Kommentar Behrami verliert zwar seinen Platz in der Nati, geht aber als Sieger im Duell mit Petkovic und dem SFV hervor

ein Kommentar von: Syl Battistuzzi

7.8.2018

Petkovic will Behrami nicht mehr aufbieten.
Petkovic will Behrami nicht mehr aufbieten.
Bild: Keystone

Wie eine Bombe schlug gestern die Meldung ein, dass Nati-Trainer Vladimir Petkovic Valon Behrami nicht mehr aufbieten wird.  Zwar geht der Tessiner als Sieger aus der medialen Schlammschlacht hervor, trotzdem sind am Ende nur Verlierer zu beklagen.

«Nur dreissig Sekunden hat der Anruf am Montagmittag gedauert», erzählt Valon Behrami. «Ich habe an einen Höflichkeitsanruf gedacht, stattdessen wurde ich vor die Tür gesetzt.»

So beginnt das Interview vom Tessiner mit dem lokalen Fernsehsender RSI.
Als einziger Schweizer hat Behrami an vier Weltmeisterschaften und zwei Europameisterschaften teilgenommen. In 83 Länderspielen ist er dabei stolze 5835 Minuten auf dem Platz gestanden. Und jetzt wurde Behrami nach eigener Aussage in einer halben Minute abserviert ...

Petkovic hingegen hält in einer Stellungsnahme auf der Verbandsseite fest, dass er zwar Telefonate mit einigen erfahrenen Nationalspielern – darunter Behrami – über deren sportliche Zukunft geführt hätte, er dabei aber keine endgültigen Entscheidungen getroffen habe. Vielmehr gehörten solche Gespräche zu seiner Aufgabe, vor allem im Hinblick auf die anstehenden Wettbewerbe wie UEFA Nations League und die anschliessende EM-Qualifikation. Die Reaktion von Behrami sei also eine fehlinterpretierte Kurzschlusshandlung.

Ob das Telefonat tatsächlich nur so kurz war oder doch etwas länger dauerte, wird vermutlich immer ein Mysterium bleiben. Klar ist jedoch, diese Worte bleiben bei jedem Schweizer Fussballfan hängen. Kein PR-Profi hätte es besser machen können. Fakt ist: Nach dreizehn Jahren voller Kampf- und Leidenschaft wird der Aggressiv-Leader nicht mehr für die Schweiz auflaufen. 

Im Communiqué lässt sich Petkovic zitieren: «Es handelt sich ausschliesslich um einen sportlichen Entscheid». Der Nationaltrainer entlarvt also gleich selber seine offizielle Variante, dass es kein endgültiger Entscheid war. Auch wenn Petkovic vielleicht nach dem Interview von Behrami dazu gezwungen wurde. Behrami meint hingegen: «Es ist eine politische Entscheidung».

Petkovic sinniert über die Zukunft.
Petkovic sinniert über die Zukunft.
Bild: Keystone

Unschönes Ende 

Vor gut einem Monat war das Tuch zwischen den beiden noch nicht zerschnitten. Im WM-Startspiel meldete der «Krieger» Neymar ab, worauf Petkovic seine Persönlichkeit fürs Team hervorhob: «Wir brauchen ihn in den nächsten Spielen.» Und im Achtelfinale lief Behrami nach der Sperre von Stephan Lichtsteiner gegen Schweden als Captain auf und erklärte stolz: «Ich werde noch stolzer sein, das Nati-Trikot zu tragen.» 

Tempi passati. «Nach der Weltmeisterschaft hat es einige Vorgänge gegeben, die mir nicht gefallen haben, die mit meinen Ideen, das Team als Einheit zu handhaben, kollidierten. In den letzten Wochen hat aber eine Teilung in der Nationalmannschaft stattgefunden, die ihm nicht gefallen habe.» Behrami führt gegenüber dem Tessiner Fernsehen weiter aus, dass die Doppeladleraffäre und die damit verbundene Diskussion um Doppelbürger auch Teile dieser Entwicklung war. Seine Worte düften vor allem an Generalsekretär Alex Miescher gerichtet gewesen sein, der die Doppelbürgerdebatte unnötigerweise initiierte.

Der Udinese-Söldner attackiert die SFV-Verbandsspitze scharf: «Die Leute da haben keine Ahnung von Fussball, sie haben nie aktiv Fussball gespielt, jeder will nur seinen Posten schützen.»

Behramis Kritik

@valonbera widerspricht Nati-Coach Vladimir Petkovic. #srffussball #nati

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Mit seinen drastischen Worten verlagert der langjährige Leistungsträger die Angelegenheit um seinen «Rausschmiss» aufs politische Parkett, auch wenn Nati-Trainer Vladimir Petkovic, wie eingangs erwähnt, «rein sportliche Gründe» festhalten will . Behramis Replik: «Der Trainer kann sagen, was er will, es war eine politische Sache.»

Und auf der politischen Bühne wird es generell schwierig für den SFV. Bestes Beispiel ist der DFB, der als grösster Sportverband in der Özil-Debatte gnadenlos Schiffbruch erlitt. Der Schweizer Verband kann gegen Behramis Anklage eigentlich nur verlieren, die Öffentlichkeit ist – dank der jahrelangen und aufopfernden Spielart Behramis – auf seiner Seite. 

Missglückter Umbruch

Dabei hätte Petkovic ja gute Argumente auf seiner Seite: Mit 33 Jahren befindet sich Behrami auf der Zielgeraden seiner Karriere. Seine Verletzunsanfälligkeit würden eine Zukunftsplanung mit ihm sicher auch nicht einfacher machen. Ausserdem stossen auf seiner Position starke Junge nach. 

Ein Kaderschnitt ist überdies nichts Ungewöhnliches und der Zeitpunkt wäre auch passend. Nichtsdestotrotz hinterlässt die Angelegenheit im Fall Behrami einen (äusserst) bitteren Nachgeschmack. Man kann und darf einen Spieler nicht mehr berücksichtigen. Auch einen langjährigen und verdienten Spieler wie Behrami.

Dennoch: Eine Abfertigung per Telefon mangelt an Respekt für dessen dreizehnjährigen Einsatz für die Schweiz. Petkovic, der sich in der Schweiz als Ausländer von unten durchboxen musste, sollte aufgrund seiner Vita bestens wissen, wie wichtig Wertschätzung im Fussball-Business sein kann. Ausgerechnet bei seinem in den letzten Jahren wichtigsten Mann auf dem Platz liess er nun den von ihm so hoch gehaltenen Respekt offenbar vermissen. Eigentlich unvorstellbar. Ob es nun Druck seitens der SFV-Bosse oder doch nur rein sportliche Gründe waren, mit der missglückten Kommunikation von Petkovic und dem SFV ist der Totalschaden angerichtet.

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