Heimspiel Marc Schneider erklärt Rücktritt als Thun-Coach: «Es war nicht mehr meine Mannschaft»

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1.2.2021

Marc Schneider sass beim FC Thun trotz des Abstiegs in die Challenge League fest im Sattel. Im Oktober nahm der Trainer aber auf eigene Faust den Hut. Im Fussball-Talk «Heimspiel» spricht er über seine Beweggründe.

Dass ein Trainer freiwillig von seinem Amt zurücktritt, ist im Fussballgeschäft eine Seltenheit. Marc Schneider schmiss beim FC Thun in dieser Saison aber schon nach drei Spieltagen den Bettel hin – nach mehr als drei Jahren an der Seitenlinie der Berner Oberländer. 

«Am Schluss war es nicht mehr meine Mannschaft», erklärt Schneider seinen Entscheid. «Das klingt im ersten Moment vielleicht komisch. Aber wenn man die Rückrunde (der letzten Super-League-Saison, Anm. d. Red.) anschaut, wo nur zwei Mannschaften mehr Punkte holten als wir mit 29 – da waren in der neuen Saison nur noch wenige Spieler mit dabei.»

Der Kader sei zwar nicht komplett neu gewesen, doch die meisten Stammspieler hätten den Klub verlassen. Wen Schneider konkret meint, liegt auf der Hand: Goalgetter Ridge Munsy, Spielmacher Basil Stillhart, Assist-Bucher Matteo Tosetti, Captain Dennis Hediger und Urgestein Stefan Glarner.

Schneider: «Jeder Spieler im (aktuellen) Kader hatte eine Geschichte mit mir. Und die war in den letzten anderthalb Jahren nicht unbedingt positiv, weil sie nicht so viel gespielt hatten. Dann kamen einige Spieler, die auch auf meinen Wunsch verliehen wurden, zurück. Auf einmal erwarte ich von diesen Spielern, dass sie eine Leaderrolle übernehmen, obwohl ich sie vor einem Jahr noch wegschickte. Diese Situation belastet dich und ich fühlte, dass ich nicht mehr der Richtige bin, um mit diesen Spielern weiterzugehen.»



Der Ex-Thun-Coach sagt, man habe sich nach dem Abstieg überlegt, wie der Kader für die Challenge-League-Saison aussehen könnte und man hätte auch Ideen gehabt. «Dann ist aber relativ wenig passiert und du merkst das auch. Da kommt ein Spieler zu dir und sagt, dass er morgen nicht mehr da sein werde, weil er ein Angebot aus der Serie B oder der 2. Bundesliga habe, und eine Woche später ist er immer noch da», erläutert Schneider. 

Nach dem dritten Spieltag – Thun hatte gerade einmal einen Zähler auf dem Konto – erklärte Schneider schliesslich seinen Rücktritt. «Es passte einfach nicht mehr», sagt der 40-Jährige, der aber auch betont, dass man sich wirklich «im Guten getrennt» habe. Die Thuner haben sich mittlerweile unter Carlos Bernegger gefangen, mischen im Aufstiegsrennen mit und stehen aktuell mit nur einem Punkt Rückstand auf Leader GC auf Platz 2. 



Fringer: «Als vereinsloser Trainer ist es wichtig, dass du cool bleibst»

Marc Schneider ist seit seinem Rücktritt im Oktober vereinslos. Langweilig werde es ihm zu Hause aber nicht. «Ich kann meinen Kindern helfen, die zur Schule gehen. Oder meiner Frau im Haushalt.» Und er verfolge das Geschehen in der Super League und Challenge League weiterhin intensiv. Allerdings wolle er es auch nicht übertreiben. «Ich schaue jetzt nicht jedes Spiel über die volle Länge, sondern picke mir die Spiele und Mannschaften heraus, die mich interessieren», sagt Schneider. Er wolle einfach «à jour bleiben, um zu wissen, was läuft». 

Man sollte schon informiert sein, aber «man muss auch den nötigen Abstand haben, damit man sich nicht verrückt machen lässt», meint «blue»-Experte Rolf Fringer, der über jahrelange Erfahrung als Trainer verfügt und einst auch die Schweizer Nati coachte. «Als Trainer musst du dich auch selber schützen. Du musst selbstbewusst sein und Vertrauen in deine Fähigkeiten haben.» 

Denn meistens endet die Amtszeit eines Trainers mit der Entlassung. «Dann ist es wichtig, dass du cool bleibst. Wenn es dir gut geht und du mit dir im Reinen bist, kann schnell wieder eine Tür aufgehen», so Fringer. «Wenn du verbittert bist, kannst du noch lange jeden Match verfolgen. Dann kommt nie ein Telefon.»

Schneider gibt zu, dass das Kribbeln mittlerweile wieder da sei und er gerne eine neue Aufgabe annehmen würde. Und diese müsste auch nicht unbedingt in der Schweiz sein. Auch eine Anstellung als Assistenzcoach könne er sich durchaus vorstellen: «Ich bin offen für alles.»

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