Die Talente von 2012 heute Aus der Abstiegsrunde der U20-WM zu acht NHL-Spielern und fünf Silberhelden

Von Marcel Allemann

16.4.2022

Der junge Sven Andrighetto freut sich an der Junioren-WM 2012 mit seinen Teamkollegen über sein Tor gegen die Slowakei.
Der junge Sven Andrighetto freut sich an der Junioren-WM 2012 mit seinen Teamkollegen über sein Tor gegen die Slowakei.
Bild: Keystone

Vor zehn Jahren waren sie die grossen Talente – und heute? blue Sport hat sich in den Recherche-Keller begeben und geschaut, was aus ihnen geworden ist. Und wie gross in den drei Schweizer Top-Sportarten die Erfolgsaussichten auf eine grosse Karriere sind. Heute Teil 2: Eishockey.

Von Marcel Allemann

16.4.2022

Es war keine berauschende, aber auch keine schlechte WM, die unsere U20-Nati 2012 in Calgary ablieferte. Die Viertelfinals verpasste die Mannschaft von Manuele Celio und das war einer Niederlage in den Gruppenspielen gegen die Slowakei geschuldet, als die Schweiz bis zur 46. Minute mit 4:2 führte, dann aber einbrach und noch mit 4:6 verlor.

In Abstiegsgefahr geriet die Equipe trotzdem nicht, weil sie die direkten Konkurrenten Lettland und Dänemark besiegte und daneben auch noch durch einen Punktgewinn gegen den späteren Weltmeister Schweden aufhorchen liess. Mit vier Treffern war Joël Vermin der beste Schweizer Torschütze im Turnier. Je einmal trafen unter anderem auch Gregory Hofmann und Cédric Schneuwly. Deren Karrieren entwickelten sich in der Folge aber in ziemlich unterschiedliche Richtungen.

Hofmann ist zum Star geworden, Schneuwly hat die Karriere beendet

Während Hofmann aktuell eine Schlüsselfigur in der Nationalmannschaft ist und nach einem Abstecher in die NHL nun wieder für den EV Zug in der National League als Goalgetter die Netze füllt, hat Schneuwly seine Profi-Karriere vor knapp drei Jahren beendet und spielte seither nur noch zum Plausch für den SC Altstadt Olten (2. Liga) und den EHC Bern 96 II (3. Liga).

Der grosse Durchbruch in der National League blieb dem Aarauer, der als Junior zum EV Zug wechselte, verwehrt. Zwar bestritt er als junger Stürmer während vier Jahren 74 Spiele für die erste Equipe des EVZ auf höchster nationaler Stufe, doch zu seiner wahren Heimat als Eishockeyspieler wurde die zweithöchste Ebene. 2014 wechselte Schneuwly zum EHC Olten und blieb dort bis zu seinem Rücktritt vom Profisport, der die Folge einer Hüft-Operation war.

Im Playoff-Final der NLB 2015 machte Olten-Stürmer Cédric Schneuwly auch mit einem gewissen Chris DiDomenico, damals in Diensten der SCL Tigers, Bekanntschaft.
Im Playoff-Final der NLB 2015 machte Olten-Stürmer Cédric Schneuwly auch mit einem gewissen Chris DiDomenico, damals in Diensten der SCL Tigers, Bekanntschaft.
Bild: Keystone

Heute arbeitet der 29-Jährige als Category Manager in einem Handelsunternehmen für Markenartikel aus den Bereichen Haushalt, Geschenke, Werkzeug, Gartenmöbel und Gartentechnik. Aber auch dem Eishockey ist er als Experte für die Swiss League bei MySports verbunden geblieben.

Scheuwly ist einer von zwei der 23 Spieler der U20-WM Equipe von 2012, die ihre Karriere vorzeitig beendet haben. Der andere ist Goalie Lukas Meili, der bereits 2018 im Anschluss an eine verschleppte Hirnerschütterung die Konsequenzen zog. Auf höchster Stufe war auch der frühere ZSC-Junior zu jenem Zeitpunkt nicht mehr tätig, die letzten zwei Jahre seiner Aktivzeit verbrachte er beim EHC Visp in der damaligen NLB.

