Halbfinal der Neureichen«Dosenklub» vs. «Ölverein»: Wird Leipzig von Fans zu Unrecht verurteilt?
Von Tobias Benz
18.8.2020
Im ersten Halbfinal der Champions League treffen am Dienstagabend mit RB Leipzig und Paris Saint-Germain zwei Klubs aufeinander, die in den Augen vieler Fussballfans vor allem für eines bekannt sind: viel Geld. Der Umgang damit unterscheidet die Klubs aber wesentlich.
Albtraum-Szenario für Fussballromantiker: Am Dienstagabend machen RB Leipzig und Paris Saint-Germain im Estádio da Luz den ersten Finalteilnehmer der diesjährigen Champions League unter sich aus. Das Problem dabei: Es stinkt nach Geld. Die beiden neureichen Klubs sind aufgrund ihrer spendablen Geldgeber in fast allen Fanszenen unten durch. «Dosenklub» gegen «Ölverein» schimpft sich der Halbfinal der Superreichen.
Ähnlich sind sich die beiden Klubs aber nicht wirklich. Dafür gehen sie auf viel zu unterschiedliche Art und Weise mit Geld um. Vor allem ein genauerer Blick auf Red Bull Leipzig lohnt sich – so «schlimm» scheinen die Leipziger nämlich gar nicht zu sein. Zuerst aber einige Worte zu PSG, dem Jordan Belfort unter den Fussballklubs.
Paris Saint-Germain
Im Mai 2011 übernimmt die Investorengruppe «Qatar Sports Investments» den damals hoch verschuldeten Hauptstadtklub und legt die Karten sofort auf den Tisch. Ab jetzt wird Geld ausgegeben – und das nicht zu knapp. Im ersten Jahr fliessen 107 Millionen Euro für Neuzugänge. Das ist in etwa so viel, wie in den vorangegangenen sieben Jahren zusammen. Und es geht Schlag auf Schlag weiter. 2012 kauft PSG Spieler für 151 Millionen, 2013 für 135 Millionen, und so weiter.
Den Höhepunkt erreichen die Investoren aus Katar im Jahr 2017, als sie die überrissene Ablöse von 222 Millionen Euro nach Barcelona überweisen, um Neymar nach Paris zu lotsen. Doch die Shoppingtour ist noch lange nicht beendet. 2018 fliessen nämlich die nächsten 217 Millionen, unter anderem für die Verpflichtung des französischen Superstars Kylian Mbappé.
Einnahmen gibt es in diesem Zeitraum fast keine. Die braucht es aber auch nicht, schliesslich sitzt man in Doha über einem der grössten Öl- und Gasvorkommen des Planeten. Nach neun Jahren ist die Gesamtsumme aller Transfers auf 1,3 Milliarden Euro angewachsen. Das Ziel ist klar: PSG soll die Champions League gewinnen, koste es, was es wolle.
RB Leipzig
Ganz anders taktiert Dosenkönig Dietrich Mateschitz in Leipzig. Der 76-Jährige übernimmt mit seiner Red Bull GmbH 2009 das Startrecht des Fünftligisten SSV Markranstädt und lässt an dessen Stelle neu RasenBallsport Leipzig in der Oberliga Nordost antreten. In den darauffolgenden Jahren spielt sich der Klub in Windeseile durch die deutschen Fussballligen, bis er 2016 in der Bundesliga ankommt.
In dieser Zeit fliessen zwar fast keine Transferablösen, RB ködert allerdings nach jedem Aufstieg die besten Spieler der jeweiligen Ligakonkurrenten mit erhöhten Salären und dem eindeutig definierten Ziel, in die Bundesliga aufzusteigen. Fast alle sagen zu. Gleichzeitig wird das österreichische Team Red Bull Salzburg von Besitzer Mateschitz kurzerhand in ein Farmteam umgewandelt. Die besten Spieler von RB Salzburg finden fortan Unterschlupf bei RB Leipzig.
Umfrage
Leipzig oder PSG: Wer zieht ins Endspiel ein?
Nach dem Durchmarsch in die Bundesliga ist dann eine Strategieänderung vonnöten. Jetzt rollt der Rubel. Würde man meinen. Aber das stimmt so nicht ganz. In den vier Jahren seit dem Aufstieg gibt RB zwar die Gesamtsumme von fast 300 Millionen Euro für Neuzugänge aus, durch Spielerverkäufe fliesst aber auch ordentlich etwas in die Klubkassen zurück. Netto verbuchen die «Roten Bullen» 92 Millionen Euro an Transferkosten.
Auch wenn diese Summe in Wahrheit etwas höher liegen müsste, da immer noch einige Spieler für Spottpreise aus Salzburg nach Leipzig wechseln, steht etwa Bayern München mit 162 Millionen Euro Nettoausgaben deutlich über dem «Dosenklub». Auch andere Bundesligisten, wie etwa Hertha Berlin (-88 Millionen Euro) oder der VfL Wolfsburg (-77 Millionen) sind überhaupt nicht weit entfernt.
Kommerzialisierung – die Wurzel allen Übels?
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Leipziger zwar mit einer dicken Brieftasche hantieren und ihr sensationeller Aufstieg in die Fussball-Elite ohne das viele Geld definitiv nicht möglich gewesen wäre – trotzdem ist ein ganz klarer Unterschied zur Herangehensweise in Paris zu erkennen.
Es ist aber nicht alleine die Finanzkraft, die Leipzig und Paris in ein solch schlechtes Licht rücken, sondern ihr unbestrittenes Bestreben, die Kommerzialisierung des Fussballs voranzutreiben. In dieser Angelegenheit sind sie aber nicht allein, gibt es doch kaum noch Fussballvereine, die in eine andere Richtung schwimmen.