beschuldigte kam mit 14 Jahren in die Schweiz. Er arbeitet als Bauspengler, hat hohe Schulden und mehrere Vorstrafen. Er hat Kinder und ist geschieden. Die Staatsanwältin forderte, die obligatorische Landesverweisung auf 12 Jahre anzusetzen. Ein Härtefall liege nicht.
Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich bekannt gegeben.
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