Prozess in Winterthur 7 Monate für Wirt, weil er gegen Corona-Auflagen verstiess

SDA, gbi

21.6.2022 - 18:11

Der Fall wurde vor dem Bezirksgericht Winterthur verhandelt.
Der Fall wurde vor dem Bezirksgericht Winterthur verhandelt.
Bild: Keystone

Ein Wirt aus der Region Winterthur öffnete während der Corona-Pandemie mehrfach illegal sein Café. Das Bezirksgericht Winterthur hat ihn am Dienstag deswegen verurteilt.

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Er schnitt sogar das Siegel durch, mit dem die Polizei sein Lokal zugesperrt hatte: Das Bezirksgericht Winterthur verurteilte einen 56-jährigen Wirt aus der Region zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, ohne Bewährung. Dazu kommen eine unbedingte Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu 30 Franken und eine Busse von 2500 Franken.

Der Österreicher hatte sein Café in einer Gemeinde bei Winterthur mehrfach illegal geöffnet und Leute bewirtet. Als er das Polizeisiegel durchtrennte, liess er sich von einem bekannten Massnahmenkritiker filmen. Das Video ist heute noch auf Youtube zu finden.

Die Urteilseröffnung fand jedoch ohne den Angeklagten statt. Er hatte das Gebäude schon einige Zeit zuvor verlassen, weil er das Gericht «nicht anerkennt». Bei der Befragung hatte er der verdutzten Richterin den Rücken zugedreht, dann ging er eine Zigarette rauchen.

«Der Mensch Günter»

Schon bei Prozessbeginn wurde offensichtlich, dass der Wirt Anhänger der Reichsbürger-Ideologie ist. Diese Verschwörungstheoretiker sind der festen Ansicht, dass der Staat eine «Holding» und die Polizei eine «Firma» ist. Staatliche Auflagen oder Gesetze sind ihrer Ansicht nach nichtig, weil sie «nicht unterschrieben worden seien».

Seinen Pass habe er nicht mehr. Sogar von seinem Nachnamen sagte sich der Wirt los. «Ich bin der Mensch Günter», sagte er und weigerte sich, sich auf den für ihn vorgesehenen Stuhl neben seinem Anwalt zu setzen. «Der Mensch Günter» blieb stehen.

In Existenznot geraten

Sein Anwalt forderte einen Freispruch und führte aus, dass der Angeklagte den ersten Lockdown durchaus noch mitgetragen habe. Weil er vom Staat für sein im September 2019 gegründetes Café aber nur 68 Franken und 20 Rappen Nothilfe erhalten habe, habe er sich in seiner Existenz bedroht gesehen.

«Seiner Ansicht nach hat das System versagt», sagte sein Anwalt. Den zweiten Lockdown konnte «Günter» nicht mehr nachvollziehen. Die anfängliche Ablehnung gegenüber dem Staat entwickelte sich zu einer zunehmend radikalisierten Lossagung vom Staatswesen.

Ein Café ist das besagte Lokal schon länger nicht mehr. Mittlerweile ist es ein «Vereinslokal», allerdings nur noch bis Ende Juli. Dann läuft der Mietvertrag aus und «Mensch Günter» muss das Lokal schliessen.