Mit einer ruhigen, würdigen Feier haben am Mittwoch Angehörige, Weggefährten, Freunde, Bekannte und Bewunderer im Zürcher Fraumünster vom Schauspieler und vom Menschen Bruno Ganz Abschied genommen.
Vorne in der Kirche ein grossformatiges Foto des Verstorbenen, daneben ein grosser Kranz aus weissen Blumen – ansonsten war die Kirche schmucklos. Das passte zu Bruno Ganz, der mit seiner schnörkellosen Arbeit beeindruckte.
Berührende Abschiedsworte
Das Delian Quartett spielte Stücke von Henry Purcell und Dmitri Schostakovich. Mit dieser Streicher-Gruppe hatte Bruno Ganz seit Jahren immer wieder Veranstaltungen durchgeführt, weitere waren geplant, wie Fraumünsterpfarrer Niklaus Peter sagte.
Die vielen Gesichter des Bruno Ganz
Die vielen Gesichter des Bruno Ganz
Bruno Ganz ist tot. Egal ob Hitler, Faust oder als Almöhi: Ganz war ein darstellerisches Chamäleon und beherrschte jede Rolle perfekt. Wir blicken auf seine eindrucksvollsten Verwandlungen zurück.
Leukämiekranker in «Der amerikanische Freund» (1977): In seinem ersten Kinofilm unter der Regie von Wim Wenders spielt Bruno Ganz den an Leukämie erkrankten Jonathan Zimmermann.
Jonathan Harker in «Nosferatu - Phantom der Nacht» (1979): Zwei Jahre später brilliert Bruno Ganz an der Seite der wunderbaren Isabelle Adjani in der Neuauflage des Vampir-Klassikers «Nosferatu».
Kriegsreporter in «Die Fälschung» (1981): Von der Fantasy zurück in die harte Realität: Als Reporter einer Hamburger Illustrierten gerät Bruno Ganz in die Wirren des Libanonkriegs.
Engel in «Der Himmel über Berlin» (1987): Nach der Arbeit mit Volker Schlöndorff steht Bruno Ganz erneut für Wim Wenders vor der Kamera - diesmal als Engel (Szene mit Solveig Dommartin).
Wieder: Engel in «In weiter Ferne, so nah!» (1993): In der Fortsetzung von «Der Himmel über Berlin» spielen sie erneut zusammen: Bruno Ganz (links) und der inzwischen ebenfalls verstorbene Otto Sander.
Dr. Faustus in «Faust-Projekt» (2000): Auf der Expo 2000 in Hannover verausgabt sich Bruno Ganz in der epischen Peter-Stein-Inszenierung von Goethes «Faust» - 21 Stunden lang!
Berliner Jude in «Epsteins Nacht» (2002): Von der Bühne zurück zum Film: Bruno Ganz (rechts) und Mario Adorf als Berliner Juden.
Beichtvater in «Luther» (2003): Und noch ein Film über deutsche Geschichte: In dem Biopic «Luther» spielt Bruno Ganz (links) Johann von Staupitz, den Theologen und Beichtvater des grossen Reformators (Joseph Fiennes).
Adolf Hitler in «Der Untergang» (2004): Der Film, der alles veränderte - auch für Bruno Ganz. In Oliver Hirschbiegels epochalem «Der Untergang» spielt Bruno Ganz Hitler so brillant, das man kaum mehr von Schauspiel sprechen mag. Eine Rolle, die Bruno Ganz zu seinem Leidwesen lange auf Nazi-Figuren abonnierte.
Kardinal in «Fürchtet Euch Nicht! - Das Leben Papst Johannes Pauls II.» (2005): Auch das eine Wiederholung: Bruno Ganz (links) erneut als Geistlicher, in diesem Fall als Kardinal Wyszynski, dem Förderer von Papst Johannes Paul II. (Thomas Kretschmann).
Kriegsgefangener in «Ode an die Freude» (2006): Von Italien nach Japan: In dem deutsch-japanischen Historiendrama spielt Bruno Ganz (rechts) den lebensmüden Gefangenen des Lagerführers Matsue (Ken Matsudaira).
Philosoph in «Das Ende ist mein Anfang» (2010): Philosophischer Exkurs: Basierend auf dem Bestseller von Folco Terziani gibt Bruno Ganz dessen geistreichen Vater, den Schriftsteller Tiziano Terzani.
Schweizer Bundespräsident in «Der grosse Kater» (2010): Ehrensache: Bruno Ganz, selbst Schweizer, spielt den Schweizer Bundespräsidenten. Dessen Beziehung zur First Lady (Marie Bäumer) ist allerdings am Ende.
Vater in «Satte Farben vor Schwarz» (2011): Erneut spielt Bruno Ganz einen Vater, und zwar in einem ergreifenden Familiendrama über Suizid und lebenslange Liebe.
