Grosser Rat AGAargauer Polizei erhält mehr Möglichkeiten für Gefahrenabwehr
SDA
30.6.2020 - 15:42
Der Aargauer Grosse Rat hat am Dienstag das revidierte Polizeigesetz mit 118 zu 6 Stimmen gutgeheissen. Die Wegweisung und die präventive verdeckte Fahndung werden gestärkt. Der Polizeigewahrsam dauert weiterhin höchstens 24 Stunden. Für Personenkontrollen gibt es keine Quittung.
Das seit 2007 geltende Polizeigesetz wurde wegen der Rechtsprechung, der Rechtsentwicklung auf Bundesebene und aufgrund der Erfahrung in der Praxis angepasst. Die Ziele bleiben die Gefahrenabwehr sowie die Erkennung und Verhinderung von Straftaten gemäss Polizeigesetz.
Alle Fraktionen im Grossen Rat sprachen sich am Dienstag an der Sitzung in Spreitenbach für das revidierte Gesetz aus. Es gehe um ein gutes Verhältnis von Freiheit und Sicherheit, hiess es bei der FDP. Die SP wies darauf hin, dass das im Vergleich mit anderen Kantonen kleine Aargauer Polizeikorps aufgestockt werden müsse.
Auch die SVP stellte sich hinter die Revision. Die Partei hatte ursprünglich von der Gefahr eines «Polizeistaates» gesprochen. Der Regierungsrat reagierte nämlich auf die auch von FDP und SP in der Anhörung geäusserte Kritik: Der Polizeigewahrsam dauert wie bisher höchstens 24 Stunden. Der Regierungsrat wollte die rechtliche Möglichkeit schaffen, den Polizeigewahrsam auf mehrere Tage auszuweiten.
Dabei geht es darum, wie lange die Polizei eine Person ohne richterlichen Entscheid festhalten darf. Die Polizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn eine erhebliche Straftat unmittelbar bevorsteht oder die öffentliche Sicherheit gefährdet ist.
Keine Quittung für Personenkontrolle
Keine Mehrheit im Grossen Rat fand der Prüfungsantrag aus den Reihen der SP, wonach von der Polizei kontrollierte Personen künftig eine Quittung erhalten sollten. Das Ziel sei, ein Racial Profiling, Kontrollen auf Basis äusserlicher Merkmale, zu verhindern. Es gehe nicht darum, der Polizei ein rassistisches Handeln vorzuwerfen.
Handlungsbedarf bestehe nicht, hielt ein FDP-Sprecher fest. Es gebe auch sehr wenig Beschwerden wegen diskriminierender Behandlung. Auch die SVP wollte nichts von dem Anliegen wissen. Es gebe im Aargau kein Problem mit dem Racial Profiling. Die SVP vertraue der Kantonspolizei.
Regierungsrat Urs Hofmann (SP) sagte, das Thema sei in der Polizeiausbildung seit Jahren ein Thema. Die Gründe für eine Personenkontrolle seien in einer Weisung aufgeführt. Kontrollen wegen des äusseren Erscheinungsbildes seien nicht erlaubt.
Pro Jahr würden 1500 Personenkontrollen gemacht, die zu Rapporten führten. Es gebe jedoch viel mehr Kontrollen. Der Aufwand und Ertrag mit Quittungen stünden in keinem Verhältnis, hielt der Justiz- und Polizeidirektor fest.
Vermummungsverbot
Im Kanton gibt es künftig ein Vermummungsverbot an «Versammlungen und Demonstrationen oder bei sonstigen Menschenansammlungen auf öffentlichem Grund». Damit wird ein solches Verbot auch im Umfeld von Fussballspielen gelten.
Es geht dabei um Personen, die sich unkenntlich machen, um sich dadurch der Strafverfolgung zu entziehen. Die Busse beträgt bis zu 5000 Franken. Der Antrag der Grünen, das Verbot aus dem Gesetz zu streichen, fand im Parlament keine Mehrheit. Auch der SVP-Antrag zur Ausdehnung des Verbots wurde abgelehnt.
Mehr Schutz für Gewaltbetroffene
Der Grosse Rat schuf auch die Grundlage, dass die Polizei ihr Bedrohungsmanagement verbessern kann. So wird der Schutz gewaltbetroffener Personen – insbesondere bei häuslicher Gewalt und Stalking – ausgebaut. Es wird auch ein Kontakt- und Annäherungsverbot geben. Für solche Massnahmen fehlt derzeit die gesetzliche Grundlage.
Eine Person, die eine Drohung ausspricht, kann gemäss revidiertem Gesetz von der Polizei neu zu einem Gespräch auf den Stützpunkt vorgeladen werden. Neu ist auch die sogenannte Meldeauflage, wonach eine Person verpflichtet werden kann, sich wöchentlich zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Polizei zu melden.
Mehr Handlungsspielraum für die Polizei beschloss der Grosse Rat bei der präventiven Oberservation und bei der präventiven verdeckten Ermittlung. Bei Ermittlungen zum Menschenhandel soll der verdeckte Fahnder seine wahre Identität und seine Funktion bei der Kontaktaufnahme nicht angeben müssen.
Für die präventive verdeckte Ermittlung sieht das Gesetz zudem vor, dass die Ermittler mit falscher Identität und einer Legende ausgestattet werden. Sie sollen andere Personen aktiv und zielgerichtet ansprechen können. Ein Polizist könne sich in Chatroom als minderjährige «Laura» ausgeben, Fotos austauschen und letztlich ein Treffen vereinbaren.
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