Torhüter Sandro Aeschlimann feiert beim 3:2-Sieg gegen Kasachstan sein WM-Debüt. Es ist eine aussergewöhnliche Geschichte.
Aeschlimann ist am 26. Dezember 1994 zur Welt gekommen. Somit fallen bei ihm Weihnachten und Geburtstag zusammen. Nun erhielt er mit seinem ersten Einsatz an einer WM verfrüht das grösste Geschenk, ging doch für ihn ein Kindheitstraum in Erfüllung. «Die Anspannung war definitiv grösser als bei einem 08/15-Spiel», sagt Aeschlimann. «Dennoch versuchte ich, es zu geniessen.»
Hätte man vor einem Jahr prophezeit, dass Aeschlimann am Turnier in Helsinki das Schweizer Tor hütet, wäre man wahrscheinlich blöd angeschaut worden. Sein Verein Davos hatte auf die vergangene National-League-Saison hin Nordamerika-Rückkehrer Gilles Senn verpflichtet, ein Vertrauensbeweis für Aeschlimann sieht anders aus. Tatsächlich setzten die Bündner zu Beginn auf Senn. Aeschlimann zerreisst sich im Training, glaubt an sich und das zahlt sich aus.
Er nutzt seine Chancen, hält dermassen gut, dass ihn Nationaltrainer Patrick Fischer nach dem positiven Coronatest von Joren van Pottelberghe als Nummer 3 für die Olympischen Spiele in Peking nachnominiert, dies notabene ohne dass Aeschlimann zu diesem Zeitpunkt jemals ein Länderspiel absolviert hat. In der Meisterschaft beendet er die Qualifikation mit einer Abwehrquote von 94,16 Prozent – der beste Wert der Liga. In den Playoffs trotzt er im Viertelfinal gegen die Rapperswil-Jona Lakers der Kritik von Trainer Christian Wohlwend und trägt massgebend zur Wende vom 0:3 zum 4:3 nach Siegen bei.
Nichts geschenkt bekommen
Bei Aeschlimann ist der Wille grösser als sein Talent. Das sieht er selber so. Einen grossen Willen benötigte er auch, denn sein Weg an die Spitze war mehr als aussergewöhnlich. In der Saison 2009/10 spielt er bei der U17 von Brandis, weil er bei Langnau keine Chance erhält. Deshalb wechselt er mit 16 Jahren nach Österreich zu St. Pölten, weil er in der dortigen Hockey-Academy Schule und Eishockey kombinieren kann. «Ich wollte Eishockey nicht aufgeben», sagt Aeschlimann.
Danach ist er drei Jahre in den USA tätig, das dritte in einem College-Team, der angestrebte Profivertrag in der Schweiz ist weit weg. Dank seinem Freund Fabio Kläy, dem Sohn von EVZ-Sportchef Reto Kläy, erhält er 2016 bei der EVZ Academy in der Swiss League eine Möglicheit, sich zu beweisen. In der Saison 2018/19 erweist er sich während der Verletzung von Tobias Stephan, dem Stammtorhüter des Zuger Fanionteams, als verlässlicher Ersatz. Danach zieht es ihn nach Davos, wo er Nationalgoalie wird – eine solch rasche Entwicklung hat er selber nicht für möglich gehalten. «Es war ein langer, mit viel Kampf verbundener Weg», sagt Aeschlimann. Dass sein Durchhaltewille belohnt wurde, sei umso schöner.
Dass er gegen Kasachstan sein WM-Debüt gibt, hat auch damit zu tun, dass Aeschlimann seit vergangenem Sommer intensiv mit einem Mentaltrainer zusammenarbeitet. Dieser half ihm, die Angst vor Fehlern zu nehmen, ein Spiel wie ein Training anzuschauen. Zwar sah er gegen Kasachstan bei beiden Gegentoren schlecht aus, am Ende zählt jedoch nur der Sieg. Das sieht auch Aeschlimann so: «Fehler gehören zum Sport. Ich nehme mehr Positives mit.»