Kommentar Eklatanter Klassenunterschied: Die Hockey-WM muss schlanker werden

Luca Betschart

21.5.2019

Sieben Spiele, ein Punkt, 40 Gegentore: Für Österreich endet die WM mit dem Abstieg.
Sieben Spiele, ein Punkt, 40 Gegentore: Für Österreich endet die WM mit dem Abstieg.
Bild: Keystone

Die Zwischenbilanz kurz vor Abschluss der WM-Gruppenspiele fällt für die Schweiz positiv aus. Andere Nationen müssen hingegen über die Bücher – so auch die Veranstalter. Ein Kommentar.

50 Spiele sind an der Eishockey-Weltmeisterschaft in der Slowakei mittlerweile gespielt, die Gruppenphase ist aber noch immer nicht beendet. Sechs mehr oder weniger bedeutungslose Spiele gehen am Dienstag noch über die Bühne, bevor das Turnier nach 56 Partien in die entscheidende Phase geht. Nicht mal an der Fussball-WM in Russland im letzten Jahr absolvierte man so viele Matches vor Beginn der K.o.-Phase – obwohl das Turnier einen Monat andauert, nur alle vier Jahre ausgetragen wird und 32 Nationen teilnehmen.

Im Eishockey dagegen wird jedes Jahr und innerhalb zwei Wochen ein Weltmeister gekürt, selbst wenn drei Monate zuvor die Olympischen Winterspiele auf dem Programm standen. Umso mehr stellt sich die Frage, ob die Gruppenphase so viele Spiele (sieben pro Team) beinhalten muss, obwohl die Spieler eine lange Saison hinter sich haben und die Turnierdauer verhältnismässig kurz ist. Mit Blick auf die laufende WM in der Slowakei drängt sich aber vor allem ein Gegenargument auf: der eklatante Klassenunterschied.

Ein Torverhältnis von 12:119

Die absoluten Top-Nationen Russland, Kanada und Schweden, die zusammen 13 der letzten 16 WM-Titel absahnten, eilen der Konkurrenz zuletzt voraus. Trotzdem gelingt es einem relativ breiten Mittelfeld, zu dem neben der USA, Finnland, Tschechien und der Slowakei zunehmend auch die Schweiz gezählt werden darf, die Favoriten immer mehr zu fordern oder gar zu bezwingen. Auch Deutschland und Lettland wissen sich regelmässig zu behaupten – danach nimmt die Qualität der Mannschaften aber rapide ab.

Italien, Österreich und Grossbritannien sind am Turnier in der Slowakei aus sportlicher Sicht gar fehl am Platz und bis zum letzten Gruppenspiel ausnahmslos überfordert. Zusammen erzielen die drei Mannschaften in 900 Spielminuten zwölf Tore und kassieren deren 119! Italien muss pro Match durchschnittlich brutale neun Gegentreffer einstecken. Alle drei Nationen treten eigentlich ohne Ambitionen zum Turnier an, der Fokus gilt von Anfang an dem Abstiegskampf.

Schlanker aber besser

Immerhin gestaltet sich dieser Abstiegskampf dramatisch: In der Gruppe A schaffen die Briten gegen Frankreich, das an einer A-WM ebenfalls überfordert ist und bis dahin nur gegen Dänemark einen Punkt gewinnt, ein kleines Hockey-Wunder und sichern sich den Ligaerhalt nach einem 0:3-Rückstand in der Verlängerung. In der Gruppe B kämpfen Italien und Österreich bis ins Penaltyschiessen gegen den drohenden Abstieg, mit dem besseren Ende für die Italiener. Mit einem Torverhältnis von 5:48 qualifizieren sie sich damit für die A-WM 2019 in der Schweiz, aber gehören sie auch dorthin?

Gut möglich, dass die betroffenen Spieler, Betreuer und Fans im abschliessenden Entscheidungsspiel um den Klassenerhalt erstmals im laufenden Turnier Spass hatten. Für den neutralen Beobachter gehörten die Duelle auf Augenhöhe am Montag jedenfalls zu den spannendsten bisher, auch wenn das Niveau überschaubar war – genau deshalb gehören nicht nur Österreich und Frankreich, sondern auch Italien und Grossbritannien an die B-Weltmeisterschaft, die dadurch für alle an Attraktivität gewinnen würde. 

Gleiches könnte von der A-WM behauptet werden, welche auf zwölf ausgeglichenere Teilnehmer schrumpfen würde. Diese würden sich öfter auf Augenhöhe begegnen und es gäbe mit 30 Spielen allein in der Gruppenphase immernoch genug Eishockey zu geniessen.

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