Nicht verhältnismässig Kesb verzichtet in Sissach BL auf Zwangsimpfung gegen Masern

SDA/phi

21.12.2023 - 15:14

Nach einer Eskalation im Baselbiet verzichtet die Kesb darauf, die Kinder einer Impfgegnerin gegen Masern impfen zu lassen. 
Nach einer Eskalation im Baselbiet verzichtet die Kesb darauf, die Kinder einer Impfgegnerin gegen Masern impfen zu lassen. 
Symbolbild: Keystone

Der Vater will die Kinder impfen lassen, die Mutter hält dagegen. Das Bundesgericht entschied am Ende, die Kesb könne die Masernimpfung anordnen. Die verzichtet nun jedoch darauf – auch zum Wohl der Kinder.

Keystone-SDA, SDA/phi

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  • Das Bundesgericht hat 2020 entschieden, dass die Kesb zum Wohle des Kindes eine Impfung anordnen kann, wenn Eltern uneins sind.
  • Nun gibt es in Sissach BL einen Fall, in der Vater eine Imfung gegen Masern wünscht, die Mutter aber nicht.
  • Auf Anzeigen und Weisungen durch die Kesb reagierte die Mutter, indem sie ihren Fall und ihre Kinder in die Öffentlichkeit brachte.
  • Mit Blick auf die Verhältnismässigkeit und eine weitere Eskalation des Falls nimmt die Kesb nun Abstand von einer Zwangsimpfung.
  • Die Entscheidung sei auch mit Blick auf das Wohl der Kinder getroffen worden, aber nicht von den Impfgegnern beeinflusst, die Mahnwachen vor der Behörde abgehalten hatten.

Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Gelterkinden-Sissach BL hat beschlossen, trotz Bundesgerichtsentscheids auf den Vollzug der Masernimpfung bei zwei Kindern zu verzichten. Die Situation der Kinder sei «zunehmend eskaliert», teilte die Kesb heute mit. Hintergrund ist eine Uneinigkeit bei den Eltern.

Verschiedene Massnahmen zur Umsetzung der Masernimpfung hätten nicht die gewünschte Wirkung erzielt, schrieb die Kesb. Nach einer Prüfung der Verhältnismässigkeit und einer Interessenabwägung sei man zum Entscheid gekommen, zu verzichten. Der Vater der Kinder hatte beantragt, die Kinder impfen zu lassen, die Mutter wehrte sich jedoch dagegen.

Sie wurde jedoch gerichtlich dazu verpflichtet. Die Kesb Gelterkinden-Sissach wollte zunächst in der Sache vermitteln. Nachdem die Mutter nicht einlenkte, erliess sie wiederholt Weisungen, reichte Strafanzeige ein und drohte schliesslich den Vollzug mit Unterstützung der Polizei an, wie es in der Mitteilung heisst.

Hohe Belastung für die Kinder

Daraufhin belagerten Impfgegnerinnen und -gegner während mehrerer Wochen das Kesb-Gebäude in Sissach und hielten dort Mahnwachen ab. Dies habe keinen Einfluss auf das Funktionieren der Behörde gehabt, heisst es weiter. Allerdings seien die betroffenen Kinder in Mitleidenschaft gezogen worden.

Sie seien während mehrerer Wochen aus der Schule genommen worden, zudem sei der Kontakt mit dem Vater abgebrochen worden. Zudem habe die Mutter ihre Kinder mit vollem Namen in die Öffentlichkeit gestellt, schreibt die Kesb. Dies habe die Kinder psychisch schwer belastet, in einen Loyalitätskonflikt gebracht und ihnen eine unbeschwerte Beziehung zu beiden Elternteilen verunmöglicht.

In Abwägung aller Umstände kam die Kesb daher zum Schluss, auf den Vollzug zu verzichten. Sie betont aber, dass diese Neubeurteilung keine behördliche Praxis begründe. Das Bundesgerichtsurteil gebe hier klare Leitlinien vor.

Das Bundesgericht kam in einem Urteil aus dem Jahr 2020 zum Schluss, dass im Interesse des Kindeswohls die Kesb über eine Impfung entscheiden kann, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge nicht einig sind.