SCB-Boss Lüthi «Diesen Schlendrian wollen wir nicht mehr haben»

ck, sda

12.9.2023 - 05:30

Optimistisch, dass der SC Bern sportlich die richtigen Weichen gestellt hat, um sich wieder nach oben zu orientieren: CEO Marc Lüthi
Optimistisch, dass der SC Bern sportlich die richtigen Weichen gestellt hat, um sich wieder nach oben zu orientieren: CEO Marc Lüthi
Keystone

Nach vier enttäuschenden Jahren will der SC Bern endlich wieder einmal überzeugen. Marc Lüthi, der neue alte CEO, erklärt, wie dies erreicht werden soll.

Vor einem Jahr zog sich Marc Lüthi, während 24 Jahren der starke Mann des SC Bern, nach einer Hirnblutung aus der operativen Verantwortung zurück und wurde Präsident. Ein Jahr später ist er als CEO zurück, Raeto Raffainer musste schon nach wenigen Monaten wieder den Posten räumen. Im Gespräch mit Keystone-SDA schaut der 62-jährige Berner vor allem nach vorne.

Marc Lüthi, warum sind Sie zurückgekehrt?

Weil wir auf der Position einen Wechsel machen mussten. Es hatte nicht gepasst, dann war die grosse Frage: Wer machts? Und dann landete man irgendwann bei mir.

Ist es ein Armutszeugnis für Bern, dass niemand anderes diesen Job machen kann?

Nein. Wir werden dann schon jemand anderes finden. Es hat einfach jetzt nicht gepasst, das passiert den besten Firmen. Wir werden dann halt mal einen zweiten Anlauf nehmen.

Raeto Raffainer war ja eine Art Königstransfer, um den Sie von vielen beneidet wurden. Warum hat es nicht geklappt?

Kein Kommentar. Es hat einfach nicht gepasst.

Es gab ja in den letzten Jahren ein paar Personalentscheide, die sich als nicht richtig herausgestellt haben....

(unterbricht) Einen.

Florence Schelling zum Beispiel. Kann man im Nachhinein sagen, dass man etwas falsch gemacht hat?

Das Thema Florence Schelling greife ich gerne nochmals auf. Florence hat wahrscheinlich die blödeste Zeit dieses Jahrhunderts erlebt mit der Pandemie. Ich bin überzeugt, dass sie von der Intelligenz, vom Typ her, eigentlich prädestiniert wäre für eine solche Funktion. Aber als die Pandemie kam, war sie verloren, alle waren nur noch mit dem Überleben des Klubs beschäftigt.

Sie konnte die normale Arbeit eines Sportchefs gar nicht machen.

Nein, es war ja auch kein Geld vorhanden. Man hat den Umsatz innerhalb kürzester Zeit von 65 auf 27 Millionen gekürzt. Sie tut mir im Nachhinein leid, es hat nicht sollen sein.

Apropos Finanzen. Der SCB schrieb nochmals einen kleinen Verlust, andere Klubs bereits wieder Gewinn. Warum ist das für den SCB schwieriger, obwohl er am meisten Zuschauer hat?

Wir mussten in der Pandemie gewisse Sachen machen, die bei uns viel grössere Auswirkungen haben. (lacht) Wir haben uns mehr oder weniger zu Tode gespart in der Zeit. Das mussten wir auch, sonst hätten wir nicht überlebt. Jetzt mussten wir wieder investieren, wir budgetierten in der letzten und auch die aktuelle Saison (2023/24) mit Verlusten, was wir eigentlich nicht tun. Das war ein bewusster Entscheid, nachher sollten wir eigentlich wieder Gewinn machen. Wir haben vorher auch 20 Jahre gespart.

Wäre die Pandemie 1998 oder 1999 gekommen, hätte der SC Bern nicht überlebt?

Das ist genauso. Dann wären wir tot gewesen.

Andere Klubs haben letzte Saison Zuschauerrekorde aufgestellt, beim SC Bern sind die Zahlen zurückgegangen. Hat das nur mit den sportlichen Leistungen zu tun?

Warum wir so viele Zuschauer haben, weiss ja kein Mensch. Wenn das mal ein wenig zurückgeht, ist das einfach mal so. Warum, kann ich nicht nachvollziehen, genauso, wie ich nicht nachvollziehen kann, warum wir überhaupt so viele Leute haben. Ich sage immer: 10'000 Zuschauer sind mit entsprechenden Leistungen und Massnahmen machbar, und die 7000 zusätzlichen sind in Bern wohl gottgegeben.

Ab nächster Saison (2024/25) wollen Sie wieder schwarze Zahlen schreiben. Wie viel Gewinn muss der SCB machen, um seine Investitionen stemmen zu können?

Wenn alle 20 Jahre eine Pandemie kommt, sind wir ok aufgestellt. (lacht)

Sie hatten immer eine Identität, die sogenannten «Big Bad Bears», das ist verloren gegangen. Wie wollen Sie das wieder zurückholen? Sie sprachen vom SCB als einem Bauernklub...

