Jetzt redet Vladimir Petkovic. In einem grossen Interview äussert sich der Schweizer Nationaltrainer zum Fall Shaqiri und spricht über die systematische Kritik von Schweizer Medien.
Seit dem 1. August 2014 ist Vladimir Petkovic mittlerweile Trainer der Schweizer Nationalmannschaft. Seine Bilanz kann sich sehen lassen: Im Schnitt 1,86 Punkte und 1,8 Tore pro Spiel, seit 2014 hat die Schweiz kein grosses Turnier verpasst. «Ich bin ein unkonventioneller Trainer, der mit unkonventionellen Methoden von ganz unten nach ganz oben gekommen ist», beschreibt sich Petkovic heute und begründet das mit seinem Werdegang: «Ich arbeitete zehn Jahre lang in zwei, drei verschiedenen Jobs, ich war lange kein Profi – selbst als ich einen Aufwand von 100 Prozent hatte in meinen Clubs. Ich begann bei einem kleinen Verein im Tessin, arbeitete mich hoch, alles wurde immer grösser: Agno, Lugano, Bellinzona, YB, Lazio Rom. Das macht mich stolz», sagt er im grossen Interview mit dem «Tages-Anzeiger» und anderen Titeln im Tamedia-Verbund.
Trotz guter Ergebnisse funktioniert das Zusammenspiel mit den Schweizer Medien oftmals nicht. Immer wieder prasselt die Kritik auf den 56-Jährigen ein – mit Folgen: «Es ist einfacher, Vertrauen zu geben, wenn ich Vertrauen spüre. Doch das ist nicht immer passiert und führte dazu, dass ich eine gewisse Distanz gegenüber Journalisten wahren muss, bei denen ich negative Gefühle spüre.»
Er habe immer versucht, zu verstehen, wieso gewisse Schweizer Medien so kritisch berichten würden – das habe sich geändert. «Heute versuche ich das nicht mehr. Heute nehme ich halt manchmal einen Stein aus meinem Rucksack und werfe ihn zurück, ich wehre mich. Mir ist bewusst: Negative Berichterstattung bringt mehr Publizität, Polemik steigert die Auflage.»
Systematisch negative Berichterstattung
Pektovic musste bereits als YB-Trainer negative Erfahrungen mit den Schweizer Medien machen. «Früher bei YB war es meine Dreierkette in der Abwehr, über die jahrelang geschrieben wurde. Heute ist dieses System weltweit in Mode. Manche Dinge, die sich positiv entwickeln, sieht man vielleicht erst, wenn ich weg bin», sagt der zweifache Familienvater und erkennt in der kritischen Haltung eine gewisse Systematik: «In den letzten Jahren gingen die einen oder anderen Journalisten systematisch vor, um meine Arbeit immer wieder zu kritisieren. Ich denke, dass ich manchmal falsch verstanden worden bin.»
So sucht der Nati-Coach auch die Fehler im Fall Shaqiri nicht bei sich. «Was war nicht gut bei Shaqiri?», fragt er darauf angesprochen. «Ich empfand die Berichterstattung in diesem Fall als eine Kampagne gegen mich, denn ich bin ja ständig im Austausch mit allen Spielern. Letztlich kommuniziere ich nicht, um populär zu sein, sondern dann, wenn alles mit allen involvierten Personen besprochen worden ist.» Die Kritik, dass er zu wenig reise, sei lächerlich.
«Lachen kann ich in solchen Momenten nicht»
Ganz anders nimmt Petkovic die Wertschätzung innerhalb der Mannschaft wahr, die ihn glücklich mache: «Ich spüre die Anerkennung meiner Spieler jeden Tag, wenn ich mit ihnen zusammen bin. Normalerweise sind 11 oder 14 Spieler zufrieden, die anderen unzufrieden, daran muss ich als Trainer immer arbeiten.» Jetzt will er auch an seiner Beziehung zu den Medienschaffenden feilen, wie er mit einem Lachen ankündigt: «Nun aber probiere ich, auch euch Journalisten zu trainieren, um von dieser Seite ebenfalls Anerkennung zu erhalten.»
Denn die kontinuierlich negative Berichterstattung geht auch an einem Vladimir Petkovic nicht spurlos vorbei. Er sagt selbst, dass er seine Lockerheit wohl deshalb etwas verloren habe. «Nach dem Spiel wird, bildlich gesprochen, manchmal die Pistole auf mich gerichtet und geschossen. Meine erste Reaktion ist dann, mir so schnell wie möglich eine Schutzweste überzuziehen. Ich sage mir in diesen Momenten: Aufpassen, Vlado! Lachen kann ich in solchen Momenten nicht.»