Kranke Super League Der junge Lucien Favre würde heutzutage keine Saison überleben

Patrick Lämmle

3.10.2018

Lucien Favre feierte mit dem FCZ nach einer «Warm-Up-Saison» grosse Erfolge. 
Lucien Favre feierte mit dem FCZ nach einer «Warm-Up-Saison» grosse Erfolge. 
Keystone/Archiv

Früher war alles besser: In Bezug auf die Entwicklung bezüglich Trainer-Entlassungen in der Super League trifft das zu. Heutzutage scheinen viele Klub-Bosse an Realitätsverlust zu leiden.

Am Montag entlässt Lugano-Boss Angelo Renzetti Trainer Guillermo Abascal. Tags zuvor spielen die Tessiner zuhause gegen Basel 2:2 und belegen in der Tabelle den 6. Platz. Der neutrale Beobachter weiss, viel mehr liegt für Lugano nicht drin. Läuft die Saison optimal, dann ist eine Top-4-Klassierung möglich, im Normalfall wird man aber bis zum Schluss gegen den Abstieg spielen. Warum also muss der Trainer nach nur neun Spielen seinen Posten räumen? Es kann nur eine Antwort geben: Renzetti ist ein Träumer, der die Realität ignoriert.

Aber eigentlich folgt er nur einem Trend – Trainer-Entlassungen gehören in der Schweiz zum guten Ton. Die vergangene Saison haben nur YB-Meistercoach Adi Hütter, Thun-Trainer Marc Schneider (Rang 7) und der in dieser Spielzeit bereits entlassene Basel-Coach Raphael Wicky (Rang 2) überlebt.

Uli Forte musste den FCZ verlassen, obschon sein Team im 3. Rang klassiert war und er sein Team in den Cup-Halbfinal geführt hatte. In Sion dreht das Trainerkarussell noch ein bisschen schneller als anderswo, da werden auch mal zwei bis drei Trainer pro Saison verbraten. Stark ist die Position des Trainers allerdings in keinem Super-League-Klub. Diese Entwicklung ist ein Armutszeugnis für alle Klub-Bosse – denn offenbar stellen sie immer den falschen Trainer ein. Diese Aussage ist nicht ganz korrekt: Denn eigentlich fehlt ihnen oftmals lediglich die Geduld.

Früher war alles besser

Der junge Lucien Favre führte den FCZ in seiner ersten Saison (03/04) auf Platz 4 – Meister Basel hatte am Ende 35 Punkte mehr auf dem Konto. In der heutigen Zeit wäre er spätestens Ende Saison entlassen worden, wahrscheinlich früher. In der zweiten Saison war man am Ende sogar nur Fünfter, aber eben auch Cup-Sieger. Und in seiner 3. und 4. Saison bedankte sich Favre bei den Klub-Bossen für das ihm entgegengebrachte Vertrauen mit zwei Meistertiteln.

2007 trat Bernard Challandes in die Fussstapfen von Favre, den Meistertitel konnte er nicht verteidigen. 18 Punkte Rückstand auf den Leader, nur Platz 3 in der Schlussabrechnung. Es braucht wenig Fantasie, um sich vorzustellen, welche Konsequenz das in der heutigen Zeit hätte – zu 99 Prozent würde man den Trainer entlassen. Das hat man aber nicht gemacht und siehe da, 08/09 wird der FCZ mit Trainer Challandes Meister.

Das sind nur zwei Beispiele, die zeigen, dass sich Vertrauen ausbezahlt. Wenn man einen Trainer einstellt, dann muss man von ihm überzeugt sein. Und wenn man das wirklich ist, dann muss man ihm auch Zeit geben, um mit einer Mannschaft zu arbeiten, sie weiter zu entwickeln – auch wenn es einmal nicht so rund läuft. Der Erfolg wird sich einstellen – so wie bei YB, das (erst) in der 3. Saison unter Adi Hütter den Meistertitel gewinnen konnte.

Die Super League ist eine Ausbildungsliga. Nur die Trainer dürfen nicht lernen, von ihnen werden auf anhin Wunderdinge erwartet. Abascal etwa ist ein Trainer-Talent, er ist erst 29 Jahre alt und hat in Lugano einen guten Job gemacht. Wer weiss, vielleicht hätte er einen Weg à la Lucien Favre hingelegt und Lugano im oberen Mittelfeld etabliert. Wir werden es nicht erfahren, denn er wurde ja bereits entlassen. Diese Entwicklung tut dem Schweizer Fussball nicht gut. Dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert, ist eine Wunschvorstellung. Schon bald werden wir von der nächsten Trainer-Entlassung berichten. Trifft es den GC-Coach? Knallt es in Luzern? Oder wird Sion-Boss Chrisitan Constantin den Liga-Konkurrenten zuvorkommen und Murat Yakin nach ein paar Wochen in die Wüste jagen?

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