Dennoch ist die Erfolgsquote der Schweizer Nachwuchs-Mannschaft der WM 2012 beeindruckend hoch und schon fast sensationell:

▶ 87 Prozent des Teams trugen später auch das Trikot der A-Nationalmannschaft. Nicht geschafft haben dies einzig Mike Vermeille, Cédric Schneuwly und Reto Amstutz.

▶ 52,2 Prozent der Mannschaft und somit mehr als die Hälfte liefen später für die Schweiz auch an einem grossen Turnier (WM, Olympische Spiele) auf.

▶ 21,7 Prozent der Mannschaft konnte für die Schweiz sogar eine WM-Medaille gewinnen. Namentlich Sven Andrighetto, Gaëtan Haas, Gregroy Hofmann, Dean Kukan und Joël Vermin mit Silber 2018 in Kopenhagen.

▶ Demgegenüber liest sich die Rücktritts-Quote von 8,7 Prozent sehr bescheiden.

Sven Andrighetto lässt sich mit der WM-Silbermedaille um den Hals im Mai 2018 von den begeisterten Schweizer Fans feiern.
Sven Andrighetto lässt sich mit der WM-Silbermedaille um den Hals im Mai 2018 von den begeisterten Schweizer Fans feiern.
Bild: Keystone

Doch dies sind längst nicht die einzigen Erfolgsmerkmale, welche die U20-Nati von 2012 auszeichnen:

Acht Spieler des WM-Teams brachten es auch auf Einsätze in der NHL, was ein überragender Wert ist. Namentlich betrifft dies Sven Andrighetto, Christoph Bertschy, Sven Bärtschi, Gaëtan Haas, Gregory Hofmann, Dean Kukan, Tanner Richard und Joël Vermin. Kukan ist als einziger noch immer in der besten Liga der Welt tätig, Bärtschi kämpft aktuell in der AHL um eine Rückkehr in die NHL.

Hier sind die 23 Spieler von der U20-WM 2012 gelandet

  • Tim Wolf (Ex-Nationalspieler, aktuell bei Ajoie)
  • Lukas Meili (Ex-Nationalspieler, Rücktritt 2018 als Folge einer Hirnerschütterung, zuletzt bei Visp/Swiss League)
  • Luca Boltshauser (Erweiterter Kreis Nationalmannschaft, aktuell bei Lausanne, wechselt auf die nächste Saison zu den SCL Tigers)
  • Dean Kukan (Nationalspieler, aktuell bei Columbus/NHL)
  • Dario Trutmann (Erweiterter Kreis Nationalmannschaft, aktuell bei den ZSC Lions)
  • Christian Marti (Nationalspieler, aktuell bei den ZSC Lions)
  • Cédric Hächler (Ex-Nationalspieler, aktuell bei Ambri)
  • Mike Vermeille (Keine Länderspiele, aktuell beim HCV Martigny/MySports League)
  • Phil Baltisberger (Ex-Nationalspieler, aktuell bei den ZSC Lions)
  • Dave Sutter (Erweiterter Kreis Nationalmannschaft, aktuell bei Fribourg)
  • Joël Vermin (Nationalspieler, aktuell bei Servette, wechselt auf die nächste Saison zu Bern)
  • Christoph Bertschy (Nationalspieler, aktuell bei Lausanne, wechselt auf die nächste Saison zu Fribourg)
  • Tanner Richard (Erweiterter Kreis Nationalmannschaft, aktuell bei Servette)
  • Alessio Bertaggia (Nationalspieler, aktuell bei Lugano, wechselt auf die nächste Saison zu Servette)
  • Gaëtan Haas (Nationalspieler, aktuell bei Biel)
  • Sven Andrighetto (Nationalspieler, aktuell bei den ZSC Lions)
  • Gregory Hofmann (Nationalspieler, aktuell bei Zug)
  • Cédric Schneuwly (Keine Länderspiele, Rücktritt vom Profisport 2019 beim EHC Olten/Swiss League nach Hüftproblemen, seither zum Plausch noch in unteren Ligen aktiv)
  • Lino Martschini (Erweiterter Kreis Nationalmannschaft, aktuell bei Zug)
  • Reto Amstutz (Keine Länderspiele, aktuell bei Arosa/MySports League)
  • Samuel Walser (Erweiterter Kreis Nationalmannschaft, aktuell bei Fribourg)
  • Dario Simion (Nationalspieler, aktuell bei Zug)
  • Sven Bärtschi (Erweiterter Kreis Nationalmannschaft, bei Henderson/AHL in der NHL-Organisation von Vegas)
  • Trainer: Manuele Celio (aktuell Direktor Nachwuchsorganisation und Trainer U20-Elit bei Ambri-Piotta)

