Mit dem Gold für den Europameistertitel um den Hals verteilt Steve Guerdat ein Lob, das aufhorchen lässt. Die Stute Dynamix de Belheme sei «das beste Pferd, dass ich je hatte.»
Welchen Anteil am Erfolg hat der Reiter, welchen Anteil das Pferd? Steve Guerdats Antworten an Pressekonferenzen folgen oft dem selbem Muster: Hat er Erfolg, lobt er das Pferd, fallen die Resultate schlecht aus, nimmt er die Fehler eher auf seine Kappe.
Dass der Jurassier seine erst 10-jährige Stute Dynamix am Sonntag in Mailand im besten Licht darstellen würde, war klar, schliesslich hatte sie ihm mit fünf fehlerfreien Runden im zehnten Anlauf mit Gold die erste EM-Medaille im Einzel beschert. Wenn ein Olympiasieger, dreifacher Champion beim Weltcupfinal, ehemaliger Weltranglisten-Erster und Sieger unzähliger Fünfsterne-Events den Braunen hingegen über alle seine früheren Partner stellt, dann ist dies doch ausserordentlich.
«Ich habe sehr, sehr viel Glück gehabt, bin seit Beginn meiner Karriere gesegnet», betont Guerdat im Communiqué des Weltverbandes und fügt an: «Ich bin sicher kein besserer Reiter als der Typ, der neben mir sitzt (der Zweitklassierte Philipp Weishaupt aus Deutschland), aber er hatte bei einer Meisterschaft nicht immer das gleiche Glück mit seinen Pferden, wie ich es hatte. Wenn ich also sagen kann, dass dies das beste Pferd ist, das ich je hatte, dann ist schon sehr viel gesagt.»
Pferd und Reiter harmonieren
Auch der Schweizer Equipenchef Michel Sorg lässt sich zitieren. Er hebt in seiner Bilanz die Partnerschaft hervor: «Wenn ein fantastischer Reiter auf ein fantastisches Pferd trifft, dann bedeutet das den Europameistertitel.» Guerdat trainiere Dynamix seit sie sechsjährig sei und er habe sie sorgfältig für höhere Aufgaben vorbereitet. «Seine Geduld hat sich ausbezahlt – und genau das zeichnet Steve Guerdat als unvergleichlichen Pferdemenschen aus.»
Der Europameister von Mailand stellte einmal mehr unter Beweis, dass er das Talent bei Pferden frühzeitig erkennt und sie zu Höchstleistungen animieren kann. «Ich habe immer an Dynamix geglaubt und heute hat sie beweisen, wie aussergewöhnlich sie ist. So ruhig sie im Alltag ist, so kämpferisch ist sie im Parcours. Ich hoffe, wir werden noch viel gemeinsam erleben», meint er auch mit Blick auf die Olympischen Spiele im kommenden Sommer in Paris.
Unter Druck die Ruhe bewahrt
Guerdat überzeugt nicht nur als Pferdemensch, sondern ebenso als Sportler. Auf dem Rasenplatz der Anlage «Snai San Siro» hielt er als Schlussreiter dem Druck stand, blieb cool, alles sah leicht aus. Er wählte für den Absprung die richtige Distanz, nahm stets die richtige Anzahl Galoppsprünge zwischen den Hindernissen, ritt nie überhastet – und traf auch abseits des Parcours die richtigen Entscheide.
«Dynamix ist in grossartiger Form, also habe ich primär versucht, sie frisch zu halten, denn es ist ihr erstes Championat.» Er habe vor dem Finaldurchgang gespürt, dass sie etwas müde werde. Deshalb verkürzte er das Einreiten. «Aber ich wusste, Dynamix würde mich nicht im Stich lassen. So konzentrierte ich mich voll und ganz auf meine Arbeit, damit sie sich von ihrer besten Seite zeigen kann. Und genau das hat sie getan.»
Er habe im Laufe seiner Karriere schon so viele besondere Pferde gehabt, hält Guerdat fest. «Aber ich wusste schon seit einiger Zeit, dass ich womöglich einen neuen Superstar im Stall habe. Im Grunde vereint die Stute alle Qualitäten, die all meine bisherigen Superstars zusammen hatten. Alles in einem einzigen Pferd. Deshalb ist Dynamix etwas ganz Besonderes!»