Hartnäckiger Querdenker Heute vor 28 Jahren übernahm Constantin das Zepter beim FC Sion

SDA

4.5.2020 - 05:04

Am 4. Mai 1992 wird der damals erst 35-jährige Christian Constantin beim FC Sion zum Präsidenten und Nachfolger von André Luisier gewählt.

Mittlerweile gilt Constantin als der schillerndste, in manchen Kreisen auch berüchtigste Schweizer Klubpräsident über alle Team-Sportarten hinweg.

Für die einen ist Constantin ein sympathischer «Querdenker», für andere wie das Fussball-Magazin «World Soccer» einfach der «verrückteste Fussball-Präsident der Welt». Constantins Selbsturteil lautet: «Ich bin und bleibe immer ich selbst.»

Schlagzeilenträchtig und streitbar ist der Architekt, Bauunternehmer und Immobilien-Fachmann mit Umsätzen im dreistelligen Millionen-Bereich auf jeden Fall. Das Pendel reicht von nüchtern bis hochemotional.



Constantin sorgte in seinen bislang zwei Amtszeiten als Präsident von Sion auch bei den eigenen Fans für ein stetes Wechselbad der Gefühle. Auf der einen Seite steht ein rekordverdächtiger Trainer-Verschleiss und eine hohe Spieler-Fluktuation, auf der anderen Seite aber auch der Erfolg: Von 1995 bis 1997 gewann Sion in Constantins erster Amtszeit (bis 1997) dreimal in Serie den Schweizer Cup, wobei die Walliser 1997 das Double mit dem Meistertitel gewannen. In der zweiten Amtszeit seit 2003 gewann der Klub vier weitere Cup-Trophäen und schaffte er 2012 den Wiederaufstieg. Auch im Europacup schlug sich Sion wiederholt wacker.

Einzigartig ist Constantin in seiner Hartnäckigkeit. Er kennt keine Hemmungen, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Tacheles zu reden, entspricht ihm mehr als Zurückhaltung. Constantin nahm es nicht nur im eigenen Land mit Schiedsrichtern und der Liga auf, sondern auch mit der UEFA oder der FIFA, wenn es sein musste – mit mehr oder weniger Erfolg. Er erreichte mit Sion im Europacup schon Wiederholungsspiele, den Wallisern wurde aber auch schon ein Transferverbot auferlegt.

Nachtragend bis versöhnlich

Manchmal ist er nachtragend. Die Zeitung «Le Nouvelliste» erhielt im Tourbillon keinen Arbeitsplatz mehr und durfte keine Interviews mit Spielern oder anderen Vertretern des Vereins führen, weil eine Kolumne für Constantin wiederholt «nicht den Tatsachen entsprach».

Er kann aber auch versöhnlich sein, wie er das 2017 gegenüber dem TV-Experten und früheren Nationaltrainer Rolf Fringer war. Zuvor hatte Constantin die teilweise auf seine Person zielende Kritik von Fringer handgreiflich beantwortet, worauf ihn die Liga in letzter Instanz neun Monate sperrte. «Wer nicht ein wenig Verständnis für Constantins Reaktion hat, war auf dem Pausenhof bestimmt das Milchgesicht», widersetzte sich die Satire-Zeitschrift «Nebelspalter» seinerzeit der Mainstream-Empörung.

Nicht immer zählt der Totomat

Constantins Trainerverschleiss ist derweil legendär. «Es ist der Totomat, der zählt», pflegt der ehemalige Goalie von Xamax und Lugano auch noch in Zeiten der Digitalisierung zu sagen. Nicht immer traf dies allerdings zu, beispielsweise entliess er Alberto Bigon 1997 trotz des Double-Gewinns. Zehn Jahre später wurde der Italiener erneut Trainer bei Sion. Constantin wirkte auch schon selbst als Interims-Trainer von Sion und stellte sich selbst frei – an Heiligabend 2008. Einst sagte er über sich selber: «Ich kann sehr besonnen und ausgeglichen sein, um eine Situation zu analysieren und die nötigen Entscheide zu treffen.»



Auch inoffiziell trug Constantin schon wiederholt die Verantwortung. Sions Cheftrainer mussten das eine oder andere erdulden: Motivations-Kniffe oder Reden an die Spieler. Manchmal diktierte er ihnen die Mannschaftsaufstellung oder die Taktik. Weil der Argentinier Nestor Clausen damit nicht einverstanden war, demissionierte er 2006 nach nur vier Monaten im Amt in der Halbzeitpause eines Cupspiels.

«Noch nicht auf dem Friedhof»

Constantins Credo lautet: «Ich bin nicht hart, aber gerecht.» Berührungsängste kennt er nicht. Für die alljährlichen Galen des FC Sion, an denen er zuweilen als launiger (Co-)Moderator für Stimmung sorgt, engagiert er bekannte Persönlichkeiten ausserhalb des Sports wie etwa die französische Schauspieler-Ikone Gérard Depardieu oder den italienischen Star-Tenor Andrea Bocelli.



Als Teil der Unterhaltungsbranche hält Constantin nichts von Spielen hinter verschlossenen Türen, wie das aufgrund der Corona-Krise der Fall sein könnte. «Fussball ohne menschlichen Kontakt geht nicht, weder auf dem Feld noch auf den Rängen», sagte er unlängst gegenüber dem «Blick». Bezüglich der aktuellen Finanzlage der Schweizer Klubs äusserte er sich dahingehend, dass sie sich «auf der Intensivstation, aber noch nicht auf dem Friedhof» befänden.

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