Die Young Boys haben eine gute Champions League gespielt. Hätten sie Wege gefunden, sich für ihre Leistungen angemessen zu belohnen, wäre es sogar eine hervorragende geworden.
«Die Champions-League-Kampagne war eine, mit der man absolut einverstanden sein kann.» Die Bilanz von David Wagner wenige Minuten nach dem Schlusspfiff in Manchester bringt zum Ausdruck, was nicht nur der Deutsche verspürte: Vieles war gut, und doch hätte einiges besser ein können. Die Note für den künstlerischen Ausdruck, für die Art, wie sich YB verkauft hat, fällt besser aus als die tatsächliche Punktzahl.
Das abschliessende 1:1 bei Manchester United stand sinnbildlich für die Gruppenphase. In keiner Partie war YB chancenlos, aber zu selten erspielte es sich den verdienten Lohn für seinen Aufwand – speziell nicht in den letzten beiden Runden bei den Unentschieden gegen Atalanta Bergamo und das B-Team von Manchester United.
Es fehlte nach dem Exploit gegen die Engländer zum Auftakt das gewisse Etwas, das aus einer guten Gruppenphase eine hervorragende gemacht hätte. Gegen Atalanta war es eine bröckelnde Freistossmauer, die den Sieg verhinderte, und in Manchester die paar Zentimeter, die Quentin Maceiras aus exzellenter Position am Pfosten vorbei schoss.
Die mangelnde Effizienz war unter den YB-Spielern auch das Hauptthema, wenn es hiess: gut gespielt, aber... Ohne Jean-Pierre Nsame, der alle Partien verpasste, und Christian Fassnacht, der die Hälfte der Gruppenphase nicht zur Verfügung stand, fehlte den Bernern auch die individuelle Klasse in der Offensive, um für den Unterschied zu sorgen, um das letzte Puzzleteilchen zu setzen.
Millionen, Dramen und ein Versprechen
Es wäre aber ungerecht, die zweite Champions-League-Gruppenphase der Young Boys dadurch zu definieren, was fehlte. Die Mannschaft von David Wagner hat sich die Diskussion um verpasste Chancen verdient, indem sie sich die Möglichkeiten überhaupt herausgespielt hat. Sie arbeitete sich vom ersten Qualifikationsspiel in Bratislava vor 1200 Zuschauern Mitte Juli bis zum Auftritt in Manchester vor über 73'000 Zuschauern.
YB hat auf dem Weg nicht nur rund 25 Millionen Franken verdient, sondern auch Spuren hinterlassen. Zwei der drei vor vollen Rängen stattgefundenen Heimspiele – jene gegen Manchester United und Atalanta Bergamo – waren Dramen von bester Unterhaltung. Auch das zählt gerade für einen kleineren Klub in der Champions League. Rein rechnerisch ist die Bilanz zumindest ordentlich: Mit fünf Punkten war YB zusammen mit Wolfsburg der beste Gruppenletzte.
«Das Positive überwiegt», resümierte Captain Fabian Lustenberger ohne zu zögern. «Wir können die Champions League erhobenen Hauptes verlassen.» Der 19-jährige Fabian Rieder, Torschütze des 1:1 in Manchester, versprach, dass YB aus der Kampagne lernen und es das nächste Mal besser machen werde.
Fokus auf die Super League
Für YB wird es nun in den nächsten Monaten darum gehen, sich diese neuerliche Chance auf die Champions League in der Meisterschaft zu erspielen. Das Remis in Manchester soll helfen, das nach enttäuschenden Resultaten angeschlagene Berner Selbstvertrauen wieder herzustellen. «Jedes positive Ergebnis hilft dabei», sagte Wagner, der neun Punkte aus den letzten drei Meisterschaftsspielen vor Weihnachten als Ziel formuliert hat. Am Sonntag ist zunächst Sion der Gegner, bevor gegen Basel und Lugano ein Teil des Neun-Punkte-Rückstands auf Leader Zürich wettgemacht werden soll.
Wie in dieser Saison darf auch in der kommenden nur der Schweizer Meister um den Einzug in die Champions-League-Gruppenphase spielen. Dabei muss er sogar eine Qualifikationsrunde mehr – also insgesamt vier – überstehen. Immerhin ist die Schweiz daran, ihre Ausgangslage im für die Startplätze massgebenden UEFA-Ranking zu verbessern. Dass die Leistungen des FC Basel in der Conference League dabei bereits jetzt mehr Zähler einbringen als jene der Young Boys in der Champions League, passt zu deren Europacup-Saison: Aufwand und Ertrag stimmen punktemässig nicht überein.