Nach dem Wirr-VAR am Super-League-Wochenende vor zehn Tagen fordert Ludovic Magnin die Einführung einer Interview-Pflicht für Schiedsrichter. Könnte so etwas bald Realität sein?
«Das ist nicht unser Anspruch, wie wir den VAR in der Schweiz einsetzen wollen», gesteht Schiedsrichter-Chef Daniel Wermelinger vergangenen Donnerstag im Fussball-Talk Heimspiel bei blue. Gemeint sind die umstrittenen Entscheide vom 16. und 17. Oktober in Bern und St. Gallen.
«Da muss man einfach hinstehen und sagen: ‹Wir haben einen Fehler gemacht.›» Etwas, das Wermelinger in letzter Zeit immer öfters tun musste. Aber wieso äussern sich die Schiedsrichter eigentlich nicht selber? Diese Frage stellt sich auch blue Experte Ludovic Magnin.
«Wo es Menschen gibt, gibt es Fehler»
«Ich habe Daniel Wermelinger in der Sendung Heimspiel gesehen und bin hundertprozentig mit ihm einverstanden. Schiedsrichter sind keine Roboter – wo es Menschen gibt, gibt es Fehler. Damit habe ich überhaupt kein Problem», äussert der 42-Jährige Verständnis.
Was Magnin hingegen nicht verstehen kann, ist, weshalb sich die Schiedsrichter nach dem Spiel nicht zu ihren Entscheiden äussern müssen. «Ich erwarte, dass sich die Schiedsrichter – wie in Deutschland – nach dem Spiel stellen und die Entscheide erklären», fordert Magnin (siehe Video oben). «Als Spieler oder Trainer muss ich mich nach dem Spiel auch stellen. Und ich muss auf jedes Wort aufpassen, das ich sage. Ansonsten erhalte ich am Montag einen Brief wegen meiner Wortwahl. Jeder macht Fehler, keine Frage. Aber wieso müssen sich Trainer und Spieler nach dem Spiel stellen und die Schiedsrichter nicht? Ich verstehe das nicht.»
Graben zwischen Vereinen und Schiedsrichtern?
Würde es helfen, wenn die Unparteiischen nach dem Spiel ihre Sicht der Dinge darlegen und ihre Entscheide erklären würden? Für Magnin ein klarer Fall. «Das würde sie viel menschlicher machen und wir hätten viel mehr Verständnis.»
Das Ziel sei es nicht, die Schiedsrichter an den Pranger zu stellen, so der Ex-FCZ-Coach weiter. Im Gegenteil: Es ginge auch darum, ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich rechtfertigen zu können. Zumal auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Parteien auf dem Spiel stehe.
«Ich habe das Gefühl, das Loch zwischen Trainern, Spielern, Vereinen und Schiedsrichtern wird immer grösser. Zu meiner Zeit hatten wir eine engere Bindung zu den Schiedsrichtern und sie haben auch persönlich zugegeben, wenn es Fehler gab», erläutert Magnin. «Wir haben vor und nach dem Spiel gelacht. Die Schiedsrichter waren viel menschlicher. Heute sieht man den Schiedsrichter oft nur mit der Pfeife. Und nicht den Menschen dahinter.»
Wermelinger: «Schliessen das nicht generell aus»
Dass Interviews mit Schiedsrichtern die Diskussionen um Fehlentscheide und den VAR entschärfen können, zeigt sich im Ausland. «In Deutschland hat es sich mittlerweile eingependelt mit dem VAR. In der Schweiz wird es hingegen immer mehr zum Thema», so Magnin.
Wortgewandtheit als Waffe gegen die immer lauter werdenden Kritiker? Sehen wir vielleicht auch hierzulande schon bald solche Interviews?
«Wir schliessen das nicht generell und für immer aus», sagt Daniel Wermelinger auf Anfrage von blue, merkt aber an, dass zumindest für die nähere Zukunft keine Schiedsrichter-Interviews vorgesehen sind. «Wie bereits mehrfach angetönt ist es wichtig, dass der Schiedsrichter das Spiel erst verarbeiten und die wichtigsten Szenen nochmals anschauen kann, ehe er einen Kommentar abgibt. Das erfordert Zeit. Generell halten wir es so, dass wir die Szenen intern aufarbeiten, analysieren und besprechen. Es ist deshalb weder ratsam noch geplant, dass der Schiedsrichter unmittelbar nach der Partie Auskunft gibt.»
Vorerst muss also weiterhin der Spitzenschiedsrichter-Chef höchstselbst «als Blitzableiter herhalten».