YB-Kapitänin Stephanie Waeber Ein Leben zwischen Wirtschafts-Studium und dem Traum von der Heim-EM

Patrick Lämmle

8.2.2025

Stephanie Waeber ist im Testspiel gegen England im Kader der Schweizer Nati, muss aber noch auf ihr Debüt warten.
Stephanie Waeber ist im Testspiel gegen England im Kader der Schweizer Nati, muss aber noch auf ihr Debüt warten.
Bild: Imago

Stephanie Waeber ist Profifussballerin und studiert nebenbei Wirtschaft an der Uni Bern. Die 24-jährige YB-Kapitänin spricht mit blue Sport über ihre Ziele und Träume.

Patrick Lämmle

Seit drei Jahren ist Stephanie Waeber Kapitänin bei den YB-Frauen. Ihr Debüt bei den Profis gab sie vor rund siebeneinhalb Jahren, im Alter von 16 Jahren. Inzwischen hat sie 143 Spiele im YB-Dress absolviert, in denen sie 49 Tore erzielte und 24 weitere vorbereitete. Waeber ist im zentralen Mittelfeld gesetzt und überzeugt mit ihrer Konstanz. Ende November wurde die frühere Juniorennationalspielerin erstmals für die A-Nati aufgeboten. Zwar kam sie in den Spielen gegen Deutschland und England nicht zum Einsatz, doch die 24-Jährige hat Lunte gerochen und träumt von weiteren Aufgeboten – und der Teilnahme an der Heim-EM. Mit starken Leistungen bei YB, will Waeber weiter Werbung in eigener Sache betreiben. Am Samstag (Anpfiff um 16.30 Uhr) bietet sich die erste Chance im neuen Jahr: YB trifft auswärts auf Aarau. Hier kannst du die Partie im Live-Stream verfolgen

Bist du froh, dass es am Samstag wieder losgeht mit der Meisterschaft?

Stephanie Waeber: Ich glaube, man ist immer froh, wenn es nach der Vorbereitung losgeht. Es war intensiv, aber auch schön, dass wir eine Woche nach Spanien ins Trainingslager gehen konnten. An die Wärme, das ist immer gut. Und so lernt man die Spielerinnen auch noch von einer anderen Seite kennen.

Wie war die Vorbereitung, sind alle gesund?

Abgesehen von den Langzeitverletzten sind alle gesund. Ein paar kleinere Blessuren gibt es vielleicht, aber nichts Grösseres.

Aktuell seit ihr in der Women's Super League mit 5 Punkten Rückstand auf Leader Basel im 4. Rang klassiert. Was ist euer Ziel?

Bis zu den Playoffs wollen wir auf Rang 3 vorrücken. Wenn wir die restlichen fünf Spiele gewinnen, dann sind wir vor dem Start der Playoffs sicher auf dem 3. Platz. Wir haben es also in den eigenen Händen.

Am 19. Oktober reiht sich Stephanie Waeber beim 3:0-Auswärtssieg gegen GC unter die Torschützinnen.
Am 19. Oktober reiht sich Stephanie Waeber beim 3:0-Auswärtssieg gegen GC unter die Torschützinnen.
Bild: Imago

Am 15. Februar trefft ihr im Cup-Viertelfinal auf Servette. Ist es auch ein Ziel von euch, den Cup zu gewinnen?

Ja, das ist ein Ziel von uns. Wir haben sicher nicht das einfachste Los gezogen im Viertelfinal. Ich würde sogar sagen, es ist ein vorgezogener Final. Auswärts wird es sicher nicht einfach, aber wir müssen Servette jetzt einfach mal schlagen. Die letzten Male haben wir immer unentschieden gespielt oder verloren.

In den letzten Jahren marschierten Servette und Zürich immer vorne weg. In dieser Saison sind es gleich vier, fünf Teams, die ganz vorne mitmischen. Es ist so spannend wie noch nie. Warum ist die Lücke kleiner geworden?

Ich habe das Gefühl, dass die Klubs immer mehr investieren, auch längerfristig und nachhaltiger als zuvor.

Du bist schon lange bei YB. Wie haben sich die Rahmenbedingungen bei euch verändert?

Wir können zum Beispiel alle Heimspiele im Wankdorf spielen. Früher haben wir noch im Wyler gespielt und das ist jetzt kein Thema mehr. Am Mittwoch und Freitag trainieren wir schon um 16 Uhr, damit wir mehr Zeit für die Regeneration haben. Im grossen Ganzen merkt man schon, dass viel gegangen ist in den letzten Jahren.

Bedeutet das auch, dass ihr entsprechend entlohnt werdet? Sonst ist es ja kaum möglich, um 16 Uhr zu trainieren.

