Mit Jussi Tapola landet der begehrteste Trainer Europas beim kriselnden SC Bern. Der Finne bringt das schlingernde Schiff des Schweizer Hockey-Giganten mit den meisten Zuschauern auf Kurs.
Es gab einmal eine Zeit, da hätte Jussi Tapola bereits um seinen Posten als Coach des SC Bern bangen müssen. Spektakel bringt der 49-jährige Erfolgstrainer nämlich nicht mit. Nach vier sehr mageren Jahren sind die Ansprüche bei den Bernern aber etwas kleiner geworden. Spiele dürfen auch wieder weniger Spektakel bieten, wenn sie dafür Punkte eintragen. Diesen Anspruch erfüllt Tapola mit 21 Zählern aus elf Spielen und dem 3. Rang bisher hervorragend.
Noch nie eine schlechte Saison
Eine Überraschung ist das nicht. Der Leistungsausweis des ehemaligen Grundschullehrers ist überragend. Elf Playoff-Finals in dreizehn Jahren, zuletzt zweimal hintereinander finnischer Meister mit Tappara Tampere und Sieger der Champions League – hätte Tapola José Mourinhos Ego, wäre er der «Super Special One». «Doch, natürlich hatte auch ich schon schwierige Phasen – wie jeder Coach», versicherte Tapola im Gespräch mit Keystone-SDA kurz vor dem Start in die Saison. Auch mal über eine ganze Saison? «Nein, das nicht.»
In Bern wurde er mit offenen Armen empfangen. «Wenn der wahrscheinlich erfolgreichste Trainer Europas der letzten paar Jahre bereit ist, zu uns zu kommen, wärst du ja blöd, würdest du ihn nicht nehmen», sagte CEO Marc Lüthi. «Er ist ein Coach mit extrem viel Erfahrung, der weiss, wie man Erfolg hat», schwärmte Samuel Kreis, der nach einem Meistertitel mit Zug zu seinem Jugendverein zurückgekehrt ist. «Letztes Jahr haben wir auf bittere Weise erfahren, wie es ist, gegen ihn zu spielen.»
Zug scheiterte im Champions-League-Halbfinal mit dem Totalscore 2:5 an Tappara. «Er ist wie Dan Tangnes (Zugs Coach) eine grosse Persönlichkeit, die den Spieler mit einbezieht, aber trotzdem seine Linie hat.» Die Trainingsqualität werde extrem gefordert, sie versuchten stets Match-Intensität in die Trainings zu bringen. «Das zahlt sich in den Spielen aus.»
Endlich Konstanz und Kompetenz in Bern
In der jüngeren Vergangenheit lag hier diesbezüglich viel im Argen. Seit der letzte Berner Meistertrainer, Landsmann Kari Jalonen, im Januar 2020 gehen musste, ist Tapola bereits der sechste Chefcoach. Nach diversen gescheiterten Experimenten mit alten «Schlachtrössern», deren Zeit abgelaufen ist, und Trainernovizen steht nun wieder ein ausgewiesener Fachmann an der Bande des Traditionsklubs.
Tapolas Handschrift ist schon nach einem knappen Viertel der Meisterschaft deutlich zu sehen. Offensiv läuft es noch nicht ganz rund, hinten steht das Team aber endlich wieder solide. Der SC Bern weist die viertbeste Abwehr der Liga aus; ohne den 1:6-Ausrutscher gegen die ZSC Lions würde die Bilanz noch besser aussehen. Dem Finnen eilt der Ruf eines Defensivtrainers voraus. Bislang bestätigt sich diese Einschätzung weitgehend.
Tapola kann mit solchen Etiketten nicht viel anfangen. Ebenso wenig wie mit den «Big Bad Bears», nach denen sie sich in der Bundesstadt zurücksehnen. «Um hart spielen zu können, musst du ein gutes offensives Spielsystem haben», erklärt der Nordländer. «Sonst läufst du hinterher und kommst gar nicht erst in die Zweikämpfe.» Deshalb lautet sein Credo: «Du musst smart spielen, um hart spielen zu können. Ansonsten spielst du hart und dumm, und du verlierst.»
Herausforderung gesucht
Nachdem zuletzt so viele Coaches in Bern an den zu hohen Erwartungen und der verloren gegangenen Leistungskultur gescheitert sind, traut sich der Finne die Wende zu. Er hat diese Herausforderung gesucht, nachdem es in Tampere für ihn nicht mehr hat besser werden können. Vor der Zusage tauschte er sich auch mit seinem Vorgänger Toni Söderholm aus, dessen Vertrag in Bern nach einer halben Saison aufgelöst worden war. Im Gegensatz zu den rund vier Monaten, die sein Engagement vor knapp fünf Jahren beim KHL-Klub Kunlun Red Star in China gedauert hat, ist ihm die Umstellung in Bern nicht schwer gefallen.
Die Schweiz und Finnland seien sich ziemlich ähnlich, auch in Sachen Hockey. Tapola versteht Hochdeutsch ("Berndeutsch ist hingegen ziemlich schwierig"), der 15-jährige Sohn und die eineinhalb Jahre jüngere Tochter gehen in eine deutschsprachige Schule. Einen gewichtigen Unterschied sieht er aber. «Es ist hier wichtig, nicht zu viele verletzte Spieler zu haben.» In Finnland, das keine Ausländerbeschränkung kennt, könne man jederzeit Ersatz holen. Umso mehr müsse man hier auf eine gute Nachwuchsabteilung zählen können.
«Unser neuer Trainer hatte schon so viel Erfolg. Da ist der Respekt von Anfang an gross», hatte Nationalverteidiger Romain Loeffel vor dem Saisonstart gesagt. «Ich bin überzeugt, dass auch bei uns der Erfolg schnell folgen wird.» Bisher erfüllt Jussi Tapola die Erwartungen voll und ganz. Dass es mit dem Spektakel noch nicht so recht klappt, verkraftet man vorerst ohne Groll. Der Finne hat auch da taktisch das richtige Händchen gehabt.
ck, sda