Zürcher Rat will's wissen Wie lange und wie oft reden Frauen?

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12.5.2022 - 11:13

Besucher verfolgen eine Budgetdebatte im Zürcher Gemeinderat (Archivbild).
Besucher verfolgen eine Budgetdebatte im Zürcher Gemeinderat (Archivbild).
Keystone

Das Stadtzürcher Parlament führt ein «Genderwatch-Protokoll» ein. Es soll zeigen, wie lange und wie häufig Gemeinderätinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen zu Wort kommen. Bürgerlichen stossen sich daran. 

Die beiden Zürcher Gemeinderätinnen Selina Walgis (Grüne) und Marion Schmid (SP) freuen sich: Ihr Beschlussantrag zum sogenannten «Genderwatch-Protokoll» wurde am Mittwoch im Zürcher Stadtparlament überwiesen. Wenn auch knapp mit 61 zu 50 Stimmen. Das heisst, dass künftig Protokoll geführt wird, das das Geschlechterverhältnis bei Wortmeldungen und Rededauer aufzeigen soll. 

Dass Frauen in der Politik untervertreten seien, werde oft thematisiert, sagte Marion Schmid (SP) in ihrer Begründung des Beschlussantrags. Doch wie die Frauen im Gemeinderat repräsentiert werden, hänge nicht nur von der Anzahl der Sitze ab, die von ihnen besetzt seien.

Das Bewusstsein schärfen

«Relevant für die tatsächliche Repräsentation ist ebenso das Verhältnis der Wortmeldungen sowie die effektive Redezeit der Frauen respektive der Männer», hielt Schmid fest. SP und Grüne vermuten, dass Frauen weniger Redezeit eingeräumt werde und sich deren politische Untervertretung dadurch weiter erhöht.

«Wir wollen nicht jemandem einen Maulkorb verpassen oder Polemik betreiben», sagte Schmid. Es gehe darum, eine sachliche Diskussion zu ermöglichen, um das Bewusstsein für die Problematik zu schärfen.

Der Frauenanteil im neuen Stadtzürcher Parlament sei nun zwar so hoch wie nie, betrage aber doch nur 40 Prozent, sagte Selina Walgis (Grüne). «Männer sind deutlich übervertreten, deshalb ist ein bewusster Umgang mit der Gesprächskultur zentral.»

Ist ein langes ein gutes Votum?

Unter anderem die FDP wollte von diesem Vorstoss hingegen nichts wissen. Ein reines Zählen der Redezeit sei nicht zielführend, sagte Martina Zürcher. Sie verwies darauf, dass «lange Voten oft schlechter sind als kurze». Wer unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft ernst genommen werden wolle, solle zur FDP-Fraktion stossen, ergänzte sie.

Auch bei einigen männlichen Kollegen stösst das «Genderwatch-Protokoll» auf wenig Begeisterung. Andri Silberschmidt (FDP) ist der Ansicht, Prioritäten würden falsch gesetzt werden, schreibt er auf Twitter.

Nur auf die Redezeit im Saal zu schauen, bringe es nicht, meinte auch Susanne Brunner (SVP). Um die Statistik zu erfüllen, müsste sie jetzt einfach weitersprechen, um die ihr maximal zustehende Redezeit auszunutzen. Die wichtige Arbeit in der Partei, in den Fraktionen und in den Kommissionen würde bei so einem «Genderwatch-Protokoll» ausgeblendet.

Verschiedene Parteien – etwa die AL und die GLP – erklärten in der Debatte, in der sich fünf Frauen und drei Männer zu Wort meldeten, dass sie sich für Stimmfreigabe entschieden hätten. Am Ende kam eine knappe Mehrheit für das «Genderwatch-Protokoll» zustande. Das Ratsbüro prüft nun, wie sich ein derartiges Protokoll führen lässt.

Am 1. November 1969 durften Zürcherinnen zum ersten Mal an die Urne gehen: Wie stark heute Frauen und Männer im Zürcher Gemeinderat mitpolitisieren, darüber soll nun ein "Genderwatch-Protokoll" Auskunft geben. (Archivbild)
Am 1. November 1969 durften Zürcherinnen zum ersten Mal an die Urne gehen: Wie stark heute Frauen und Männer im Zürcher Gemeinderat mitpolitisieren, darüber soll nun ein "Genderwatch-Protokoll" Auskunft geben. (Archivbild)
Keystone

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