(unterbricht) Das war eine falsche Aussage. Wir sind nicht ein Bauern- oder Arbeiterklub, aber wir wollen die Mentalität haben, bodenständig und geerdet sein wie Bauern oder Arbeiter. Wir wollen nicht 'bschisse', sondern ehrliche, harte Arbeit abliefern. Wir sind Bern, dazu stehen wir. Wir sind manchmal auch Showbusiness, manchmal Unterhaltung.

Sind denn die «Big Bad Bears» von einst noch zeitgemäss?

Nein. Aber auch in einem zeitgemässen Hockey ist es möglich, eine gewisse Härte an den Tag zu legen. Ich glaube, da sind wir jetzt gut aufgestellt.

Auch dank dem neuen Trainer Jussi Tapola?

Wenn der wahrscheinlich erfolgreichste Trainer Europas der letzten paar Jahre bereit ist, zu uns zu kommen, wärst du ja blöd, wenn du ihn nicht nehmen würdest. (lacht) 11 Finals in 13 Saisons, da gibt es nicht viel zu husten. Er ist in Tampere gegangen, weil er sagte, er könne diesem Klub nichts mehr beibringen. Er kennt unsere Wertvorstellungen. Obwohl er kein Berner ist, trägt er unsere DNA in sich.

Wollen Sie damit auch etwas zur Ruhe kommen? Sie hatten in den letzten paar Jahren einen grossen Wechsel an Trainern.

Das war bei uns immer so in den letzten 25 Jahren. Ich hoffe, er kann nun ein paar Jahre in Ruhe arbeiten. Dazu gehört, dass man nicht gleich durchdreht, wenn man mal zwei Spiele verliert. (lacht) Da muss ich ja auch selber in den Spiegel schauen. Aber was ist Ruhe? Wir müssen in der Öffentlichkeit stehen, wir brauchen die Emotionen der Zuschauer.

Welche Ziele haben Sie für die Saison?

Wir wollen einfach in die Playoffs, das sind wir unseren Fans schuldig. Wir wollen aber auch attraktive Spiele sehen. Diesen Schlendrian, den wir letzte Saison zum Teil sahen, wollen wir nicht mehr haben.

Woran hat es gelegen?

(überlegt) Das wissen wir nicht. Fakt ist, dass die unabdingbare Leistungskultur gefehlt hat.

War der Trainer zu jung und unerfahren?

Er (Lundskog) war handicapiert, weil er in der Saison davor die Pre-Playoffs verpasst hatte. Er stand von Anfang an derart unter Druck, dass er wahrscheinlich am liebsten mit einer oder zwei Linien gespielt hätte. Er hat sicher viel gelernt, und ich hoffe, er hat in Mannheim nun mehr Erfolg. Der andere (Söderholm), der nachher gekommen ist, da weiss ich es auch nicht genau.

Sie haben gesagt, manchmal müssten Sie sich an der eigenen Nase nehmen. Ist Ihre Rolle anders als vor ein paar Jahren?

Ja, sicher. Sportlich will ich überhaupt nicht mehr eingreifen. Dafür habe ich Martin Plüss geholt.

Er kommt aber erst in einem Jahr.

Ja, aber er ist jetzt schon in einem Beratermandat da. Wir reden sehr viel, und er sucht den Dialog auch. Da habe ich Glück, dass wir ihn engagieren konnten. Ich bin also sehr guter Hoffnung, dass ich da nicht mehr an vorderster Front sein muss.

Was können Sie einem Spieler bieten, das Zürich oder Zug nicht kann?

Eine spezielle Atmosphäre. Wie soll ich das anständig sagen? Wenn wir hier ein 'Görpsli' machen, ist das medial ein Thema. Bis andere Klubs ein Thema werden, muss ganz viel passieren. Hier ist man dabei, an der Front, wir haben ein Stadion das relativ tobt, wenn es voll ist. Vielleicht geht es nicht immer nur ums Geld.

Was war bei Tapola das zündende Element?

Dass er die Chance hat, beim zuschauermässig grössten Klub wieder etwas aufzubauen. Das ist meine Interpretation.

Wo steht das Schweizer Hockey generell nach der Pandemie?

Das Schweizer Hockey ist sehr gut aufgestellt mit der Erhöhung der Anzahl Ausländer auf sechs, auch wenn ich für ganz andere Sachen gewesen wäre.

Für zehn Ausländer...

Ja, und zwar nicht, weil ich der Meinung bin, man muss zehn einsetzen. Das sind einfach Hockeyspieler, ob Schweizer, Deutsche, Kanadier, Schweden oder Finnen ist mir völlig egal. Die Erhöhung auf sechs Ausländer hat eine viel grösser Masse an Klubs gebracht, die Meister werden können, und das ist gut für die Fans.

ck, sda