Deutschland nicht chancenlos, aber … Reif: «Trotz ihrer ganzen Kinder – Spanien hat die beste Mannschaft»

Marko Vucur (Interview) und Syl Battistuzzi (Text)

5.7.2024

Reif zum Viertelfinal-Kracher: «Die Chancen stehen 60:40 für Spanien»

Reif zum Viertelfinal-Kracher: «Die Chancen stehen 60:40 für Spanien»

Marcel Reif spricht über die Stärken und Schwächen sowie über die Favoritenrollen im Viertelfinalkracher Deutschland – Spanien.

05.07.2024

Gastgeber Deutschland steht vor der bislang mit Abstand schwersten EM-Prüfung. In Stuttgart tritt die DFB-Elf am Freitag gegen das viermal siegreiche Spanien an. blue Sport Experte Marcel Reif analysiert das Duell.

Marko Vucur (Interview) und Syl Battistuzzi (Text)

Marcel Reif über ...

... die bisherigen Auftritte der Deutschen …

«Joshua Kimmich hat es auf den Punkt gebracht. Wir können jeden schlagen, aber wir sind auch schlagbar. Zum Beispiel haben sie im letzten Spiel gegen Dänemark in den ersten 20 Minuten das Beste gezeigt, was ich von der deutschen Mannschaft in den letzten Jahren gesehen habe. Und dann ziehen sie auf einmal wieder den Stecker raus und wirken wieder zerbrechlich, geben Räume und Chancen her. Wenn sie all das konstant bringen, haben Sie eine Chance. Wenn nicht, wird es schwer.»

... und der Spanier

«Von allem, was wir bisher bei dem Turnier gesehen haben, ist Spanien die beste Mannschaft. Und zwar sogar mit einigem Abstand. Da stimmt alles. Da stimmt die Mischung, da stimmt Offensive ... In der Defensive gibt es zwar ein paar Löcher. Aber wie sie die Spiele konstant seriös von A bis Z spielen, trotz ihrer ganzen Kinder, die da auf dem Platz herumtollen, wie auf dem Schulhof, das ist schon beeindruckend. Da ist eine Mischung gefunden worden zwischen Alt und Jung. Die haben inzwischen auch sogar ein breiteres Spektrum. Da gibt es auch lange Bälle, nicht nur Tiki-Taka.»

«Rodri im Mittelfeld ist das Mass aller Dinge, das ist der einzige Mensch auf der Erde, der alleine eine Doppelsechs spielen kann. Yamal da vorne, was willst du dazu sagen? 16 Jahre und treibt einen Verteidiger in den Wahnsinn. Und auf der anderen Seite ist der 21-jährige Williams, der macht dich noch mehr verrückt ... Ich war auch einer von denen, die vor dem Turnier gesagt haben: ‹Der Morata ist 32, der Yamal ist 16. Der ist ja doppelt so alt. Das wird nicht funktionieren. Die Mischung kriegen sie nicht hin.›»

Lamine Yamal (links) und Nico Williams wirbeln bei Spanien in der Offensive.
Lamine Yamal (links) und Nico Williams wirbeln bei Spanien in der Offensive.
Imago

«Der Trainer ist überragend. Luis de la Fuente ist ein unprätentiöser, unaufgeregter Typ, der fast alle in der Jugend trainiert hat, weil er im spanischen Verband die Jugendmannschaften betreut hat. Die hatten schon andere Trainer, Luis Enrique und andere, die waren – sagen wir mal – sehr präsent. Der lächelt freundlich, redet keinen Unsinn vor dem Spiel, redet keinen Unsinn nach dem Spiel. Und der kriegt das offenbar hin, 16-Jährige und 32-Jährige zum gemeinsamen Fussballspiel zu verbinden.»

... wer ist Favorit?

«Die Spanier werden keine Probleme mit der Favoritenrolle kriegen – nach zehn Minuten des ersten Spiels waren sie Favorit für den Gruppensieg und auch für den Titel. Für die Deutschen: die Stimmung im Lande ist schon ziemlich gut, mit dem Heimpublikum beflügelt das natürlich. Das ist ein Faktor, das lässt sich ja nicht wegdiskutieren. Aber ein Spiel entscheiden kann so ein Faktor kaum. Für die Favoritenrolle würde ich deshalb sagen: 60:40 für Spanien.»

... die Schwächen der Spanier

«In der Innenverteidigung haben sie Le Normand und Laporte. Das ist okay, aber international auch nicht mehr. An die musst du rankommen. Nur das Problem ist, wenn die dich ständig vorne mit diesem Zirkus, den sie offensiv veranstalten, beschäftigen, kommst du gar nicht dahin, die da in Probleme zu bringen. Und an Rodri musst du auch noch vorbeikommen.»

... die Taktik der Deutschen

«Sich hinten reinstellen geht nicht, dann bist du mausetot. Das können die Deutschen auch nicht, das werden sie auch nicht machen. Also du musst schon deine Chancen suchen. Du musst auch ein bisschen Risiko gehen, dann musst du auch mal aufmachen und marschieren und hinten die Räume lassen. Sonst brauchst du gar nicht anzutreten. Deutschland ist nicht chancenlos ...»

... der Schlüssel für die DFB-Spieler

«Im Mittelfeld muss man an Rodri vorbei. Die Passwege musst du abschneiden. Und aussen – Kimmich ist gegen Williams chancenlos, auch auf der anderen Seite ist Raum oder wer auch immer hoffnungslos – musst du sie dir im Zweierpack schnappen. Wenn du aber immer Zweierpack hast, dann sind wir wieder in der Defensive, dann kommst du nicht nach vorne. »

«Der Rest der Deutschen ist konkurrenzfähig. Der Havertz ist nicht schlechter als der Morata, wenn er in Topform ist. Sané muss sich nirgends auf der Welt verstecken, wenn er endlich mal schmerzfrei topfit ist.»

«Von Musiala haben sich schon ein paar Abwehrspieler auf den Hintern setzen lassen. Wenn der in Stimmung ist und auch mal weiss, wann man den Ball abspielt statt den sechsten Gegenspieler auch noch zum Affen zu machen, dann haben die Deutschen was zu bieten. Gündogan ist der beste Gündogan seit langem. Toni Kroos kennen die Spanier aus der eigenen Liga, da werden sie versuchen, die berühmten Passwege zuzumachen (...). Beim Torhüter sind die Deutschen mit Neuer immer noch einen Schritt voraus, solange er seine merkwürdigen Fehler, die zurzeit immer wieder kommen, mal abstellt.»

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