Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger, die sich im Kanton Baselland nicht um den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt bemühen, sollen künftig weniger Geld erhalten. Die Baselbieter Regierung will die Sozialhilfe neu ausgestalten und schickt eine Teilrevision des Sozialhilfegesetzes in die Vernehmlassung.
Die Baselbieter Regierung will die Sozialhilfe neu einem Anreizsystem unterziehen, wie Finanzdirektor Anton Lauber (CVP) am Mittwoch vor den Medien sagte. Demnach sollen Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger, die sich in den ersten zwei Jahren für eine rasche Integration in den Arbeitsmarkt einsetzen, künftig eine höhere finanzielle Unterstützung erhalten als heute.
Umgekehrt will dieses neue System Personen, welche die verlangten Schritte nicht unternehmen, weniger Geld zur Verfügung stehen. «Die Zeiten, in denen alle gleich behandelt werden, sind vorbei. Wir möchten in den ersten zwei Jahren starke Anreize schaffen», sagte Lauber. Zumal nach zwei Jahren in der Sozialhilfe eine Wiederintegration in den Arbeitsmarkt oft schwierig sei.
Fünfstufiges Modell
Vorgesehen sind fünf Grundpauschalen, in die eine sozialhilfebeziehende Person entsprechend ihrer Situation eingestuft wird. Für die Einstufung massgebend sind allen voran Alter, Integrationsbemühungen, Bezugsdauer, Erwerbstätigkeit und die Erfüllung der auferlegten Pflichten.
Derzeit erhalten allein lebende Sozialhilfebezüger 986 Franken pro Monat. Künftig sollen es in den ersten zwei Jahren zwischen 690 bis 1085 Franken sein. Nach über zwei Jahren in der Sozialhilfe beträgt der Betrag 937 Franken.
Das geplante neue Anreizsystem der Regierung gilt nur für Personen, bei denen eine Arbeitsmarktintegration «sinnvoll und möglich ist». Ausgeschlossen von der Änderung sind Personen, für welche das Anreizsystem «aufgrund ihrer verletzlichen Situation unzumutbar» wäre. Dies betrifft laut Lauber rund 52 Prozent aller sozialhilfebeziehenden Personen im Baselbiet – für diese soll sich die Höhe der Unterstützung von heute 986 Franken pro Monat nicht ändern.
15 neue Vollzeitstellen
Mit dem Umbau der Sozialhilfe will die Regierung ein kantonales «Assessmentcenter» mit insgesamt 15 neuen Vollzeitstellen schaffen. Ein solches Center sei schweizweit einmalig, sagte Lauber. Diese übergreifende Koordinations- und Beratungsstelle soll die Zusammenarbeit zwischen der Sozialhilfe, der IV, der RAV oder sonstigen involvierten Stellen verbessern.
Das «Assessmentcenter» soll Beratungen und Abklärungen für Personen in der Sozialhilfe anbieten, aber auch RAV-Ausgesteuerten offen stehen. Mit der neuen Beratungsstelle sollen die Gemeinden entlastet werden.
Neu soll die Höhe der Unterstützung nicht wie bisher für den gesamten Haushalt, sondern individuell festgelegt werden. Dies ermöglicht laut Lauber eine gezielte Hilfe und verhindert, dass beispielsweise Kinder wegen des Fehlverhaltens ihrer Eltern weniger Unterstützung erhalten. Heute betreffen Sanktionen immer die gesamte Unterstützungseinheit respektive Familie.
Für Sozialhilfebezüger über 55 Jahren wird zudem ein höherer Vermögensfreibetrag von 30'000 Franken pro Einzelperson festgesetzt. Derzeit beträgt der Vermögensfreibetrag 2200 Franken pro Person.
2,5 Millionen Franken werden umgelagert
Die Teilrevision des Sozialhilfegesetzes soll für den Kanton konstenneutral ausfallen. Allerdings sollen Mittel in der Höhe von 2,5 Millionen Franken für das «Assessmentcenter» zur Verfügung gestellt werden. Dieser Betrag wurde bisher für Integrationsmassnahmen der Gemeinden verwendet.
Laut Bianca Maag-Streit (SP), Mitglied der Konsultativkommission Sozialhilfe, kann das neue Gesetz vor allem bei grösseren Gemeinden zu einem «massiven finanziellen Mehraufwand» führen. Auch müssten die Sozialhilfebezüger für ihr Recht einstehen und Antrag auf eine höhere Einstufung stellen können. Das könne eine Hürde darstellen und überfordernd sein, sagte Maag-Streit.
Andi Trüssel (SVP), ebenfalls Mitglied der Kommission, bezeichnete das Gesetz hingegen vor den Medien als «Schritt in die richtige Richtung». Arbeit müsse sich lohnen, sonst drohe der Sozialhilfe ein Legitimitätsverlust.
SP lehnt Vorlage ab
In Kraft treten soll das neue Sozialhilfegesetz stufenweise – und zwar nach einer allfälligen Volksabstimmung im Jahr 2023. 12 bis 24 Monate später soll das kantonale «Assessmentcenter» seinen Betrieb aufnehmen.
Die SP hat bereits angekündigt, die Vorlage abzulehnen. Die stufenweise Kürzung des Grundbedarfs sei ein brutaler Eingriff in die ohnehin harte Lebensrealität dieser Menschen, heisst es in ihrer Mitteilung.
Hintergrund für die Neugestaltung der Sozialhilfe sind insgesamt sechs Vorstösse aus dem Baselbieter Parlament. So hatte der Landrat im April 2019 eine SVP-Motion für einen Systemwechsel bei der Sozialhilfe überwiesen.
Kernpunkt jener Forderung ist eine Kürzung des Grundbedarfs um 30 Prozent von 986 auf 690 Franken pro Monat mit der Option, den Betrag über Motivationszulagen wieder erhöhen zu können. Die Regierung hatte schon letzten September mitgeteilt, dass sie die SVP-Motion zur Kürzung des Grundbedarfs bei der Sozialhilfe nur «moderat» umsetzen wolle.
2018 bezogen im Kanton Basel-Landschaft 8560 Personen Sozialhilfe, was einer Quote von 3 Prozent entspricht. Der Nettoaufwand belief sich 2018 auf 281 Franken pro Einwohner. 2019 waren rund 8550 Personen im Baselbiet in der Sozialhilfe.
Die Gesetzesvorlage geht nun in die Vernehmlassung, die bis Ende April 2020 dauert.
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