Ich glaube, jetzt haben alle einen Vertrag und verdienen etwas. Die meisten arbeiten noch 60, 70 Prozent. Und die, die in der Schule oder am Studieren sind, die können es sich einrichten.

Aber gibt es viele Spielerinnen, die nebenbei arbeiten müssen, weil sie sonst nicht genug Geld auf dem Konto haben?

Viele Spielerinnen sagen halt auch, es sei ein guter Ausgleich. Ich persönlich möchte auch nicht nur Fussball spielen und studiere mega gerne. Ich glaube, vielen ist dieser Ausgleich wichtig.

Was würdest du machen, wenn du nach deinem Wirtschafts-Studium ein Jobangebot erhältst, wo du deutlich mehr verdienen könntest als mit Fussballspielen? Beendest du dann deine Karriere?

Als ich angefangen habe mit Fussballspielen, da wusste ich schon, dass man als Frau nicht mega viel verdient. Jetzt wird zwar immer mehr in den Frauenfussball investiert und man verdient auch mehr. Aber als ich angefangen habe, da war mir bewusst, dass ich nicht Millionen verdienen werde. Ich spiele aus Leidenschaft.

Am Montag gibt Pia Sundhage das Nati-Aufgebot für den ersten Zusammenzug des Jahres bekannt. Weisst du schon, ob du dabei bist?

Gehört habe ich noch nichts. Wir erfahren es zwar vor den Medien, aber auch erst am Montag. Wahrscheinlich, damit nichts nach aussen geht.

Speziell ist, dass du nur ein Spiel mit YB hast, um dich aufzudrängen. Aber du wurdest beim letzten Nati-Zusammenzug nachnominiert und konntest Nati-Trainerin Pia Sundhage im Training zeigen, was du kannst. Wie war dein Gefühl dort?

Es war mega schön, dass ich dabei sein konnte. Ob es noch einmal für ein Aufgebot reicht, ist schwierig einzuschätzen. Die Konkurrenz ist gerade auch auf meiner Position im Mittelfeld sehr, sehr gross. Wenn alle fit und gesund sind, dann wird es für mich sicher nicht einfacher.

Vor der letzten Kaderbekanntgabe titelte blue Sport: Bewirbt sich Stephanie Waeber mit diesem Traumtor für die Nati? (Video unten) Kurz darauf wurde die Frage von Pia Sundhage beantwortet. Waeber schaffte es auf die Pikettliste und wurde schliesslich für Lia Wälti nachnominiert, die bereits vor dem ersten Training wieder abreisen musste, um sich einer Notoperation zu unterziehen.

Bewirbt sich Stephanie Waeber mit diesem Traumtor für die Nati?

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18.11.2024

Gegen England warst du bereit, um noch eingewechselt zu werden. Es kam dann aber nicht mehr dazu. Viel Zeit wäre nicht geblieben, um dich zu zeigen. Hätte es dir trotzdem viel bedeutet, noch reinzukommen.

Ja, es wäre schon cool gewesen. So bin ich noch keine Nationalspielerin. Und vor dieser Kulisse, ausverkauftes Stadion, das wäre schon speziell gewesen.

Hammer-Stimmung vor dem Duell England vs. Schweiz – so geht Frauen-Fussball!

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Wie wurdest du eigentlich in der Nati aufgenommen?

Mega gut. Ich habe auch schon ein paar Spielerinnen gekannt von den Juniorenstufen und einige kennt man aus der Liga. Aber auch diejenigen, die ich noch nicht kannte, haben mich gut aufgenommen.

Ist die EM-Teilnahme für dich mehr Traum oder Ziel?

Schwierig zu sagen. Klar ist es ein Traum, auch weil das Turnier in der Schweiz ist und die Nati auch im Wankdorf spielen wird. Aber wenn ich realistisch bleibe, dann wird es schon sehr eng. Ich will mich in der Rückrunde einfach von der besten Seite zeigen und dann sehen wir, ob es reicht oder nicht.

In der Women's Super League führst du die Torschützenliste gemeinsam mit Teamkollegin Naomi Luyet und Emanuela Pfister von GC an. Was würde dir die Torjägerkrone bedeuten?

Mein grösstes Ziel ist, dass wir als Team etwas gewinnen. Aber klar, es wäre natürlich schön.

Ist bei dir ein Wechsel ins Ausland ein Thema?

Ich kann es mir schon vorstellen. Ich habe bei YB noch einen Vertrag bis 2026, aber wenn ein Verein kommt und mir ein überzeugendes Projekt aufzeigt, dann würde ich es nicht ausschliessen.

