Der Genève-Servette Hockey Club startet in drei Wochen als klarer Titelfavorit in die Playoffs. Die Partie in Zürich, die der ZSC gegen Servette 6:5 gewann, zeigte aber, dass viel schief laufen kann.
Sein Team hätte Charakter gezeigt, meinte Trainer Jan Cadieux nach der 5:6-Niederlage in der neuen Zürcher Arena. Zweifellos: In Zürich, beim meistgenannten Titelfavoriten des letzten Herbsts, kann man verlieren. Ausserdem gebe es in einer langen Meisterschaft von Zeit zu Zeit Partien, in denen nicht alles rund läuft – in denen man dann eben auch mal sechs Gegentreffer kassiert.
Letztmals passierte das Servette am 13. Januar daheim gegen Lugano. Servette führte nach dem ersten Drittel 3:0 und verlor noch 4:7. Die Antwort des Teams: Sieben Siege in Serie. Oder Anfang November in Langnau: Servette verlor beim damals formschwachen Gegner 4:5 nach Verlängerung – und reagierte auch damals mit vier Siegen de suite imponierend.
Klappt es wieder nicht?
Wenn Servette aber am Vorabend, ehe in Genf der Vorverkauf für die Playoffs anläuft, bei den ZSC Lions 5:6 verliert, der Goalie dabei kein Rückhalt ist, die brillanten Ausländer forciert werden und die Effizienz fehlt (5:6-Niederlage trotz 44:24 Torschüssen), dann taucht sofort auch wieder die Frage auf: Klappt es wieder nicht?
Der stolze Genève-Servette Hockey Club gewann die Schweizer Meisterschaft noch nie. Zweimal beendeten die Genfer die Qualifikation auf Platz 2. Dreimal standen und verloren sie im Playoff-Final, zuletzt 2021 gegen Zug. Einzig den Spengler Cup konnte Servette vor bald zehn Jahren zweimal gewinnen.
Von den Playoffs will Trainer Jan Cadieux noch nicht reden. «Im Herbst haben wir uns vorgenommen, Spiel um Spiel zu nehmen. Wir fokussieren uns auf uns. Im Moment läuft es uns sehr gut. Entsprechend wollen wir darauf achten, weiter alles so zu machen wie in den letzten Wochen und Monaten.»
Um erstmals die Regular Season zu gewinnen, benötigt Servette gegen Lugano (a), nochmals die ZSC Lions (h), Zug (a) und Ajoie (h) noch fünf Punkte – oder fünf Bieler Punktverluste gegen Freiburg (h), Zug (a), Lausanne (h) oder Lugano (a). Zumindest die Qualifikation wird ein welsches Team auf Platz 1 abschliessen.
Welsche Erfolge im Schweizer Eishockey gab es zuletzt kaum noch. Der HC Ajoie gewann 2020 als Swiss-League-Klub sensationell den Schweizer Cup. Aber der Cup wurde von vielen Teams ja eh nur belächelt, nicht ernstgenommen und im Profi-Hockey wieder abgeschafft. Seit dem EHC Biel vor 40 Jahren – damals mit dem erst 31-jährigen Kent Ruhnke an der Bande – wurde kein Team aus der Westschweiz mehr Schweizer Meister. Und SRF fand sogar heraus, dass in den letzten 14 Jahren nur zwei Handvoll Romands in deutschschweizer Teams an Titelgewinnen beteiligt waren. Deshalb ist die Frage nicht ganz unberechtigt: Klappt es für die Welschen wieder nicht?
Ernte einfahren
«Wir unternehmen alles, dass es klappt», sagt der Trainer. Jan Cadieux steht ohnehin für den erstaunlichen Aufschwung Genfs. Im November 2021 ersetzte er, der vorherige Assistent, Cheftrainer Patrick Emond. Servette belegte damals den enttäuschenden 11. Platz. Cadieux führte Servette letzte Saison noch auf Platz 8 und in die Playoffs. Diese Saison startete Servette durch. «Wir kannten unser Potenzial. Wir wussten schon zu Beginn der Saison, dass wir über eine enorm talentierte Equipe verfügen. Aber Talent ist nicht genug. Wir mussten uns in der Defensive und bei der Disziplin steigern. Dass es uns dann derart gut laufen würde, überraschte uns selber auch ein wenig», so Cadieux.
In den nächsten Wochen geht es nun darum, die Ernte einzufahren. Die Qualifikation für die Champions Hockey League (Platz 3) ist schon geschafft. Zum Qualifikationssieg fehlen noch fünf Punkte. Dann die Playoffs. Cadieux: «Uns ist klar, dass es in den Playoffs nochmals mehr braucht. In den Playoffs muss man nochmals alles um 10 Prozent besser machen, sonst reicht es nicht.»
Kann ein welsches Team in der Profi-Ära tatsächlich noch Meister werden? Diese Frage wird die Hockey-Schweiz die nächsten gut zwei Monate umtreiben. Als Biel 1983 den Titel schon in der viertletzten Runde holte und Arosa ablöste, war die Region, aus welcher der Meister kam, keine Notiz wert. Von 1963 (erster Titelgewinn von Villars) bis 1983 (dritter Titel Biels) gewannen Welsche (Villars, La Chaux-de-Fonds, Biel) mehr als die Hälfte aller Titel. 40 Jahre später scheint der nächste Titel für die Romandie überfällig.