Mit dem Aufeinandertreffen zwischen Kosovo und der Schweiz geht für Xherdan Shaqiri ein Traum in Erfüllung: Erstmals spielt er im Land, in dem er geboren wurde.
Es gab schon viele spezielle Spiele in Shaqiris Leben. Im Schweizer Nationalteam fallen neben den Partien gegen die «grossen» Nationen auch die heissblütigen Aufeinandertreffen mit Serbien ein sowie die «Bruderduelle» gegen Albanien und Kosovo. Gegen das Land seiner Eltern spielte er zum ersten Mal im März vor einem Jahr. Die beiden Nationalteams bestritten ein Testspiel in Zürich und trennten sich freundschaftlich 1:1.
Am Samstag erwartet der Offensivspieler ein ganz anderes Spiel. «Es geht für beide Teams um viel. Wir wollen auf den unnötigen Punktverlust gegen Rumänien reagieren (2:2, die Red.) und Kosovo will den schlechten Start in die Qualifikation korrigieren.»
Nach nur drei Punkten aus den ersten vier Begegnungen trennte sich der kosovarische Verband vom französischen Trainer Alain Giresse und holte Primoz Gliha zurück. Der Slowene hatte die Mannschaft bereits zwei Jahre zuvor betreut. «Das kann einem Team neuen Elan verleihen», sagt Shaqiri, der überzeugt ist, dass sich die Kosovaren bisher unter Wert verkauft haben.
Auch im Kosovo ein Vorbild
Shaqiri wurde am 10. Oktober 1991 im Südosten des Kosovo geboren, ein Jahr später kam er mit seiner Familie in die Schweiz. Er habe sich auch schon überlegt, wie anders sein Leben verlaufen wäre, wenn er im Kosovo aufgewachsen wäre, sagt Shaqiri im Mediengespräch am Tag vor der Abreise nach Pristina. «Es wäre sicher schwieriger geworden, eine solche Laufbahn einzuschlagen. Obwohl ich überzeugt bin, dass mit der richtigen Einstellung und dem nötigen Willen fast alles möglich ist.»
Dank seinen Erfolgen im Fussball wird Shaqiri sowohl in der Schweiz als auch im Kosovo gefeiert. Im Land, das nach dem Krieg lange um die Unabhängigkeit kämpfen musste und muss – noch heute wird es von fast 80 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen nicht anerkannt -, ist man stolz auf die Errungenschaften «ihres» Xherdan. Selbst, wenn er für das «falsche» Nationalteam spielt.
Welche Stimmung ihn in Kosovos Hauptstadt erwarten wird, weiss der bald 32-Jährige nicht genau. «Ich denke, dass wir positiv empfangen werden.» Mit «wir» meint Shaqiri seine Teamkollegen Granit Xhaka und Uran Bislimi, die ebenfalls kosovarische Wurzeln haben. «Aber es wird sicher auch solche geben, die uns weniger mögen und pfeifen. Damit muss man als Fussballer umgehen können.»
Sicher positiv werden die Reaktionen seiner Verwandten ausfallen, die zahlreich ins Stadion strömen werden. «Aufgrund der strengen Reisebestimmungen ist es für viele die erste und vielleicht einzige Möglichkeit, mich live im Stadion zu sehen», erklärt Shaqiri. Als er gefragt wird, ob sie die Schweiz oder Kosovo anfeuern werden, überlegt Shaqiri eine Weile. «Eigentlich sollten sie für mich sein», sagt er und lacht.
Kein Rücktritt in Sicht
Es ist offensichtlich: Shaqiri freut sich auf das Duell am Samstag. Für ihn ist es nicht selbstverständlich, dass er gegen Kosovo spielen kann. Lange durfte das Land bloss Freundschaftsspiele austragen, bei denen weder Hymne noch Flagge erlaubt waren. Erst 2016 nahmen UEFA und FIFA den Verband auf, dessen Nationalteam seither auch die Qualifikationen für EM und WM bestreiten kann. Damals wurde auch zu Shaqiri Kontakt aufgenommen, der jedoch Schweizer Nationalspieler blieb.
Nicht nur das: Shaqiri steht bei 114 Länderspielen, der dritthöchste Wert nach Heinz Hermann (118) und Granit Xhaka (115). Und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Zwar möchte Shaqiri nichts zu einer allfälligen Teilnahme an der WM 2026 sagen, die unter anderem in den USA stattfindet, wo der Schweizer seit letztem Jahr bei Chicago Fire engagiert ist. «Ich mag nicht so weit in die Zukunft blicken», erklärt Shaqiri. «Aber ich habe noch genug Kraft in den Beinen und freue mich jedes Mal, ins Nationalteam einzurücken – trotz der nun sehr langen Anreise.»
Vorerst liegt der Fokus auf dem Spiel gegen das kosovarische Nationalteam. Dessen Fans bitten Shaqiri über die sozialen Medien seit Tagen, gegen den Kosovo kein Tor zu schiessen. Dies könne er nicht versprechen, sagt Shaqiri. «Aber wenn ich treffe, werde ich aus Respekt nur zurückhaltend jubeln.»