Justiz 30-jährige Brandstifterin wehrt sich erfolgreich gegen Verwahrung

cis, sda

11.2.2022 - 14:42

Eine Verwahrung als "Ultima Ratio". Dies sei  bei den einfachen Brandstiftungen, welche eine Frau verübt hatte, nicht der Fall, hält das Kantonsgericht St. Gallen in seinem Entscheid fest. (Archivbild)
Eine Verwahrung als "Ultima Ratio". Dies sei bei den einfachen Brandstiftungen, welche eine Frau verübt hatte, nicht der Fall, hält das Kantonsgericht St. Gallen in seinem Entscheid fest. (Archivbild)
Keystone

Das Kantonsgericht St. Gallen hat sich gegen die Verwahrung einer 30-jährigen Frau entschieden, die mehrere Brände gelegt hatte. Dringend angezeigt sei eine Massnahme des Erwachsenenschutzes, heisst es im Entscheid.

Keystone-SDA, cis, sda

Die Beschuldigte hatte vor mehreren Jahren Feuer gelegt. Dafür wurde sie vom Kreisgericht Rheintal im August 2016 wegen mehrfacher vollendeter Brandstiftung schuldig gesprochen.

Das Gericht ordnete damals eine stationäre therapeutische Massnahme an. Im Massnahmenvollzug kam es erneut zur Brandlegung. Zudem verletzte sich die Frau selber, indem sie Scherben schluckte.

Im Mai 2021 stand eine bedingte Entlassung der Frau aus der stationären therapeutischen Massnahme zur Diskussion. Das Sicherheits- und Justizdepartement lehnte das Begehren jedoch ab und stellte dem Kantonsgericht den Antrag, die Verurteilte sei zu verwahren.

Aus Wut Scherben geschluckt

Zwei Monate später äusserte sie an der entsprechenden Verhandlung ihren Wunsch, wie früher bei ihrer Familie zu leben und mit Tieren zu arbeiten. Aus Wut und Trauer, dass sie nicht mehr bei ihrer Familie sein könne, habe sie Scherben geschluckt.

Das Gericht fällte damals noch keinen Entscheid, sondern gab eine erneute psychiatrische Begutachtung der Verurteilten in Auftrag.

Nachdem das Gutachten vorlag, wurde die Gerichtsverhandlung ohne die Anwesenheit der 30-Jährigen fortgesetzt und die Fachärztin zu ihren Ausführungen befragt.

Sie erklärte, die Beschuldigte leide unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen und dissozialen Zügen, einer Pyromanie, einer Schwerhörigkeit, einem elektiven Mutismus und einer Nikotinabhängigkeit.

In Bezug auf die Rückfallgefahr seien mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Brandstiftungen und mit mittlerer Wahrscheinlichkeit andere Delikte zu erwarten.

Therapie ohne Wirkung

Die Staatsanwältin plädierte aufgrund des Gutachtens für eine Verwahrung der Frau. Durch die Rückfallgefahr sei sie eine Gefahr für die Allgemeinheit. Sechs Jahre Therapie hätten keine Wirkung gezeigt.

Der Verteidiger plädierte hingegen auf Abweisung des Antrags. Es könne nicht sein, dass eine erst 30-jährige Frau ihr Leben lang weggesperrt werde. Für sie gehe es bei diesem Entscheid um nicht weniger als die persönliche Freiheit. Sie sei bedingt zu entlassen, allenfalls eine ambulante Massnahme vorzusehen und Bewährungshilfe anzuordnen.

Das Kantonsgericht entschied sich schliesslich gegen eine Verwahrung, womit die Frau aus der Sicherheitshaft entlassen wird. Die Verfahrenskosten von rund 12'500 Franken trägt der Staat. Ausserdem zahlt der Staat der Frau eine Genugtuung von 41'400 Franken.

Keine schweren Straftaten

Weil die Strafkammer des Kantonsgerichts aber eine Massnahme des Erwachsenenschutzes für dringend angezeigt hält, machte sie der zuständigen Kesb eine entsprechende Mitteilung.

In der Begründung des Entscheids hält das Gericht fest, dass eine Verwahrung als «Ultima Ratio» nur unter qualifizierten Voraussetzungen möglich ist. Es müsse sich um «schwere Straftaten» handeln, «durch die der Täter die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person 'schwer' beeinträchtigte oder beeinträchtigen wollte».

Dies aber sei bei den einfachen Brandstiftungen, welche die Frau verübt habe, nicht der Fall. Weil laut Gutachten keine Therapiefähigkeit bestehe, seien auch die Voraussetzungen einer anderen ambulanten oder stationären Massnahme nicht erfüllt.