Kurzfristiger Erfolg. Das war die klare Ansage von Barça-Präsident Joan Laporta im vergangenen Sommer. Doch schon im Oktober brauchen die Katalanen ein mittleres Fussballwunder – und erneut geht es um viel Geld. Ein Kommentar.
«Barcelona isst nicht mehr am Tisch der Grossartigen», schreibt «sport.es» am Donnerstagmorgen und bleibt damit die weitaus kritischste Stimme Spaniens nach dem gescheiterten Auftritt der Blaugrana in der Champions League. Die Katalanen erkämpfen sich im vorgezogenen Finalspiel gegen Inter Mailand mit Mühe und Not ein 3:3-Unentschieden, das für die Qualifikation der K.o.-Phase mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht reichen wird.
Aber der zu erwartende Sturm der Entrüstung der spanischen Sportblätter bleibt aus. «Es war eine Nacht des Leidens. Aber da waren Emotionen, Leidenschaft und Spannung. ‹Los Culés› können es nicht mehr aus eigener Kraft schaffen, aber sie haben bis zum Schluss alles gegeben», blickt «Marca» fast schon liebevoll zurück und schiebt die Schuld am Resultat der langen Verletztenliste zu.
Auch die für gewöhnlich einfach so zum Spass schon brutal kritische «Mundo Deportivo» gibt sich unnatürlich handzahm. «Sie suchten den Erfolg, waren nah dran und machten Fortschritte», heisst es nach der Partie. «Eine zeitweise brillante, aber sehr unzuverlässige Barça-Mannschaft.» Und das war’s dann auch schon mit der Kritik.
Kehren jetzt die Konkurs-Geister zurück?
Kein gutes Zeichen. Denn so sehr der drohende Abschied aus der Königsklasse schmerzt, so viel schlimmer ist für das stolze katalanische Herz die mediale Bestätigung, dass überhaupt nichts anderes erwartet wurde. Wie hatte man sich den Sommer über doch Mühe gegeben, die Schwächen im Kader zu übermalen, die kriselnde Stimmung im Verein zu kaschieren und die gigantischen Löcher in der Kasse zu stopfen.
Kurzfristiger Erfolg wurde den kritischen Stimmen zum Trotz als grosses Ziel auserkoren. 150 Millionen Euro und etliche fragwürdige Inventar-Veräusserungen später steht der Verein vor einem finanziellen Scherbenhaufen, wie sie ihn selbst in Barcelona noch nicht gesehen haben. Zwar hält man in der Liga aktuell mit Erzrivale Real Madrid mit – die so eminent wichtigen Einnahmen aus der Champions League aber hängen am seidenen Faden.
Diese Problematik scheint die spanische Presse denn auch viel brennender zu interessieren, als die Leistung auf dem Platz. «Wenn Barça in den letzten beiden Runden der Gruppe kein Wunder vollbringt, könnte der Verein mehr als 21 Millionen verlieren und sein Budget-Ziel verpassen», warnt «Mundo Deportivo». Damit sind nur die Preisgeld-Zahlungen der UEFA gemeint. Nimmt man fehlende Stadion- und TV-Einnahmen mit in die Rechnung auf, fällt diese deutlich höher aus. Was das genau für den Verein bedeuten könnte, ist unklar. Die spanische Liga schaut den Katalanen bei finanziellen Problemen aber seit Jahren ganz genau auf die Finger und scheut auch nicht davor zurück, den Klub zu bestrafen.
Klar ist: Gewinnt Inter Mailand zu Hause gegen Viktoria Pilsen, ist das Worst-Case-Szenario der Katalanen perfekt. Es wäre das erste Mal seit 1999, dass der Verein die Qualifikation für die K.o.-Phase zweimal in Folge verpasst. Ob man sich das leisten kann? Wohl eher nicht. Ewig lassen sich TV-Rechte aus der Zukunft nun mal nicht verkaufen. Bleibt der kurzfristige Erfolg aus, feiern die Konkurs-Geister ihre Rückkehr ins bröckelnde Camp Nou wohl noch vor Lionel Messi.
Der Dolch im Rücken, der Clásico vor der Tür
Und Xavi? Die Barça-Legende hadert. «Es ist brutal für uns. Wir haben viele Fehler gemacht», gesteht der Trainer nach dem folgenschweren Remis ein. «Wir verdienen es nicht, in der Champions League weiterzukommen.» Seine bisherige Bilanz in der Königsklasse (1 Sieg, 2 Remis, 2 Niederlagen) lässt zu Wünschen übrig. «Football-Espana» schreibt vom schlechtesten Champions-League-Lauf in der Vereinshistorie.
Es sind die Leistungen in der Meisterschaft, die dem 42-Jährigen aktuell den Rücken freihalten. Doch bereits am Sonntag geht es auch da ums Ganze. Im Santiago Bernabeu lädt das punktgleiche Real Madrid zum Clásico (live auf blue Sport). Auch hier gilt: Verlieren verboten.
Denn dass sich die ungewohnt rücksichtsvolle spanische Presse nach dem Verlust der Tabellenführung immer noch so gnädig gäbe, ist höchst unwahrscheinlich. In den sozialen Medien ist das Unwetter derweil schon nach dem Remis gegen Inter aufgezogen.