Ex-Spion in «Unknown Identity» (2011): Vom Familienfilm zum Action-Thriller: Bruno Ganz (links) als früherer Spion Ernst Jürgen, der dem amerikanischen Wissenschaftler (Liam Neeson) weiterhilft.
Gouverneur in «Michael Kohlhaas» (2013): In der Verfilmung von Heinrich von Kleists Klassiker glänzt Bruno Ganz (links) als Gouverneur neben Mads Mikkelsen als Michael Kohlhaas.
Alt-Revoluzzer in «Nachtzug nach Lissabon» (2013): Und noch eine Literaturverfilmung: In dem Bestseller von Pascal Mercier gibt sich Bruno Ganz nostalgisch und will die Zeit zurückdrehen ...
Almöhi in «Heidi» (2015): Eine Rolle, die Bruno Ganz als Schweizer nicht ablehnen konnte: In der «Heidi»-Verfilmung (2015) spielte er den Almöhi (hier mit Anuk Steffen als Heidi).
Freud in «Der Trafikant» (2018): Seine letzte Kinorolle: Bruno Ganz an der Seite von Simon Morzé in der Romanverfilmung «Der Trafikant».
Der Schauspieler Jens Harzer verlas einen persönlichen Brief des Autors Botho Strauss. «Der Autor konnte dir immer vertrauen», hatte Strauss geschrieben. Bruno Ganz habe als Bühnenschauspieler Texte zitiert – mit seiner melodiösen, spröden, zuweilen kieselharten Stimme. An leisen Stellen sei er überzeugend gewesen – «aber am besten war er ausser sich», als «Protagonist der Verzweiflung».
Bruno Ganz sei «einer der letzten Überlebenden vom Heldenfach» gewesen. «Lieber Bruno», schrieb Botho Strauss, «mein Freund, mein Gefährte. Autor für Dich zu sein, war die Erfüllung meines Theaterlebens».
«Ein Seelenkenner»
Bruno Ganz sei nicht einfach ein Menschenkenner gewesen, sagte Regisseur Wim Wenders, der mehrere Filme mit ihm gedreht hatte. Sondern mehr, «eine Art Menschenwissenschaftler, ein Seelenkenner».
Wie er sich selbst zurücknahm, sei umgekehrt proportional dazu gewesen, wie er sich in der jeweiligen Rolle verausgabte habe. Dabei habe ihm seine tiefe Verbundenheit mit Zürich eine Erdung ausserhalb der Film- und Theaterwelt gegeben. Er sei begeisterungsfähig gewesen und ein Meister darin, den Funken überspringen zu lassen.
Bruno Ganz habe «etwas dargestellt, habe zu jedem werden, alle verkörpern können», sagte Wim Wenders. Als Regisseur «habe ich kaum eine kostbarere und glücklichere Zeit gehabt, als mit dir, Bruno».
«Lebensteppich zu Ende gewebt»
Für seine Predigt hatte Pfarrer Niklaus Peter das Klagelied des schwerkranken Königs Hiskias (Jesaja 38) gewählt. Im Unterschied zu Hiskias, der überlebte, habe bei Bruno Ganz die Krebserkrankung «schnell und hart zugeschlagen».
Peter verwendete das Todesbild im Lied, wonach der Lebensteppich zu Ende gewebt und der Faden abgeschnitten wird. Der Grundstoff für den Lebensteppich von Bruno Ganz seien Texte gewesen. In sein Lebensmuster habe er Stimmen, Erfahrungen, Hoffnungen, Lebendigkeit und Farben eingewebt. Und damit unzähligen Menschen Gelegenheit gegeben, einzelne Fäden und Farben in ihr eigens Leben einzuflechten.
Von Bruno Ganz bleibe die Erinnerung an sein «ernstes, liebevolles Gesicht», ein paar Tonaufnahmen, ein paar Filme. Davon abgesehen aber könne jede und jeder eine individuelle Antwort finden auf die Frage, was bleibe von dem Menschen, der grossen Schauspielpersönlichkeit.
Weggefährten nehmen Abschied
Unter den mehreren hundert Menschen, die im Fraumünster Abschied von ihrem Freund und Weggefährten Bruno Ganz nahmen, waren auch bekannte Gesichter. Filmautor Christoph Schaub war gekommen, Filmemacher Fredy M. Murer, Schauspieler und Theaterleiter Daniel Rohr und Schriftsteller Franz Hohler. Aus Deutschland kamen unter anderen Schauspielerin Iris Berben und Schauspieler Joachim Król.
Bruno Ganz war am 16. Februar 2019 gestorben. Am kommenden Freitag, 22. März, wäre er 78 Jahre alt geworden. Während fast 50 Jahren stand er auf Theaterbühnen und vor Filmkameras. Er erhielt zahlreiche Ehrungen. Unter anderem war er 1973 «Schauspieler des Jahres», 1991 erhielt er den Hans-Reinhart-Ring der Schweizerischen Gesellschaft für Theaterkultur. Seit 1996 war er Träger des bedeutenden Iffland-Rings.
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