Die Frage über die Vormachtstellung im Schweizer Fussball muss vertagt werden. Das vermeintliche Spitzenspiel zwischen Herausforderer FC Basel und Meister YB liefert Tendenzen, aber keinen Sieger.
Die Frage, ob Serienmeister Young Boys in dieser Saison auf einen ebenbürtigen Antipoden in der Schweiz trifft, wurde in den vergangenen Tagen heiss diskutiert. In den ersten Runden der Super League hinterliess das Team von David Wagner keinen unwiderstehlichen Eindruck, während in Zürich und Basel die Konkurrenz zu überzeugen vermochte. Entsprechend gross waren die Erwartungen an das erste Duell zwischen Basel und YB, der beiden heissesten Meisterschaftsanwärtern.
Die Partie im Basler St.-Jakob-Park versprach eine Auflösung der Frage, ob der FCB näher an den Meister herangerückt ist. Vergangene Saison betrug die Differenz zwischen König und vermeintlichem Kronprinz zum Saisonschluss sagenhafte 31 Punkte. Ist heuer, wo beide Teams die Saison unter verändertem Trainerstaff in Angriff nahmen, anderes zu erwarten? Wie schwierig eine solche Einschätzung nach dem 1:1 vom Sonntag ist, liess Valentin Stocker durchblicken. «Sie waren sicher schon weiter weg», sagte der Basler Captain nach Spielschluss in das Mikrofon des Pay-TV-Kanals «Blue».
Basel braucht alle Kräfte
Der Grund von Stockers vager Einschätzung lag einerseits an den Zeichen unter denen das Spiel stattfand, andererseits am Spielverlauf selber. Die Basler hatten sich am Donnerstag in Stockholm über kräfteraubende 120 Minuten und ein mental auslaugendes Penaltyschiessen in die Gruppenphase der Conference League gequält, was im Hinblick auf den Rangkampf gegen die Young Boys nicht die optimale Vorbereitung gewesen war.
Wie sehr das Spiel gegen Hammarby IF den Baslern im Heimspiel gegen YB noch in den Knochen lag, lasse sich einfach an seinen Augenringen ablesen, sagte Stocker. Besser noch erkannte man die fehlende Frische allerdings am Basler Start im St.-Jakob-Park. Die Berner hatten das Geschehen während praktisch der gesamten ersten Halbzeit klar im Griff, führten mit 1:0 sogar noch ein Tor zu wenig hoch. «Man hat gesehen, dass wir müde viel Mühe haben gegen ein physisch starkes YB», bilanzierte FCB-Coach Patrick Rahmen. Sein Captain Stocker sagte: «YB hat uns den Schneid abgekauft.»
Richtungswechsel durch Drittpartei
Herausforderer FCB war also auf Hilfe angewiesen. Er erhielt sie durch die über 30'000 Fans im Stadion, die sich lautstark zugunsten des Heimteams bemerkbar machten und für eine tolle Atmosphäre sorgten. Und die Basler bekamen weiteren Support von Schiedsrichter Sandro Schärer, der die Partie unmittelbar vor der Pause in andere Bahnen lenkte. Der 33-Jährige zog den Berner Frust auf sich, weil er Quentin Maceiras innerhalb von drei Minuten zweimal die gelbe Karte zeigte, wobei er besonders bei der zweiten Verwarnung – die den Platzverweis bedeutete – kein Fingerspitzengefühl bewies.
Maceiras war Arthur Cabral – angeschoben von Gegenspieler Fabian Frei – auf den Fuss getreten. Ein Foul, das aber keiner Verwarnung bedurft hätte. «Das ist ganz einfach keine Gelb-Rote Karte», sagte ein um Contenance bemühter David Wagner nach Spielschluss. Eine Drittpartei habe dem Spiel einen kompletten Richtungswechsel verpasst, monierte der YB-Coach. Wer die beiden Halbzeiten in Basel gesehen hat, wird kaum zu einem anderen Fazit kommen.
Die Frage um die Vormachtstellung im Schweizer Fussball muss darum voraussichtlich in den Herbst verschoben werden, Ende November treffen die Spitzenteams erneut aufeinander, dannzumal auf Berner Kunstrasen. Im Hinblick auf dieses Duell könnten auf der einen wie auf der anderen Seite die Vorzeichen schon in den kommenden Tagen (leicht) ändern. Mit Christian Fassnacht bei den Bernern und Arthur Cabral beim FCB werden zwei Spieler mit Wechselgerüchten in Verbindung gebracht. Auf der jeweiligen Gegenseite würde man eine solche Transfermeldung sicher gerne lesen.