Sech von acht Schweizer Verteidigern treffen in den ersten sechs WM-Spielen mindestens einmal ins Tor. Die offensive Produktion und defensive Stabilität trägt die Handschrift von Abwehrcoach Tommy Albelin.
Es klingt fast wie ein Mantra. Egal, wen man von den Schweizer Verteidigern fragt, die Antwort ist ziemlich die Gleiche. «Das ist das moderne Hockey, dass die Verteidiger die Offensive unterstützen, in Lücken reinspringen und damit zu einem vierten Angreifer werden», erklärt Tobias Geisser. Bei Christian Marti klingt das so: «Die Coaches wollen, dass wir mitgehen. Das ist das moderne Hockey, dass ein vierter Mann mitgeht und eine Überzahl kreiert.»
Und das Mantra funktioniert. Vor dem, für die Schweiz bedeutungslosen, letzten Gruppenspiel gegen Lettland, hatten sechs der acht Verteidiger mit dem Kreuz auf der Brust mindestens ein Tor erzielt. Die anderen beiden, Dean Kukan und Michael Fora, liessen sich drei respektive zwei Assists notieren.
Im Schatten der NHL-Stars
Den grossen Trubel gab es um die hochdotierten NHL-Stürmer wie Nico Hischier, Kevin Fiala, Nino Niederreiter oder Denis Malgin. In deren Schatten macht aber die Abwehr inklusive der Goalies eine eindrückliche Arbeit. Mit sechs Gegentoren war die Schweiz vor dem Lettland-Spiel am Dienstagabend hinter Schweden (3) und den USA (5) das defensiv drittbeste WM-Team. Dazu schossen die Verteidiger mehr als ein Viertel aller Tore.
Das kommt nicht von ungefähr. Mit dem Schweden Tommy Albelin trägt seit 2016, kurz nach dem Amtsantritt von Nationaltrainer Patrick Fischer, ein ausgewiesener Fachmann die Verantwortung in der Schweizer Defensive. Seine akribische Arbeit trägt Früchte, sein Mantra und seine Ratschläge werden von den Spielern gierig aufgesogen. Sie schwärmen in den höchsten Tönen vom ehemaligen Verteidiger der New Jersey Devils mit der Erfahrung von über 1000 NHL-Spielen und einem WM-Titel mit Schweden im Palmares.
Ein Auge für die Details
«Bei so einem hörst du einfach hin, wenn er etwas sagt», betont Romain Loeffel, in Riga bereits zweifacher Torschütze. Nach einer enttäuschenden Saison mit Bern ist der 32-jährige Neuenburger richtiggehend aufgeblüht. Bereits in der Vorbereitung brillierte er als umsichtiger Puckverteiler und gefährlicher Schütze an der blauen Linie, nicht zuletzt im Überzahlspiel. Albelin lebe sein Credo auch vor, sein Expertenauge sei ein grosses Plus für das Team. «Er arbeitet enorm an den kleinen Sachen, den Details, solchen, die du im Verein nicht machst», schwärmt Loeffel vom 58-Jährigen, der noch immer in New Jersey lebt.
Andrea Glauser, ein weiterer Verteidiger, der bei Lausanne nicht die beste Saison hatte und nun im Nationalteam überzeugt, zeigt auf, was die Verteidiger meinen. «Am Anfang war es fast zu viel», gibt der Freiburger zu. «Halte den Schlittschuh so, postiere den Stock so und so weiter. Aber dann habe ich gemerkt, wie viel man dabei lernt, und das macht einfach Spass.» Auch Loeffel hat ein konkretes Beispiel: «Er hat mir zum Beispiel gesagt, ich solle mich nicht abdrehen nach einem Schuss. Es sind diese Details, die uns besser machen.»
Der offensive Output und die defensive Stabilität schliessen sich keineswegs aus. «Offensive ist die beste Defensive», sagt Tobias Geisser dazu. «Auch wenn man kein Tor schiesst, ist man gleich nahe beim Gegner und kann einen schnellen Konter verhindern.» Der Zuger Verteidiger streicht aber auch die Arbeit der Stürmer hervor. «Wir machen ein super Forechecking, das macht es dem Gegner schwer, mit Tempo aus seiner Zone zu kommen.»
Formkurve stimmt
All das hilft, dass Patrick Fischers Plan bis jetzt perfekt aufgeht. Nach der harten Vorbereitung hatten die Spieler zum WM-Beginn wie erwartet noch etwas schwere Beine, dominierten die schwächeren Gegner aber dennoch klar. Nun nähert man sich der Topform, wie man am Wochenende mit den Siegen gegen die Schwergewichte Kanada und Tschechien bewies und stand vor dem letzten Spiel schon als Gruppensieger fest, was die Möglichkeit bot, müden oder leicht angeschlagenen Spielern eine Pause zu gönnen.
Damit glaubt sich Fischer – anders als in den letzten Jahren – gut gerüstet, damit es am Donnerstag im Viertelfinal keine Enttäuschung gibt. Der Plan, in der Schlussphase noch frisch zu sein, könnte aufgehen.