
Svenja Fölmli galt einst als das grösste Stürmerinnen-Talent der Schweiz, doch die Verletzungshexe schlug erbarmungslos zu. Nun meldet sich die 22-Jährige in der Bundesliga mit einem Traumtor zurück. Ihr grosses Ziel: Die Teilnahme an der Heim-EM im Sommer.
Es ist ein grosser Tag für Svenja Fölmli: Am vergangenen Sonntag meldet sich die 22-jährige Vollblutstürmerin nach ihrem zweiten Kreuzbandriss zurück und schiesst in ihrem ersten Spiel nach über einem Jahr verletzungsbedingter Abwesenheit ein Traumtor. Dennoch will sie nichts überstürzen. «Ich glaube, nach dieser langen Pause wäre es ein bisschen sehr unvorsichtig, wenn man zu schnell zu viel forcieren würde», sagt sie im Gespräch mit blue Sport. Ihr Körper müsse sich erst wieder an die hohe Belastung gewöhnen. «Deswegen werde ich jetzt von Spiel zu Spiel aufgebaut und dann sehen wir, wann es für längere Einsätze reicht.»
Aufgrund des ersten Kreuzbandrisses hat Fölmli die WM 2023 in Australien und Neuseeland verpasst. Zwar war sie damals kurz zuvor wieder ins Training eingestiegen, doch die Vernunft siegte. «Wenn ich vielleicht so 28 Jahre alt gewesen wäre und es die womöglich letzte Chance auf eine WM-Teilnahme gewesen wäre, dann hätte ich es wohl versucht. Aber in meinem Alter wäre es ein unnötiges Risiko gewesen, es zu versuchen.»
Kaum genesen, reisst sie sich im November 2023 erneut das Kreuzband, nun aber im anderen Knie. Das sei zwar ein harter Schlag gewesen, die Motivation, sich zurückzukämpfen, habe sie aber nie verloren.
Mit blue Sport spricht Svenja Fölmli über ihr starkes Comeback, die Vertragsverlängerung in Freiburg und ihr grosses Ziel, sich für die Heim-EM aufzudrängen.
Herzliche Gratulation zu deinem Traumtor? Wie hat es sich angefühlt, so zurückzukommen?
Es ist eine grosse Last von mir gefallen. Gerade als Stürmerin willst du natürlich möglichst schnell wieder ein Tor erzielen. Dass es jetzt im ersten Spiel mit so einem Tor geklappt hat, freut mich natürlich riesig. Es gab auch Leute, die bezweifelten, dass ich den Anschluss wieder finden würde. Ich glaube, so ein Tor ist auch ein Statement von mir, dass man es auf jeden Fall schaffen kann, wenn man immer positiv bleibt und jeden Tag hart arbeitet.
Du hast mit einer Pirouette zwei Spielerinnen stehen lassen und dann einfach abgezogen. War das genau so geplant?
Ich glaube, das werden nicht viele Leute glauben, aber es war ungefähr so geplant. Ich habe gesehen, dass eine Gegenspielerin von links und eine andere von rechts kommt und gedacht, dass ich so durchkommen könnte und dann einfach gleich abschliessen muss. Aber wahrscheinlich könnte ich das genau so nie mehr rekonstruieren.
Hast du viele Gratulationen erhalten?
Ich habe sehr viele Nachrichten erhalten. Es hat mich auch gefreut, dass so viele Leute Freude haben, dass ich wieder spielen kann. Da habe ich mir auch gerne Zeit genommen, die Nachrichten zu beantworten.
War auch eine Nachricht von Nati-Trainerin Pia Sundhage dabei?
Das nicht. Aber ich hatte während meiner Verletzungspause viel Kontakt mit dem Medical Staff der Nati. Von dieser Seite kamen Glückwünsche, was mich natürlich gefreut hat.
✍️ Steckbrief Svenja Fölmli
- Geburtsdatum: 19. August 2002
- Position: Angriff
- Verein: SC Freiburg
- Länderspiele: 22
- Einsätze unter Sundhage: 0
- Instagram-Profil
Hast du dir ein Ziel gesetzt für dieses Jahr?
Die Europameisterschaft im Sommer! Zum einen, weil es ein grosses Turnier ist und zum anderen, weil sie auch noch in der Schweiz stattfindet. Das war auf jeden Fall auch ein Motivationspunkt, der mich die ganze Reha über gepusht hat. Mein Ziel ist es, bei der Europameisterschaft dabei zu sein.
Bist du schon wieder nahe an 100 Prozent oder brauchst du jetzt erst noch ein paar Spiele?
Ein paar Spiele brauche ich auf jeden Fall noch. Ich habe rund 14 Monate lang kein Spiel gemacht. Der Körper muss sich auch zuerst wieder an die Belastung gewöhnen. Die Spiele kann man schon nicht ganz mit dem Training vergleichen.
Der erste Nati-Zusammenzug in diesem EM-Jahr kommt schon bald. Denkst du, er kommt zu früh für dich?
