In der Stadt St. Gallen haben im September die ersten Studierenden mit dem neuen Architektur-Studienlehrgang begonnen. Der Kantonsrat wollte mit dem Angebot den Fachkräftemangel bekämpfen. Bisher geht das Konzept auf: Fast alle der 32 Teilnehmenden kommen aus der Region.
Der neue Lehrgang Bachelor of Arts FHO in Architektur ist in Räumlichkeiten im zweiten Obergeschoss des Hauptpost-Gebäudes untergebracht, gelegen zwischen Bahnhof und Einkaufszentrum und von der Fachhochschule FHS auf der anderen Seite der Geleise nur einen Katzensprung entfernt.
Im September ist der Studiengang gestartet, am Mittwoch wurde er den Medien bei einem Rundgang vorgestellt, bevor dann im Januar die Öffentlichkeit zur Besichtigung eingeladen wird.
Schmutzige Fingernägel
Zentrum der neuen Ausbildung ist ein grosser, industriell anmutender Raum von den Dimensionen der Kantonsbibliothek ein Stockwerk tiefer. Er ist für die Studierenden zu einem Übungs- und Arbeitsraum geworden.
Ausgestellt ist sind dort erste Arbeiten, unter anderem eine verkleinert nachgebaute Holzkonstruktion des Dachstocks des Hauptpostgebäudes. Im Raum arbeiten Studierende an Modellen aus Styropor. An den Wänden sind Linoldrucke zu sehen, die sie verfertigt haben. Zu den Räumlichkeiten des Studiengangs gehören unter anderem auch eine Druckwerkstatt und eine neu eingerichtete Schreinerei im Parterre.
All diese Eindrücke belegen das spezielle Konzept der Ausbildung: "Es ist eine Architektur-Werkstatt", stellt FHS-Rektor Sebastian Wörwag fest. Die Vorstellung von an PCs sitzenden Studierenden gilt für St. Gallen nicht. "Das erste Jahr ist analog", heisst es dazu. "Die Fingernägel sind immer schmutzig", verdeutlicht Anna Jessen, Leiterin des Studiengangs.
Hauptpost als Studienobjekt
Eine zentrale Rolle in der Ausbildung spiele neben der Stadt, die in Rundgängen erkundet wurde, das Gebäude, in dem der Studiengang untergebracht ist. Aussen mit repräsentativer Fassade, innen mit funktionalen Räumen für die Abfertigung von Brief- und Paketpost wird der 1915 fertiggestellte Bau immer mehr umgenutzt. Den angehenden Architektinnen und Architekten dienen die Räume mit ihrer langen Geschichte gleichermassen als Studienobjekt und Experimentierorte.
Die handwerkliche Praxis wird ergänzt durch Vorlesungen. Eingeplant sind zudem Kooperationen mit anderen Fakultäten der Fachhochschule, etwa bei den Themen Politik und Ethik. Logische Verbindungen gibt es zum Kompetenzzentrum Soziale Räume der FHS.
Im September startete die Ausbildung mit 32 Studierenden. Die Initiative für das Angebot stammte unter anderem von Architekturbüros in der Ostschweiz, die zunehmend Mühe bekundeten, offene Stellen zu besetzen.
Das Projekte passierte den Kantonsrat schliesslich unter dem Etikett "Bekämpfung von Fachpersonalmangel". Zweifel gab es unter anderem daran, ob es wirklich eine weitere Architekturausbildung braucht. Diese Frage ist für Wörwag beantwortet: Die Anmeldungen hätten gezeigt, dass die Nachfrage in der Region vorhanden sei.
Studierende aus der Region
Fast alle der 32 Studierenden wohnen in der Ostschweiz. Sie kommen etwa aus dem Rheintal oder aus den beiden Appenzell. Dabei sind Bauzeichner, Zimmermänner, Schreiner, Spengler: 25 Männer, sieben Frauen. Zwei Drittel von ihnen absolviert ein Vollzeit-Studium, die anderen lernen nebenberuflich.
Man sei keine Konkurrenz für andere Ausbildungen sondern eine Ergänzung, betonen Wörwag und Jessen. Und: "Wir sind klein und können die Studierenden dadurch intensiv begleiten."
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