OstschweizSt. Galler SP hält «Lex Klimastreik» für verfassungswidrig
gn, sda
11.11.2022 - 11:39
St. Galler Mittelschülerinnen und -schüler sollen künftig für die Teilnahme an politischen Veranstaltungen nur noch in Ausnahmefällen Urlaub erhalten. Die SP hält die Regelung für Absenzen im Mittelschulgesetz für verfassungswidrig.
Keystone-SDA, gn, sda
11.11.2022, 11:39
SDA
Die St. Galler Regierung hat Anfang Woche einen Nachtrag zum Mittelschulgesetz an den Kantonsrat überwiesen. Der vorgeschlagene Nachtrag zählt die Absenzgründe exemplarisch auf. Urlaub für die Teilnahme an einer politischen Veranstaltung schliesst er im Grundsatz aus. Ausnahmsweise soll eine solche Absenz jedoch bewilligt werden können, wenn das politische Thema Gegenstand des fachlichen Unterrichts ist und die Veranstaltung den Unterricht nicht stört oder vereitelt oder instrumentalisiert.
Die SP hält diese Regelung in ihrer Absolutheit für verfassungswidrig, wie die Kantonsratsfraktion am Freitag mitteilte. Die Teilnahme an politischen Veranstaltungen sei durch die Versammlungsfreiheit und die Meinungsäusserungsfreiheit grundrechtlich geschützt.
«Weil sich der politische Protest nicht immer an Schulschluss und Freizeit halten kann, muss dieser je nach Situation auch während des Unterrichts möglich sein», heisst es im Communiqué weiter. Die SP fordert die Regierung auf, diese Frage vertieft zu klären.
Kein Regelungsbedarf
Im Übrigen sieht die SP weiterhin keinen Regelungsbedarf. Schülerinnen und Schüler der St. Galler Mittelschulen stünden kurz vor dem Erreichen der Volljährigkeit oder sie hätten diese bereits erreicht. Dass sie sich politisch interessieren und engagieren, müsste für den Kanton ein Grundinteresse sein.
«Die Rektorate waren in der Vergangenheit selbst in der Lage, die Regelungen für Schulabsenzen zu treffen und mit den streikenden Schülerinnen und Schülern Lösungen zu finden», schreibt die SP-Fraktion. Sie brauchten kein neues Gesetz, welches ihnen Vorgaben macht.
Auslöser für die Debatte waren die Klimastreiks. 2019 nahmen zwischen 35 und 65 der rund 4650 Schülerinnen und Schüler der St. Galler Mittelschulen an den Protesten teil. Die Rektorinnen und Rektoren bewilligten anfänglich die Absenzen. Für spätere Aktionen konnten sich die Schülerinnen und Schüler vom Unterricht befreien lassen, indem sie den Unterrichtsausfall mit einem Sozialeinsatz kompensierten, der doppelt so lange dauerte.
Die SVP-Fraktion lehnte diese Praxis ab. Sie forderte das Bildungsdepartement und vor allem Bildungschef Stefan Kölliker (SVP) in einer Motion auf, «dieses Gebaren unverzüglich zu stoppen». Es könne nicht sein, dass das Fernbleiben vom Unterricht an Mittelschulen für eine Teilnahme an Streiks bewilligt werde.
Die Regierung unterstützte den Vorstoss – allerdings mit geändertem Wortlaut. Sie wollte im Mittelschulgesetz «die Gründe für bewilligungsfähige Absenzen» definieren. In der Junisession 2019 erhielt die Regierung mit 70 gegen 45 Stimmen den Auftrag, die Absenzgründe gesetzlich zu regeln.
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