Die Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher stimmen erneut über das Hardturm-Stadion ab. Denn die IG Freiräume Zürich West hat gegen den privaten Gestaltungsplan «Areal Hardturm – Stadion» das Referendum ergriffen und genügend Unterschriften gesammelt.
Die IG habe es geschafft, «5'005 Unterschriften gegen das klimaschädliche Bauprojekt der Credit Suisse und HRS Immobilien auf dem Hardturm-Areal zu sammeln». Dies teilte die IG am Freitag mit. Nötig sind 2'000.
Somit werde die Bevölkerung – wahrscheinlich im Mai 2020 – über die Ausgestaltung des 55'000 Quadratmeter grossen Areals abstimmen können. Die Debatte über eine «klimaangepasste und quartierverträgliche Zukunft auf dem Hardturm-Areal» könne nun beginnen.
Unverständnis im Quartier
Während der Unterschriftensammlung habe sich gezeigt, dass «viele Menschen nicht verstehen, dass man in Zeiten der Klimaveränderung weiterhin so bauen will wie auf dem Hardturm-Areal».
Die vorgeschlagene Verdichtung mit den höchsten Türmen der Stadt, der fast gänzlichen Versiegelung des Bodens und der Zerstörung eines Parks mit grosser Biodiversität verschlechtere die Lebensqualität und den sozialen Zusammenhalt im Quartier, heisst es weiter. Die Entwicklung zur Hitzeinsel in Zürich West werde weiter verstärkt.
Zudem würden alle Prinzipien der ökologischen und sozialen Stadtentwicklung über Bord geworfen, damit Grossinvestoren hohe Renditen einfahren können, schreibt die IG weiter.
Das Projekt «Ensemble» verstosse insbesondere gegen die Forderungen der Grünstadt-Initiative, die Vorgaben des kommunalen Richtplans, gegen das Netto-Null-CO2-Ziel, sowie gegen die Vorgabe, wonach bei Neuprojekten mindestens ein Drittel genossenschaftliche Wohnungen gebaut werden müssen. Die IG fordert die Gestaltung des Areals mit gemeinnützigem Wohnungsbau sowie einem grossen Park für Spiel, Breitensport, Naherholung und Kultur.
Werbe-Tram soll verschwinden
Da das Referendum gegen den Gestaltungsplan zustande gekommen ist, fordert die IG Freiräume die Stadt auf, das Ensemble Werbe-Tram «sofort wieder aus dem Verkehr zu ziehen».
Die VBZ dürfen gemäss ihren eigenen Geschäftsbedingungen keine politische Werbung auf ihren Fahrzeugen machen. In seiner Antwort auf eine Anfrage der Grünen zum Ensemble Werbe-Tram hatte der Stadtrat versprochen, beim Zustandekommen des Referendums die Zulässigkeit dieses Werbe-Trams wieder anzuschauen. «Spätestens jetzt» sei ein solches Tram nicht mehr zulässig, findet die IG.
Zustimmung im Parlament
Der private Gestaltungsplan «Areal Hardturm – Stadion» schafft die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Realisierung. Zudem werden darin auch Festlegungen zu den Bau- und Nutzungsbestimmungen, zur Erschliessung, zu Freiräumen, zum Lärmschutz sowie zu weiteren Umweltaspekten getroffen.
Erforderlich ist er vor allem aufgrund der Gebäudehöhe der beiden geplanten Hochhäuser. Diese übersteigen mit 137 Metern die in Zürich maximal erlaubten 80 Meter. Ende Oktober sagten im Stadtparlament FDP, SVP, GLP, EVP und AL Ja zum Gestaltungsplan, die SP enthielt sich, die Grünen sagten Nein.
Schon in der Parlamentsdebatte sagte Hochbauvorstand André Odermatt (SP), er sehe einer allfälligen weiteren Abstimmung gelassen entgegen. Denn das Projekt «Ensemble» sei ein ausgezeichnetes Projekt.
Änderungsanträge kann man zu einem privaten Gestaltungsplan nicht einbringen im Parlament. Eine erneute Diskussion zum Thema kann nur über ein Referendum zum Gestaltungsplan erfolgen. Diese ist nun lanciert.
Lange Abstimmungsgeschichte
Die Stadtzürcher Stimmberechtigten mussten sich immer wieder zur Stadion-Frage äussern. 2003 hatten sie das privat finanzierte Projekt Pentagon an der Urne bewilligt, es kam aber nie zustande. 2013 lehnten sie ein städtisch finanziertes Projekt ab.
Im November 2018 haben sie das Projekt «Ensemble» mit 53,8 Prozent Ja-Stimmenanteil angenommen. «Ensemble» stammt von den Investoren HRS, Immobiliengefässe der Credit Suisse sowie Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ).
Es sieht 174 Genossenschaftswohnungen, ein Stadion für rund 18'000 Zuschauer und zwei Wohn- und Bürotürme mit rund 570 Wohnungen vor. Die gesamten Investitionen belaufen sich auf rund 570 Millionen Franken.
Der Investor will mit den Wohntürmen das Stadion querfinanzieren. Dadurch muss sich die Stadt weder am Bau noch am Betrieb finanziell beteiligen. Mit einem reduzierten Baurechtszins auf dem Baufeld, auf dem die Türme stehen werden, unterstützt sie das Projekt aber dennoch. Denn aus der Reduktion resultiert ein wiederkehrender Einnahmenverzicht von jährlich maximal 1,7 Millionen Franken.
Das Stadion sollte gemäss bisherigen Plänen 2022 fertig sein. Der erste Ball könnte in der Saison 2022/23 rollen. Die Hochhäuser und der gemeinnützige Wohnungsbau werden etappiert ab 2023 fertiggestellt. Dieser Zeitplan dürfte sich allerdings zumindest etwas verzögern.
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