Cybergrooming – das Anbahnen von sexuellen Handlungen mit Minderjährigen im Internet – hat letztes Jahr die Zürcher Staatsanwaltschaft beschäftigt. Immer mehr Jugendliche werden im Internet von Fremden mit sexuellen Absichten angesprochen.
Studien zufolge ist bereits ein Drittel der Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren online auf solche Art angesprochen worden, wie die auf Cybergrooming spezialisierte Staatsanwältin Sandra Muggli am Freitag in Zürich an der Jahresmedienkonferenz der kantonalen Staatsanwaltschaft berichtete. 2014 war erst ein Fünftel der Jugendlichen von Cybergrooming betroffen.
Offenbar hat sich Cybergrooming in den letzten zwei Jahren von einschlägigen Chat-Rooms zusehends auf Social-Media- und Gaming-Plattformen verlagert sowie auf bekannte Kommunikations-Apps. Um das Phänomen anzugehen, müssten die Strafverfolgungsbehörden weiterhin im Internet präventiv und repressiv aktiv sein, insbesondere auch auf den neuen Plattformen, erklärte Muggli.
Betroffene müssen selber Anzeige erstatten
Erschwerend bei der Bekämpfung von Cybergrooming wirkt sich laut der Spezialistin aus, dass sexuelle Belästigung in der Schweiz im Gegensatz zum benachbarten Ausland lediglich ein Antragsdelikt ist. Betroffene Jugendliche müssen selber Anzeige erstatten, wenn sie im Internet in sexueller Absicht angesprochen wurden.
Ein Offizialdelikt liegt in der Schweiz erst vor, wenn wenn die Täter explizite Bilder an Minderjährige senden oder Kinder zu sexuellen Handlunge verleiten.
Eine starke Zunahme verzeichnete die Staatsanwaltschaft zudem bei der verbotenen Pornografie. Muggli sprach von einer regelrechten Deliktwelle. Oftmals handle es sich um unbescholtene Bürger, die sich unbewusst strafbar machten. Das sei etwa dann der Fall, wenn sie ungefragt erhaltene aber verbotene Inhalte an Bekannte weiterleiteten, etwa im Chat.
Viele Fälle von Wirtschaftskriminalität
Weiter berichtete die Staatsanwaltschaft von einer «ausserordentlich hohen Anzahl» neuer Strafanzeigen im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Eine besondere Herausforderung bildet die sogenannte Para-Wirtschaftkriminalität, wie Susanne Leu, Leitende Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, erklärte.
Zur Para-Wirtschaftskriminalität zählen Fälle von mittlerer Komplexität und Grösse. Laut Leu sind diese aber oft ausserordentlich aufwändig, da sie nicht selten mehrere Täter, Geschädigte, Tatorte und Delikte aufwiesen.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat der Regierungsrat im Dezember 2018 bei der Staatsanwaltschaft zehn neue Stellen, davon sechs für Staatsanwälte, bewilligt. Sie sind vorwiegend im Bereich der Para-Wirtschaftskriminalität angesiedelt.
Deutlich mehr Personal nötig
Mit dieser Aufstockung ist der personelle Bedarf der Staatsanwaltschaft aber noch nicht gedeckt, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Beat Oppliger betonte. Bis 2026 benötigt die Staatsanwaltschaft des Kantons gemäss ihrem Entwicklungsplan 15 Prozent mehr Personal. Das entspricht einer Erhöhung des Personalbestandes um 54 auf insgesamt 400 Angestellte.
Hintergrund des wachsenden Personalbedarfes ist laut Oppliger unter anderem die kontinuierliche Zunahme der Fallzahlen. Gingen 2008 bei der Staatsanwaltschaft etwas über 26'000 neue Fälle ein, waren es letztes Jahr bereits 29'129.
Für zusätzliche Belastung sorgen aber auch die steigenden formalen Anforderungen. So sei etwa der administrative Aufwand im Zusammenhang mit der Erstellung von DNA-Profilen enorm, sagte der Oberstaatsanwalt.
Auf viele Herausforderungen habe die Staatsanwaltschaft bereits reagiert, betonte Oppliger. So sei die Reorganisation bei den kantonalen Staatsanwaltschaften zur besseren Nutzung von Synergien erfolgreich abgeschlossen worden.
Zudem stärke man das Know-How in zentralen Bereichen mit der Schaffung von sogenannten Fachkarrieren. Es handelt sich dabei um eine Möglichkeit für regionale Staatsanwälte, gleichzeitig zu «mittleren Spezialisten» in einem Fachgebiet zu werden.
Fachkarrieren gibt es etwa in den Bereichen Cybercrime, Para-Wirtschaftskriminalität, Strassenverkehrsdelikte und Krawalle/Hooliganismus.
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