Bundesgericht Rentnerin muss an Baden AG mit PK-Geld Sozialhilfe zurückzahlen

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10.10.2024 - 12:00

Die Stadt Baden AG (Bild) verlangt von einer Rentnerin 34'000 Franken aus deren Pensionskassen-Guthaben zurück. Die Frau bezog früher Sozialhilfe. Eigentlich ist diese Praxis im Aargau seit 2023 nicht mehr erlaubt - aber Baden verfügte die Rückzahlung im Jahr 2021. (Archivbild)
Die Stadt Baden AG (Bild) verlangt von einer Rentnerin 34'000 Franken aus deren Pensionskassen-Guthaben zurück. Die Frau bezog früher Sozialhilfe. Eigentlich ist diese Praxis im Aargau seit 2023 nicht mehr erlaubt - aber Baden verfügte die Rückzahlung im Jahr 2021. (Archivbild)
Keystone

Eine 66-jährige Frau muss der Stadt Baden AG einen Teil der bezogenen Sozialhilfe aus ihrem Pensionskassen-Guthaben zurückzahlen. Das Bundesgericht hat einen Entscheid des Aargauer Verwaltungsgerichts bestätigt. Obwohl der Regierungsrat die umstrittene Praxis gestoppt hat, gilt in diesem Fall das alte Recht.

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Die Frau bezog von der Stadt Baden beziehungsweise vom Regionalen Sozialdienst bis März 2020 während sechs Jahren rund 85'000 Sozialhilfe. Nach Vollendung des 62. Altersjahrs erhielt die Frau ihre AHV-Rente und war nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen, wie aus dem am Donnerstag publizierten Urteil des Bundesgerichts hervorgeht.

Bei der Pensionskasse (PK) verfügte sie über ein Freizügigkeits-Guthaben von 39'099 Franken und 25 Rappen. Auf dieses Geld warf auch die Stadt Baden einen Blick: Sie verlangte von der Frau 34'099 Franken und 25 Rappen zur Rückerstattung der Sozialhilfe. Der Frühpensionierten wurde ein Freibetrag von 5000 Franken zugestanden.

Regierung stoppte Praxis

Diese umstrittene Praxis zahlreicher Aargauer Gemeinden bei der Rückerstattung der Sozialhilfe hat in der Vergangenheit zu vielen Diskussionen geführt. Die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) sehen vor, dass PK-Gelder für den aktuellen und künftigen Lebensunterhalt zu verwenden seien. Andere Kantone verzichteten schon immer auf Rückzahlungen aus PK-Guthaben.

Auch der Aargauer Regierungsrat ging über die Bücher – und er änderte die kantonale Sozialhilfe- und Präventionsverordnung per 1. Januar 2023. Die Folge: Forderungen für die Rückerstattung aus PK-Guthaben sind seither nicht mehr zulässig.

Baden verfügte nach altem Recht

Das nützt der mittlerweile 66-jährigen Frau jedoch wenig. Die Sozialkommission der Stadt Baden verfügte die Rückerstattung am 1. April 2021 – also zu einem Zeitpunkt, als dies im Aargau noch erlaubt war. Der Anwalt der Frau wehrte sich mit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde durch alle Instanzen bis zum Bundesgericht gegen die Rückerstattung.

Das Bundesgericht hat das Aargauer Verwaltungsgericht nun gestützt, das die Beschwerde abgewiesen hatte. Der Regierungsrat verzichtete nämlich auf eine Übergangsregelung bei der Revision der Verordnung: Das Verbot der Rückerstattung mit PK-Guthaben kommt daher erst für Fälle ab dem 1. Januar 2023 zum Tragen, wie aus den Erwägungen des Bundesgerichts hervorgeht.

Anwalt: Rückerstattung nicht zumutbar

Der Anwalt forderte, das neue Recht müsse bei der Frau angewendet werden. Daher solle das Bundesgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts aufheben. Die Rückerstattung sei der Frau weder ganz noch teilweise zumutbar, lautete ein weiteres Argument.

Konkret prüften die Lausanner Richter, ob das Verwaltungsgericht Bundesrecht verletzte, indem es die verfügte Rückerstattungsforderung gegen die Frau bestätigte. Das Bundesgericht kommt zum Schluss: Die Rückwirkung der neuen Regel würde gegen das Gebot der Rechtsgleichheit verstossen.

Betreibungsamt muss rechnen

Wie viel Geld Baden tatsächlich erhalten wird, ist noch offen. Das Betreibungsamt muss nun das Existenzminimum der Frau ermitteln. Es muss auch errechnen, welche Rente sich mit dem erhaltenen PK-Guthaben unter Beachtung einer durchschnittlichen Lebenserwartung kaufen liesse.

Das bezogene PK-Geld ist gemäss Bundesrecht nämlich nur beschränkt pfändbar. Dies bedeutet, dass dieses Kapital nur bis zur Höhe einer entsprechenden jährlichen Rente gepfändet werden kann.

Im Fall der 66-Jährigen geht es um eine Jahresrente von etwa 2200 Franken, also um eine Rente von weniger als 200 Franken pro Monat. (Urteil 8C_124/2024 vom 19.9.2024)