Das ist schwierig zu sagen. Ich kann jetzt in der Liga wieder Spiele bestreiten, aber zunächst wohl noch nicht über 90 Minuten. Wir hatten im Winter halt auch nur zwei Testspiele. Ob es dann für ein Aufgebot reicht, das kann ich nicht sagen. Das wird die Trainerin entscheiden.
Aber du wärst schon gerne dabei, wenn ihr am 21. Februar in der Nations League gegen Island und vier Tage später gegen Norwegen spielt?
Klar, wenn ich mitgehen dürfte, dann würde ich auf jeden Fall alles geben und versuchen, mich bestmöglich zu beweisen.
Hast du während deiner Abwesenheit Kontakt gehabt mit Nati-Spielerinnen und dich erkundet, wie die Stimmung so ist?
Mit Julia (Stierli) habe ich hier in Freiburg ja auch eine Mitspielerin, die an der Quelle ist. Und ich habe auch ein paar Spielerinnen, mit denen ich mich gut verstehe und da bekommt man auch ein bisschen was mit, aber eher oberflächlich. Aber das, was ich so mitbekommen habe, hört sich gut an und es herrsche ein guter Teamzusammenhalt. Deshalb würde ich mich nur noch mehr freuen, wenn ich wieder dabei sein könnte.
Dein primäres Ziel ist es, bei der EM dabei zu sein. Aber träumst du vielleicht insgeheim auch mal ganz gross und siehst dich den Pokal in die Höhe stemmen?
Ich glaube, es ist von Person zu Person unterschiedlich. Ich bin eher jemand, der sich einfach aufs nächste Spiel fokussiert und dort das Bestmögliche macht. Es wäre jetzt ein sehr, sehr grosses Ziel, wenn man sagt, man will unbedingt in den Final kommen. Aber es ist ein Heimturnier und man gibt alles und dann sieht man, wohin das führt.
Du hast dich von einem Kreuzbandriss zurückgekämpft und kurz drauf hast du dir auch noch das andere Kreuzband gerissen. Gabe es Momente, wo du gedacht hast: Ich mag nicht mehr, ich schmeisse alles hin?
Nein, ich glaube, das gehört schlussendlich zum Job dazu, dass man auch ab und zu Verletzungen erleidet. Und ich sage mal, im ganzen Pech hatte ich auch Glück, dass es beim zweiten Mal das andere Kreuzband war. Einer pro Seite ist weniger besorgniserregend und deswegen war ich immer positiv und zuversichtlich, dass es gut kommt.
Wer hat dir auf dem Weg zurück geholfen? Hast du mit einem Mentalcoach gearbeitet?
Nicht speziell. Wir haben im Verein Personen, die das anbieten. Ich war ein paar Mal dort, aber nicht die ganze Zeit. Aber ich habe ein gutes Umfeld. Die Familie, viele Freunde und auch Teamkolleginnen, die das schon durchgemacht haben. Das alles macht es ein bisschen einfacher.
Dein Vertrag in Freiburg wurde im Dezember verlängert. Ein schöner Vertrauensbeweis seitens des Vereins, dass sie immer noch voll an dich glauben, obschon du viel verletzt warst seit du dort bist. Hat dir das auch geholfen?
Ich was sicher froh, weil ich die letzten zwei Jahre nicht so viel spielen konnte. Man kann beruhigter aufspielen, wenn die Zukunft gesichert ist. Auch mit Blick auf die EM ist es gut, wenn man weiss, dass man danach nicht plötzlich ohne Vertrag dasteht und alles schon vorher geklärt ist.
Freiburg ist ein gutes Bundesliga-Team, spielt aber nicht ganz vorne mit. Titel zu gewinnen oder sich für die Champions League zu qualifizieren, das dürfte schwierig sein. Aber davon träumen doch alle Fussballer*innen?
In näherer Zukunft ist das wohl schwierig mit Freiburg. Klar kann man mal etwas reissen, wenn alles passt. Aber Freiburg sieht sich eher als Ausbildungsverein. Und es ist auf jeden Fall ein Ziel von mir, irgendwann den nächsten Schritt zu machen. Aber im Moment bin ich glücklich in Freiburg und will mich hier weiterentwickeln und dem Team helfen.
Gibt es denn einen Verein, für den du gerne mal spielen würdest?
Irgendwann würde ich sehr gerne in der englischen Liga spielen. Ich bin Sympathisantin von Arsenal. Aber es ist jetzt überhaupt nicht so, dass ich sagen würde, dass ich nur dorthin gehen wollen würde. Man muss realistisch sein und schauen, wo man auch die Chance hat, zu spielen.
Apropos englische Liga. Chelsea hat vor wenigen Tagen die US-Amerikanerin Naomi Girma von San Diego verpflichtet. Es war der erste Millionentransfer im Frauenfussball. Denkst du, das ist erst der Anfang?
Ich denke, so Zahlen sind immer ein Richtwert, wo man denkt: 'Boah, das ist mega viel.' Aber wahrscheinlich wird man in ein, zwei Jahren zurückschauen und denken: 'Okay, das war halt der erste Millionentransfer.'

