Der Kanadier Marc Crawford soll in seiner zweiten Amtszeit als Cheftrainer der ZSC Lions das Spektakel und die Spielfreude zurückbringen. Manche Spieler erleben dabei willkommene «Flashbacks».
Neue Besen kehren gut, sagt man. Und manchmal bringen sie auch einfach das Glück zurück. Das letzte Heimspiel vor der Weihnachtspause verloren die ZSC Lions gegen Fribourg-Gottéron 1:2, weil der Ausgleich in der Schlussphase wegen eines im Video erkannten Offsides aberkannt wurde. Am Neujahrstag ist es genau umgekehrt. Der 2:1-Siegestreffer der Zürcher gegen das zweitplatzierte Biel acht Minuten vor Schluss zählt, weil im Video ein mutmassliches Offside nicht zweifelsfrei zu erkennen ist. Glück allein soll es aber nicht sein, das den Besuch der Spiele der Löwen wieder zu einem Genuss macht.
Der ZSC befand sich nicht in einer eigentlichen Krise. Platz 3 – und das bei erst 11 Heim- und 19 Auswärtsspielen – gab noch keinen Anlass zur Panik und war eigentlich kein Grund zur Entlassung von Trainer Rikard Grönborg. Zwei Faktoren entschieden letztlich aber gegen den Schweden: die Vertragssituation. Grönborg hatte für die nächste Saison bereits in Finnland unterschrieben, und der Nachfolger stand schon bereit. Und zweitens die blutleeren Auftritte des Teams, das im letzten Frühling als erstes überhaupt in einer der obersten Ligen der Welt in einem Playoff-Final eine 3:0-Führung verspielt hatte.
Mehr Emotionen
Offiziell verliert kein ZSC-Spieler schlechte Worte über Grönborg. Der langjährige Captain Patrick Geering versichert glaubwürdig: «Ich sehe uns Spieler in der Verantwortung für den Trainerwechsel. Das ist immer Sch..., denn hinter jedem Trainer und Assistenztrainer stecken auch ein Mensch und eine Familie.» Doch Geering lässt auch durchblicken, dass Grönborg die Mannschaft nicht mehr erreichte, dass das Feuer fehlte.
Für den Nationalspieler war alles zu analytisch geworden, es fehlten die Emotionen. «Ich bin da etwas oldschool», betont er. «Die Zahlen sprachen eigentlich für uns, aber ich und mehrere andere hatten den Eindruck, dass wir nicht gut waren.» Man hatte den Eindruck, dass in der Mannschaft mehr steckte, als sie zu zeigen imstande war. Das will sie mit Crawford nun wieder unter Beweis stellen.
Der 61-jährige Kanadier, der 1996 die Colorado Avalanche zum Stanley Cup coachte, hat klare Vorstellungen – und die haben sich seit seiner ersten Zeit in Zürich von 2012 bis 2016 mit dem Meistertitel 2014 nicht verändert. «Er will ein dynamisches Spiel mit hoher Pace, in dem alle vier Linien gebraucht werden», erklärt Chris Baltisberger, der wie Geering und vier weitere Spieler bereits in Crawfords erster Amtszeit dabei war. «Die Einsätze sollen kurz sein und alle gebraucht werden.» Damit könne man den Vorteil des breiten Kaders mit viel individueller Klasse am besten nutzen. Er spricht von einigen «Flashbacks», die sie als arrivierte Spieler in den ersten drei Trainings unter dem neuen Chef hatten.
Crawford zeigte sich am Sonntagabend in den Gängen der neuen Arena in Zürich-Altstetten voller Enthusiasmus. «Ich sehe viele bekannte Gesichter», begrüsste er die Journalisten mit einem strahlenden Lachen im Gesicht. Er habe seine Zeit in Zürich genossen und die Schweizer Liga immer im Blick behalten.
Ein Mund und zwei Ohren
Dass er sich kaum verändert habe, sieht er allerdings nicht so. «Ich bin sanfter und reifer geworden», versichert der Mann, der sich in den letzten Jahren in Nordamerika heftiger Kritik ausgesetzt sah, weil er in jüngeren Jahren Spieler übermässig grob behandelt haben soll und sich dafür auch öffentlich entschuldigt hat. Ein Grund sei, dass er nach seiner Rückkehr aus der Schweiz mehrheitlich Assistenztrainer war. «Als Assistent gibst du mehr Informationen und hörst mehr zu. Du hast einen Mund und zwei Ohren, entsprechend sollte man die Ohren doppelt so oft benützen.»
Einzig Anfang 2019 stieg er nach einer Trainerentlassung für 18 Spiele zum Chefcoach der Ottawa Senators in der NHL auf. Es war unklar, ob er für die folgende Saison den Posten fest erhalten würde. Genau zu der Zeit war auch der ZSC an einer Rückkehr Crawfords interessiert. Dieser sagte dem ZSC-Präsidenten Walter Frey im Gespräch ehrlich, dass er den Job in Ottawa annehmen würde. «Vielleicht war das ein Fehler», sagt er heute. So kam stattdessen der Schwede Grönborg nach Zürich, Crawford erhielt die Stelle in Kanada aber nicht.
ZSC immer im Hinterkopf
Nun ist Crawford aber mit knapp vier Jahren Verspätung zurück. Den Anruf habe er an Heiligabend in den Ferien in Vancouver erhalten. In Gesprächen war man schon vorher, aber für die kommende Saison. Jetzt ging es etwas schneller. Die Begeisterung ist bei Crawford spürbar. «Das neue Stadion ist so eindrücklich und die Energie wirklich positiv.»
Er habe auch Kontakte mit anderen Klubs in der Schweiz gehabt, die ihren Trainer entliessen. So zum Beispiel mit Bern oder Lugano. Ob er ein konkretes Angebot vorliegen hatte, will Crawford nicht verraten. Er hätte sich wohl schwergetan mit einem Entscheid, denn «Zürich war immer in meinem Hinterkopf. Das ist der beste Ort in Europa, um Coach zu sein.» Jetzt liegt es an den Spielern, auch die zweite Ära von Crawford zum Happy End zu führen. Sein Vertrag läuft bis Sommer 2025.