Das Schweizer Team erleidet vor 10 Jahren in Mannheim eine der bittersten Niederlagen der Neuzeit. Das 0:1 im WM-Viertelfinal gegen Deutschland ist eine verpasste Chance und ein Weckruf zugleich.
Für das Schweizer Nationalteam war es das erste Turnier unter Sean Simpson, nachdem die Ära Ralph Krueger nach den Olympischen Winterspielen in Vancouver ziemlich abrupt zu Ende gegangen war. Das WM-Debüt als Headcoach stand für Simpson unter besonderen Vorzeichen, nachdem der Kanadier nur wenige Tage nach dem Ausscheiden mit den ZSC Lions in den Playoff-Viertelfinals seinen neuen Job angetreten hatte.
Simpson wurde mit aussergewöhnlich viele Absagen konfrontiert. Über 20 aufgebotene Spieler konnten oder wollten in diesem Frühling nicht für die Schweiz an der WM auflaufen. Der Trainerwechsel und die zahlreichen Absenzen waren deshalb eine Chance für Rückkehrer wie Marcel Jenni oder Julien Vauclair und Neulinge wie Damien Brunner, Paolo Duca oder den erst 17-jährigen Nino Niederreiter. Das Aufgebot glich mehr einer Verlegenheitslösung. Entsprechend tief waren die Erwartungen.
Vier Siege zum Auftakt
Die turbulente Vorbereitung hinterliess im Team von Captain Mathias Seger allerdings keine Spuren. Im Gegenteil: Nach den Siegen gegen Lettland (3:1) und Italien (3:0) schlugen die Schweizer auch Olympiasieger Kanada (4:1) und erreichten die Zwischenrunde als Gruppenerster. Dabei schafften die Schweizer Historisches. Vier Jahre nach dem 2:0 an den Olympischen Spielen in Turin war es ihnen im 25. Anlauf endlich gelungen, die Kanadier auch an einer WM zu bezwingen.
Nach einem weiteren Sieg gegen Tschechien (3:2) und den Niederlagen gegen Norwegen (2:3) und Schweden (0:5) zogen die «Eisgenossen» als Gruppenzweiter in die K.o.-Phase ein. Der scheinbar günstige Viertelfinalgegner hiess Deutschland. Damit schien die Tür zum Halbfinal für die Schweiz weit offen, denn die letzte WM-Niederlage gegen den Erzrivalen lag schon acht Jahre zurück. Doch der Gastgeber befand sich nach drei Siegen aus den ersten sechs Spielen im emotionalen Hoch und sann nach dem 1:3 im WM-Viertelfinal 1992 in Prag auf Revanche. In der Hinterhand hatten die Deutschen auch noch den doppelten Krueger: Ralph als Berater des Coaching-Staffs um Uwe Krupp und dessen Sohn Justin als Verteidiger.
Vier Pfostenschüsse und viel Frust
Tatsächlich entwickelte sich das Derby vor 12'500 euphorischen Fans in der ausverkauften Mannheimer Arena zu einer Abwehrschlacht, allerdings mit klaren Vorteilen für die Schweiz. Vier Pfostenschüsse und ein Schussverhältnis von 41:25 dokumentierten die Überlegenheit der Rot-Weissen. Doch der Puck wollte nicht ins Tor. Topskorer Martin Plüss, der bereits im Startdrittel nach einem Stockstich gegen den etwas gar theatralisch fallenden Christian Ehrhoff mit einer Matchstrafe belegt wurde, wurde schmerzlich vermisst. Letztlich reichte den Deutschen der Treffer von Philipp Gogulla (31.) zum Einzug in die Halbfinals.
Nach Spielschluss entlud sich bei den Schweizern der angestaute Frust. Es entwickelten sich tumultartige Szenen auf dem Eis, die in eine Massenschlägerei mündeten. Dabei knüpfte sich Timo Helbling den deutschen Assistenztrainer Ernst Höfner vor. Der Verteidiger trug eine Platzwunde und eine Matchstrafe davon, auch Höfner wurde gesperrt.
Insgesamt sprachen die Schiedsrichter 121 Strafminuten aus, davon 80 gegen die Schweiz. Eine strafenreichere Partie bestritt die Schweizer Auswahl erst einmal in der Neuzeit: 1998 mit dem Test-Länderspiele in Huttwil gegen Kanada. Damals setzte es 93 Strafminuten für das Heimteam ab.
Die Schweizer schafften im ersten Turnier unter Simpsons Leitung zwar mit Platz 5 die beste WM-Klassierung seit dem 4. Rang im Jahr 1998, dennoch reisten sie tief frustriert in die Heimat zurück. Der Beginn der Ära Simpson war trotz der schlechten Vorzeichen vielversprechend. Beim sensationellen WM-Silbermedaillengewinn drei Jahre später setzte der Kanadier erneut auf zehn Spieler aus dem WM-Kader von 2010, mit Roman Josi und Nino Niederreiter als Zugpferde.
Für WM-Gastgeber Deutschland endete das Märchen im Halbfinal gegen Topfavorit Russland (1:2). Im Final musste sich das russische Team von Trainer Slawa Bykow aber überraschend Tschechien geschlagen geben.