England hat im Frauenfussball eine Vorreiterrolle eingenommen. Aber auch in Deutschland ist man in Sachen Professionalität zumindest der Schweiz noch weit voraus. Kannst du gut leben vom Fussballspielen?
Also ich kann all meine Kosten decken und mich voll auf den Sport konzentrieren. Es wäre auch möglich, noch einen Nebenjob zu machen. Sei es um etwas Geld auf die Seite zu legen oder einfach etwas Abwechslung zu haben. Aber es ist nicht so, dass man es zwingend machen muss.
Machst du denn nebenbei noch etwas?
Arbeiten nicht. Aber ich lese gerne Bücher über Persönlichkeitsentwicklung und entwickle mich so ein bisschen weiter. Oder wenn ich meinen Netflix-Konsum herunterschrauben will, dann zücke ich stattdessen auch gerne mal einen Roman. Die Bücherreihe «Café am Rande der Welt» finde ich ganz angenehm. Ich gehe auch gerne einfach mal in einen Bücherladen und lasse mich inspirieren.
Inspiriert hat dich wohl auch Ramona Bachmann. Zumindest hast du in einem Interview mal gesagt, dass sie eines deiner Vorbilder sei. Versuchst du auch, ihren Spielstil zu kopieren?
Kopieren wäre schwierig, weil Ramona einfach Fähigkeiten mitbringt, die schwierig nachzumachen sind. Aber wenn man Fragen auf dem Platz hat, dann kann man immer zu ihr gehen und bekommt auch immer eine gute Antwort. So Spielerinnen sind immer sehr wichtig in einem Team.
Hat sie dir auch ganz konkret etwas mitgegeben?
Es ist jetzt schon eine Weile her, als ich das letzte Mal dabei war. Aber zum Beispiel gab sie mir Tipps, was Laufwege, die Raumbesetzung oder taktische Sachen angeht. Das auf jeden Fall.
Du hast ja auch zwei ältere Brüder, die in der 2. Liga spielen und denen du in deiner Kindheit auch nachgeeifert hast. Geht ihr manchmal noch zusammen kicken, wenn ihr euch seht?
Also wenn ich zum Beispiel in der Sommerpause mal bei meinen Eltern bin, dann sehe ich meine Brüder eigentlich auch immer. Die wohnen nicht weit weg. Da gehen wir schon mal Jonglieren im Garten. Über Weihnachten war es jetzt aber nicht der Fall.
Können die beiden überhaupt noch mithalten?
Ja, also auf dem grossen Feld auf jeden Fall. Sie sind halt physisch noch stärker als ich. Aber bei technischen Sachen, da habe ich schon meine Erfolgserlebnisse. Deswegen spiele ich lieber die Sachen, bei denen man mit der Technik ein bisschen brillieren kann (lacht).
Svenja Fölmli – die Karriere im Schnelldurchlauf
- Dass Svenja Fölmli ein grosses Talent ist, zeichnet sich früh ab. Am 8. Dezember 2018 debütiert die damals 16-Jährige bei Luzern in der 1. Mannschaft und schiesst bei ihrem Super-League-Debüt gegen YB gleich einen Doppelpack. Im September 2019 debütiert sie unter Nils Nielsen in der Nati und schiesst bereits im zweiten Länderspiel ihr erstes Tor.
- Am 5. Juni 2021 schiesst Fölmli Luzern im Cup-Final gegen den FCZ mit einem Doppelpack zum Sieg. Es ist ihr Abschiedsgeschenk, denn es folgt der Wechsel zu Bundesligist Freiburg. Schon in ihrer ersten Saison avanciert sie zur Stammspielerin und sammelt in wettbewerbsübergreifend 23 Spielen 7 Skorerpunkte (5 Tore, 2 Assists). An der EM im Sommer 2022 kommt sie zu einem Teileinsatz.
- Zum Auftakt in die Saison 2022/23 schiesst sie ihr Team im DFB-Pokal mit einem Doppelpack in die zweite Runde und legt auch in der Liga furios los. Drei Tore und drei Assists liefert Fölmli in den ersten sechs Spielen. Doch dann reisst sie sich im Oktober 2022 das Kreuzband im rechten Knie. Die Saison ist gelaufen und sie verliert auch den Wettlauf gegen die Zeit, was die Teilnahme an der WM 2023 in Australien und Neuseeland, betrifft.
- Im September 2023 meldet sie sich zurück. Beim Bundesliga-Auftakt gegen Bayern München trifft sie als Jokerin zum 2:2-Endstand. Sechs weitere Einsätze folgen, ehe die Verletzungshexe erneut zuschlägt. Im Training reisst sie sich das Kreuzband, nun aber im linken Knie. Sie verpasst nicht nur den Rest der Saison, sondern auch die komplette Hinrunde der laufenden Saison.
- Nun hat sich Fölmli erneut eindrücklich zurückgemeldet. Am 26. Januar wird sie gegen Leverkusen in der 67. Minute eingewechselt und erzielt in der Nachspielzeit ein Traumtor zum 1:2-Endstand. Schon wieder trifft sie im ersten Spiel nach einer langen Verletzungspause und beweist, dass sie nichts verlernt hat.