Kinder und Jugendliche wurden in Heimen weggesperrt, Frauen und Männer, die nicht den gängigen Moralvorstellungen oder Verhaltensnormen entsprachen, in psychiatrische Kliniken eingewiesen. Ein Forschungsprojekt hat die fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen, die im Kanton Zürich bis 1981 dauerten, untersucht.
Das dunkle Kapitel der Zürcher Geschichte wurde aufgearbeitet und die Resultate in Form eines nun erschienen Buches publiziert. Die vier Beiträge befassen sich anhand von Quellen mit den unterschiedlichen Aspekten fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen, wie es in einer Mitteilung heisst.
So nimmt ein Artikel die Gesetzgebung in den Blick, ein weiterer beschäftigt sich mit der vielfältigen Anstaltslandschaft. Ausserdem werden die ökonomischen Aspekte untersucht, die in der Forschung bislang noch wenig berücksichtigt wurden.
Schliesslich geht ein weiterer Beitrag der Frage nach, wie, in welchem Ausmass und an wem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts am Burghölzli beziehungsweise an der Kantonalen Psychiatrischen Universitätsklinik (PUK) ungeprüfte Medikamente an Patientinnen und Patienten getestet wurden.
Eingesperrt ohne Verurteilung
Die Versorgungsgesetze waren ein wichtiges Mittel um Menschen zu disziplinieren, die den gesellschaftlichen Normen nicht entsprachen. Sie konnten jahrelang interniert werden, ohne dass sie je straffällig geworden oder gerichtlich verurteilt worden wären. Sich gegen solche Massnahmen zu wehren, war lange kaum möglich, wie es in der Mitteilung heisst.
Bei den untersuchten Heimen reicht das Spektrum vom Armenhaus, dem Altersheim und den Erziehungsanstalten für Kinder und Jugendliche über die Anstalten des Massnahmenvollzugs und Drogenentzugsanstalten bis zu psychiatrischen Einrichtungen, Beobachtungsheimen und Heimen für Behinderte. Nicht selten kamen die Betroffenen von einer Anstalt in die nächste.
Betroffene mussten Kosten tragen
Auch die finanziellen Aspekte haben die Forschenden untersucht. Dabei ging es laut Mitteilung einerseits um die Seite der Versorger und der Anstalten, andererseits aber auch um die Frage, welche Auswirkungen eine Versorgung auf die ökonomische Realität der Betroffenen hatte.
Diese mussten nämlich die Kosten der Versorgung selbst bezahlen oder der Gemeinde zurückerstatten. Für diejenigen, die bereits als Kinder oder Jugendliche fremdplatziert oder in einem Heim versorgt wurden, bedeutete dies oft ein ganzes Leben in Armut.
Medikamententests bis in 1980er Jahre
Ein weiteres unrühmliches Kapitel sind die Medikamententests in Kliniken. Dass Ärzte in der PUK wie auch in anderen Schweizer Psychiatrien zwischen 1950 und 1980 ahnungslosen Patientinnen und Patienten ungeprüfte Psychopharmaka verabreicht haben, überrascht die Autoren nicht.
Die Untersuchung zeigt jedoch, dass dafür nicht bestimmte Patientengruppen, wie etwa bevormundete Personen, gezielt oder besonders häufig ausgesucht worden waren. Festgehalten wird jedoch, dass es bis in die 1980er Jahre hinein kaum oder gar keine Regulierung der Medikamentenforschung gab.
Der Zürcher Regierungsrat hat im Oktober 2016 Mittel für das Projekt bewilligt. Dieses hat zusätzlich zu den laufenden Forschungen auf nationaler Ebene und in anderen Kantonen die fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen im Kanton Zürich untersucht. Regierungsräten Jacqueline Fehr (SP) und Staatsarchivar Beat Gnädinger haben die Ergebnisse am Freitag in Winterthur präsentiert.
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