Kriminalität 71-jähriger Rentner soll wegen Stockhieb ins Gefängnis

olgr, sda

5.5.2022 - 13:46

Weil er einen Denner-Angestellten mit seinem Gehstock niedergeschlagen haben soll, soll ein 71-jähriger Rentner ins Gefängnis. Sein Sohn sorgte ebenfalls schon für Schlagzeilen. Er erschoss einen Türsteher. (Symbolbild)
Weil er einen Denner-Angestellten mit seinem Gehstock niedergeschlagen haben soll, soll ein 71-jähriger Rentner ins Gefängnis. Sein Sohn sorgte ebenfalls schon für Schlagzeilen. Er erschoss einen Türsteher. (Symbolbild)
Keystone

Wegen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand hat sich ein 71-Jähriger am Donnerstag vor dem Zürcher Bezirksgericht verantworten müssen. Er soll einem Angestellten mit seinem Gehstock auf den Kopf geschlagen haben. Ein Urteil steht noch aus.

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Der Denner-Angestellte hatte den Rentner am 16. Februar 2021 gegen 20 Uhr kurz vor dem Ladenausgang angehalten: Er verdächtigte ihn, beim Einkauf eines Kilogramms Birnen auch noch ein Wasserfläschchen gestohlen zu haben.

Doch seine Tasche wollte der Rentner nicht zeigen. Er habe vielmehr seinen Gehstock mit beiden Händen ergriffen, über dem Kopf ausgeholt und mit voller Wucht auf den Mann eingeschlagen, einmal an den Kopf, einmal an die Hand, führte die Staatsanwältin in ihrer Anklage aus.

«Ja, nein, weiss nicht»

Er habe den Angestellten mit dem Stock nur weggeschubst, betonte der Beschuldigte vor Gericht. Viel mehr kam in der etwas zähen Befragung nicht heraus. Der Beschuldigte antwortete manchmal auf Fragen mit «Ja, nein, weiss nicht», manchmal blieb es bei wirren, unverständlichen Satzfetzen – und einmal sagte er «tschüss» und wollte den Saal verlassen.

Sein Mandant, der an Parkinson erkrankt sei, sei über sein Alter hinaus gebrechlich und selbst im Stand instanbil, sagte dessen Anwalt. Hätte er wirklich mit dem Stock ausgeholt und dabei noch den Sack Birnen und eine Umhängetasche getragen, wäre er auf den Boden geplumpst. Von einem gezielten Schlag könne keine Rede sein.

Zudem habe der Angestellte ja nur leichte Verletzungen davongetragen, die nach kurzer Zeit wieder verheilt seien. Die Staatsanwältin verwies hingegen darauf, dass der Geschlagene unter anderem eine Schädelprellung davontrug und knapp fünf Monate krankgeschrieben war. Angesichts der Arztberichte sei es unmöglich, dass die Verletzungen durch einen leichten Schlag hervorgerufen worden seien.

Der Rechtsanwalt des verletzten Angestellten forderte eine Genugtuung von 7000 Franken. Dieser habe ja nur seinen Job ausgeübt, als er den Rentner auf die gestohlene Wasserflasche angesprochen habe. Da sei er «aus nichtigem Grund» angegriffen worden.

Von einem «schweren und totalen Missverständnis» sprach der Verteidiger des Rentners. Der 71-Jährige sei fälschlicherweise davon ausgegangen, sich in einer Bedrohungslage zu befinden.

Emotionaler Druck wegen Sohn

Denn gegen dessen Sohn lief zum Zeitpunkt dieses Vorfalls ein Strafverfahren nach einem Tötungsdelikt. Das Obergericht verurteilte den Sohn im Dezember 2021 zu einer Freiheitsstrafe von 16,5 Jahren – er hatte an einer Tankstelle in Richtung einer verfeindeten Gruppe gefeuert und einen 30-jährigen Kontrahenten von hinten erschossen.

Es seien damals Drohungen seitens der Opfer-Familie eingegangen, hielt der Verteidiger fest. Der 71-Jährige sei unter emotionalen Druck gestanden, die Angst vor Racheakten sei immens gewesen. Deshalb sei es zu dieser «völlig abwegigen Eskalation» gekommen.

Von einem Missverständnis und einer Art Notwehr-Situation wollte die Staatsanwältin aber nichts wissen: «Der Beschuldigte war nicht ängstlich, sondern bloss wütend.» Er habe gewusst, dass er einzig wegen der allenfalls gestohlenen Wasserflasche angehalten wurde.

Auf Rundum-Betreuung angewiesen

Die Staatsanwältin stufte den Vorfall als einfache Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand ein. Sie forderte eine zu vollziehende Freiheitsstrafe von 22 Monaten.

Darin rechnete sie auch eine Vorstrafe ein, die 2019 noch auf Bewährung ausgesprochen wurde. Der Rentner, der ursprünglich aus dem Kosovo stammt, hatte an der Langstrasse einen Schuss in den Boden abgegeben, um einen Streit zu beenden. Es bestehe Rückfallgefahr, eine unbedingte Strafe sei nun angezeigt.

Den Angriff mit dem Stock taxierte sein Anwalt hingegen als blosse Tätlichkeit. Er beantragte dem Gericht, dass es bei einer Busse von 700 Franken oder einer bedingten Geldstrafe bleiben soll.

Eine Rückfallgefahr sah er nicht: Ähnliche Taten könne sein Mandant nicht mehr ausüben – er sei alt und gebrechlich und auf Rundum-Betreuung angewiesen. Das Bezirksgericht wird das Urteil schriftlich eröffnen.