Vor 14 Jahren Zuerst das Wunder, dann die Schande: Eine Nachspielzeit für die Ewigkeit

SDA

13.5.2020

Heute vor 14 Jahren erlebte die Super League ihr denkwürdigstes Finale. Mit seinem Meistertreffer in der 93. Minute in Basel machte sich Iulian Filipescu beim FCZ unsterblich. Im Stadion geriet die Situation ausser Kontrolle.

Es gibt Daten, an die erinnern sich Menschen auf Lebzeiten: der 9. November 1989 (Mauerfall), der 21. Juli 1969 (erste Mondlandung), der 2. September 1945 (Ende des Zweiten Weltkrieges). In der Historie des FC Zürich und der Super League steht der 13. Mai 2006 als Ereignis mit der mutmasslich längsten Halbwertszeit. Es ist das Datum des FCZ.

Im dramatischsten aller Super-League-Titelrennen stiessen die Zürcher um Captain Marc Schneider, Abwehrchef Iulian Filipescu, die Talente Steve von Bergen, Gökhan Inler, Blerim Dzemaili und die Offensiv-Söldner Raffael, César und Keita den FCB in dessen Stadion im letzten Moment vom Thron. Sekunden bevor der Basler Meister-Hattrick Tatsache war, verpasste Iulian Filipescu den Bebbi mit seiner Tor-Premiere für den FCZ zum 2:1 den K.o.-Stoss.

Basel 31 Runden lang vorne

Der Reihe nach. Nach den Titeln in den beiden Vorjahren und jenem 2002 startete der FCB auch in die Saison 2005/06 als Favorit. Zwar musste die Mannschaft von Trainer Christian Gross verschiedene Abgänge verkraften, etwa jene von Philipp Degen und Benjamin Huggel sowie im Saisonverlauf auch noch diejenigen von Patrick Müller, Christian Gimenez und Julio Hernan Rossi. Angesichts der zehn Punkte Vorsprung auf das verblüffende Thun sowie mehr als 20 Zählern Differenz zu den Grasshoppers, den Young Boys und zum FCZ gab es dennoch kaum Zweifel an Basels Vorreiterstellung.



Der FCB führte die Tabelle dann auch während 31 Spieltagen an und sammelte acht Punkte mehr als in der Vorsaison. Doch just im Finish strauchelte er. Den ersten Meister-Matchball verspielte er mit einem 2:4 gegen die Young Boys in einem Nachtragsspiel drei Tage vor der letzten Runde, den zweiten im Showdown gegen den FCZ mit der ersten Heimniederlage nach 59 Spielen.

Einwurf Nef, Flanke Stahel, Tor Filipescu

Für den FCZ, der im letzten Spiel als Zweiter mit drei Punkten Rückstand den Sieg brauchte, begann die Partie im prall gefüllten Joggeli denkbar schlecht. Nach sechs Minuten musste César verletzt raus, nach einer knappen halben Stunde Raffael. Doch die Zürcher liessen sich Basler Regen nicht aus der Ruhe bringen. Kurz nach Raffaels Auswechslung erzielte Alhassane Keita nach einer Hereingabe des eingewechselten Alain Nef das 1:0.

Bis zur 72. Minute hielt der FCZ mit Johnny Leoni im Tor den Basler Angriffen stand, dann markierte Mladen Petric mittels Freistoss aus grosser Distanz den Ausgleich, dank dem nun der FCB die virtuelle Tabelle wieder anführte. Als die dreiminütige Nachspielzeit anbrach, erreichte die Anspannung ihren Höhepunkt. Am Spielfeldrand schaute Christian Gross wiederholt nervös auf die Uhr und fuchtelte FCZ-Trainer Lucien Favre mit den Armen. In den Logen mochte die am Saisonende abtretende FCB-Präsidentin Gigi Oeri kaum mehr hinsehen und raste der Puls von FCZ-Patron Sven Hotz.

30 Sekunden vor Ablauf der angezeigten drei Minuten erhielten die Zürcher in Basels Hälfte einen Einwurf. Nef bediente Florian Stahel, dieser flankte von rechts in Mitte. Und dort stand Iulian Filipescu goldrichtig. Der rumänische Verteidiger – ausgerechnet er, der in 76 Spielen für den FCZ nie als Torschütze aufgetreten war und vor dem Abgang stand – streckte sich vor Reto Zanni an den Ball und erzielte das 2:1. Das Zürcher Meistermärchen nach 25-jähriger Durststrecke war perfekt. Drei Verteidiger setzten den FCB schachmatt.

Ein Jubelgeheul und 115 Verletzte

Noch heute erinnern sich viele der Protagonisten mit Hühnerhaut zurück. «Der 13. Mai 2006 ist das Highlight meiner Karriere. Unbestritten. Diskussionslos. Es ist das Ereignis, das mich immer wieder einholt und mir heute noch hie und da durch den Kopf schiesst», schilderte Stahel zwölf Jahre später im Fussballmagazin «Zwölf». Bei Christian Gross blieb der Moment nach dem 1:2 haften, «dieser Bruchteil einer Sekunde, in dem es im ganzen Stadion still war und ich irgendwie aus der Ferne ein fast hysterisch anmutendes Jubelgeheul hörte – hoch und schrill. Hinter mir füllten sich die Augen eines Kollegen mit Tränen.».

Für die Basler Hooligans war es ein Stich ins Herz, den sie nicht goutierten. Nach dem Schlusspfiff stürmten sie den Platz, machten Jagd – unter anderem auf Filipescu – und randalierten. Zürcher Chaoten standen der Schande in nichts nach, kletterten über die Absperrungen und drangen in den Familiensektor vor, wo sie Augenzeugenberichten zufolge hemmungslos auf Unbeteiligte einschlugen. 

Auch ausserhalb des Stadions kam es zu Scharmützeln. Die Polizei setzte Gummischrot und Wurfgeschosse ein, zählte 115 Verletzte und einen Sachschaden von 400'000 Franken. Das Zürcher Meistermärchen von 2006, es ging auch als «Schande von Basel» in die Geschichte ein.

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