Gibt es eine Liga, die dich besonders reizen würde? England vielleicht?

Am ehesten könnte ich mir vorstellen, nach Deutschland zu wechseln. England ist halt sehr schwierig. Seit dem Brexit gibt es ein Punktesystem, wo man als ausländische Spielerin gewisse Kriterien erfüllen muss. Man muss genügend internationale Spiele haben, damit sie dich überhaupt verpflichten dürfen.

Bei deinen Teamkolleginnen Iman Beney und Naomi Luyet, die beide in der Nati sind, dürfte ein Wechsel früher oder später auch ein Thema sein. Weisst du, ob sie bis im Sommer bei YB bleiben?

Das weiss ich nicht, aber ich hoffe es. Auf der anderen Seite könnte ich es auch verstehen, wenn sie gerne ins Ausland wechseln würden. Der Zeitpunkt wäre sicher okay und es ist sicher ein Ziel von ihnen. Und da sind sicher viele Klubs sehr interessiert.

Ihr drei wisst, dass ihr für YB wichtig seit und viele Einsatzminuten bekommt. Ein Wechsel würde das Risiko erhöhen, dass man plötzlich weniger spielt. Das wäre dann mit Blick Richtung EM ein Risiko. Oder wie siehst du das?

Das ist schon so. Aber wenn du den Traum hast, im Ausland zu spielen, dann machst du es vielleicht trotzdem. Es muss sicher ein gut überlegter Schritt sein. Vielleicht sollte man nicht direkt zu einem Top-Team wechseln, sondern einen Zwischenschritt, machen. Ein Verein, bei dem man auch eine wichtige Rolle übernehmen kann.

Du bist ja Kapitänin bei YB, was bedeutet dir das eigentlich?

Es ist jetzt die dritte Saison und es ist für mich eine Ehre, wenn ich die Mannschaft aufs Feld führen darf. Ich bin nicht die lauteste und auch nicht die, die immer den Tarif durchgibt. Aber ich versuche, mit Leistungen voranzugehen und wenn es mal nicht so gut läuft, das Heft in die Hand zu nehmen.

Stephanie Waeber zieht bei YB im zentralen Mittelfeld die Fäden.
Stephanie Waeber zieht bei YB im zentralen Mittelfeld die Fäden.
Bild: zvg

Schiebst du eigentlich noch Extraschichten?

Wir trainieren vier Mal am Abend und am Dienstagmorgen gehe ich ins Fitnessstudio und danach machen wir auf dem Platz noch Abschlussübungen. Da sind wir dann etwa acht bis zehn Spielerinnen. Ich denke, mit diesen Trainingseinheiten passt es. Man muss auch schauen, dass man nicht zuviel macht, sonst steigt irgendwann die Verletzungsgefahr.

Und du studierst ja nebenbei auch noch. Wo stehst du da?

Ich habe letzten Sommer mit dem Master in Wirtschaft an der Uni Bern angefangen. Im nächsten Winter möchte ich abschliessen.

Geht das immer gut aneinander vorbei mit Studium und Fussball?

Ja, eigentlich schon. Im Master ist man ziemlich flexibel. Es gibt viele Vorlesungen, die sie aufzeichnen. Wenn ich zum Beispiel am Dienstagmorgen Training habe, kann ich die Vorlesung später online anschauen.

Du hast zwei jüngere Geschwister. Dein Bruder war dann aber vor dir im Klub und dann wolltest du das auch. Wie war das genau?

Ja, ich habe ein Turnier von ihm (Armando, 22) geschaut. Und dann wollte ich unbedingt auch in den Klub. Wir haben dann auch mega lange zusammen im gleichen Team gespielt, ich glaube bis zur U13. Er war dann bei YB in der U21 und jetzt spielt er bei Düdingen. Und meine Schwester (Caroline, 20) spielt auch Fussball, bei Courgevaux in der 2. Liga.

Und spielt ihr ab und zu noch Fussball zusammen?

Fussball spielen eher weniger. Aber wir wohnen alle noch zuhause und haben ein enges Verhältnis und machen viel zusammen. Wir gehen auch oft unsere Spiele schauen.

Bleibt neben Fussball und Studium noch Zeit für anderes?

So viel Zeit bleibt wirklich nicht mehr übrig. Aber klar, ich unternehme auch mal was mit meinen Freundinnen. Im Winter gehe ich auch gerne mal Tennis oder Padel spielen, das finde ich cool. Skifahren würde ich auch gerne, aber das ist halt kritisch wegen der Verletzungsgefahr. Und in der Winterpause muss ich sowieso meistens für die Prüfungen lernen.

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