17 der 23 Spieler stehen aktuell in der National League unter Vertrag und darunter sind auch aktuelle Schlüsselfiguren der A-Nati zu finden – wie Hofmann, Haas, Andrighetto, Bertschy oder Vermin.

22 der 23 Spieler kamen in der höchsten Schweizer Liga zum Einsatz. Nur Sven Bärtschi nicht und dies einzig aus dem Grund, dass er bereits als 17-Jähriger nach Nordamerika wechselte. Doch womöglich wird man den Langenthaler in der nächsten Saison erstmals in der National League sehen. Eine Rückkehr steht im Raum – Bärtschi wird immer wieder mit dem SC Bern in Verbindung gebracht.

Nach einem Spiel war für Amstutz in der NLA Schluss

Auf einem etwas bescheideren Level als Kukan, Hofmann oder Andrighetto gehen Mike Vermeille und Reto Amstutz ihrer Leidenschaft für das Eishockey nach, beide spielen in der drittklassigen MySports League. Vermeille, ursprünglich ein Junior des HC Ajoie, zog bereits als Junior nach Genf aus, schaffte es in die Nachwuchs-Nationalmannschaften U16, U17, U18, U19, U20 und in die erste Mannschaft von Servette.

Doch nach 24 Spielen war Schluss für ihn, auch in der damaligen NLB bei Stammclub Ajoie konnte er nicht nachhaltig reüssieren. Und so ist der Verteidiger seit 2015 im Unterwallis beheimatet und spielt für den 2018 durch eine Fusion entstandenen Verein HC Valais-Chablais in Martigny. Er arbeitet dort seit zwei Jahren auch für eine lokale Distillerie für Spirituosen und Sirupe.

Ungleicher Karrierenverlauf nach einer intensiven Begegnung 2011: Der Kanadier Dougie Hamilton (l.) gehört heute zu den Topstars in der NHL, Reto Amstutz ist Captain des EHC Arosa.
Ungleicher Karrierenverlauf nach einer intensiven Begegnung 2011: Der Kanadier Dougie Hamilton (l.) gehört heute zu den Topstars in der NHL, Reto Amstutz ist Captain des EHC Arosa.
Bild: Keystone

Amstutz stammt aus Steffisburg und wechselte schon auf U17-Stufe zum SC Bern. Wie MySports-League-Kollege Vermeille durchlief der Stürmer von der U16 bis zur U20 alle Junioren-Nationalteams. Beim SCB in der damaligen NLA durfte er jedoch nur ein einziges Mal in der Saison 2011/12 ran. Danach ging auch für ihn die Reise weiter: Zwei Jahre bei Ajoie in der NLB und dann auf dritthöchster Stufe Moutier, Stammklub Thun und seit 2015 Arosa.

Dort führt Amstutz den Traditionsverein seit sechs Jahren als Captain an, auch bei ihm ist aus der grossen Profikarriere nichts geworden und Eishockey faktisch nur ein Nebenjob und Hobby. Doch ganz so schlecht ist das auch nicht. Anfangs Februar gewann der Berner Oberländer mit dem EHC Arosa den neuen National Cup des Amateur-Eishockeys und durfte die begehrte Trophäe an vorderster Front in die Höhe stemmen.

Morgen: Was ist aus den besten Skitalenten geworden, die für die Schweiz an der Junioren-WM 2012 auf Medaillenjagd gingen?