Patrick Fischer «Das 1:2 gegen Deutschland war meine schlimmste, aber auch meine wichtigste Niederlage»

Marcel Allemann

3.6.2021

Die 1:2-Pleite gegen Deutschland an den Olympischen Spielen 2018 brachte Patrick Fischer in Not. Trotzdem will er den WM-Viertelfinal gegen unser Nachbarland nicht zum Tag der Revanche ausrufen.

Marcel Allemann

Seit fünfeinhalb Jahren ist Patrick Fischer Headcoach der Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft. Er wurde Nachfolger des kanadischen Fehlgriffs Glen Hanlon. Gerade mal 40 Jahre alt war der Zuger damals und hatte als letztlich gescheiterter Coach des HC Lugano erst eine Cheftrainer-Erfahrung auf Profiebene hinter sich. Anderthalb Monate nach der Entlassung im Tessin wurde Fischer als neuer Nationaltrainer vorgestellt.


Zu einer Welle der Begeisterung führte diese Ernennung nicht. Sicher, viele waren froh, dass man diesen seltsamen Kauz Hanlon los war. Aber es gab fast genauso viele, die Fischer aufgrund seines Leistungsausweises infrage stellten. Seine erste WM 2016 in Moskau war dann auch prompt nicht wirklich ein Highlight. Die Viertelfinals wurden verpasst, unter anderem wegen Niederlagen gegen Kasachstan und Norwegen.

Doch Fischer lernte schnell, holte Tommy Albelin als Verteidigungs-Minister in seinen Trainer-Staff und überraschte 2017 an der WM in Paris unter anderem dank Siegen gegen Kanada und Tschechien mit dem zweiten Rang in der Gruppenphase. Der Viertelfinal gegen den späteren Weltmeister Schweden ging dann knapp mit 1:3 verloren. Es war Fischer aber gelungen, eine Aufbruchstimmung zu kreieren und er parlierte untypisch schweizerisch von Medaillen und einem möglichen Titel.

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Die Deutschland-Pleite als Initialzündung

Doch diese Offensivstrategie wurde an den Olympischen Spielen 2018 vorerst zum Rohrkrepierer und ihm dann mit aller Heftigkeit um die Ohren geschlagen. Einzig gegen Südkorea konnte die Schweiz in Pyeongchang gewinnen und wegen eines enttäuschenden 1:2 nach Verlängerung gegen Deutschland hiess es nach den Achtelfinals bereits Koffer packen. 



«Das tat damals sehr weh und war meine schlimmste Niederlage als Nationaltrainer, aber auch die wichtigste», sagte Fischer am Mittwochmittag in Riga. Man habe daraus aber auch einige Erkenntnisse gewonnen und entsprechende Anpassungen vorgenommen, deshalb sei dieses 1:2, im Nachhinein betrachtet, für den weiteren Prozess wichtig gewesen. «Es hat zu unserem Weg gehört, dass es schönere und weniger schöne Momente gab. Auch an meiner ersten WM in Moskau gab es mühsame Augenblicke.»

Fischer stand also im Februar 2018 plötzlich wieder im Gegenwind. Und er war sich damals auch vollumfänglich und ohne jegliche Dramatisierung bewusst, dass er drei Monate später an der WM in Kopenhagen liefern muss, um seinen Job behalten zu können. Das tat der frühere Stürmerstar dann auch – und wie! Die Nati stürmte in Kopenhagen in den Final und unterlag dort erst im Penaltyschiessen und mit viel Pech Schweden.    

«Das Hauptproblem waren damals wir selbst»

Fischer war durch seinen Medaillen-Coup rehabilitiert und seither kann er mit Wertschätzung und vor allem in Ruhe arbeiten. Er hat bei der Nati eine einzigartige und zielorientierte Atmosphäre geschaffen. Der Deutschland-Match hätte ihn vor knapp dreieinhalb Jahren jedoch beinahe zu Fall gebracht. Trotzdem will der Zuger seinen zweiten Ernstkampf gegen den grossen Rivalen (15:15 Uhr live auf «blue Sport») nicht als den Tag der Revanche sehen: «Revanche ist ein zu grosses Wort. Es ist lange her und das Hauptproblem waren damals nicht die Deutschen, sondern wir selbst.»

Auch betont Fischer vor dem Duell vom Donnerstag immer wieder: «Das jetzt ist eine andere Geschichte, mit einer anderen Mannschaft und vielen anderen Gesichtern. Ich freue mich einfach, dass ich nun erstmals auch an einer WM als Coach gegen Deutschland spielen kann und wir uns dieser Herausforderung stellen können. Dafür haben alle hart gearbeitet.»

Zum Matchplan sagt Fischer: «Deutschland ist eine Mannschaft, die sehr hart kämpft, sich ein Bollwerk um ihren Goalie aufgebaut hat und sich in die Schüsse wirft. Sie haben in den letzten Spielen wenig Tore erzielt, aber auch wenig erhalten. Wir müssen dieses Bollwerk unbedingt knacken und dafür haben wir schon zwei, drei Ideen.»

Der Nati-Trainer ist glücklich, dass er im Viertelfinal aus dem Vollen schöpfen kann. Der zuvor verletzte Mirco Müller hat seinen Belastungstest gegen Grossbritannien gut überstanden und auch die zuletzt angeschlagenen Dario Simion und Vincent Praplan haben sich zurückgemeldet. Ob Reto Berra oder Leonardo Genoni im Tor stehen wird, hat der Coaching-Staff entschieden, wird aber der Öffentlichkeit – und vor allem dem Gegner – noch nicht verraten.