In ihrer Hochblüte tauchen die Young Boys als erstes Schweizer Team im Europacup weit vorne auf. Im Meistercup-Halbfinal 1959 scheitern sie an Reims. Aber der 1:0-Sieg im Wankdorf ist unvergesslich.
Der Europacup der Meister war noch jung und klein. Ein einziger Name war – wenn auch dreimal – auf den Pokal graviert: Real Madrid.
Nachdem sie 1958 zum zweiten von vier aufeinanderfolgenden Malen Meister geworden waren, mussten sich die Young Boys in drei Runden durchsetzen, um unter die besten vier im Meistercup zu gelangen. In der Vorrunde kamen sie unter doppelt traurigen Umständen weiter. Manchester United wäre der Gegner gewesen. Die UEFA lud die «Busby Babes», die beim Flugzeugabsturz von München am 6. Februar 1958 acht Spieler verloren hatten, ehrenhalber zur Teilnahme am Meistercup ein. Aber der eigene Verband, die FA, untersagte die Teilnahme. YB und die United trugen stattdessen zwei Freundschaftsspiele aus. YB gewann in Bern 2:0 und verlor in Manchester mit einem nicht überlieferten Resultat. Die Ernstkämpfe im höchsten Klubwettbewerb holten die Mannschaften exakt 60 Jahre später nach, in der Gruppenphase der Champions League 2018/19.
In den seinerzeitigen Achtel- und Viertelfinals kamen die Young Boys gegen MTK Budapest und – nach einem 2:1-Sieg im Entscheidungsspiel – gegen Wismut Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) weiter. Die Auswärtstore-Regel, Verlängerungen und Penaltyschiessen gab es noch nicht.
So fieberten denn Bern und die Schweiz dem Mittwochabend des 15. April 1959 entgegen, dem Halbfinal-Hinspiel zwischen YB und Stade de Reims. Wer es sehen und nicht nur am Radio hören wollte, musste sich einen Platz im Stadion verschaffen.
Sicherheitsmängel ohne Folgen
Viel zu viele Leute wollten den Match sehen, sodass das erste Highlight des Schweizer Klubfussballs in einer Katastrophe hätte münden können. Aber es passierte in dem stark überfüllten Wankdorf zum Glück und mit Glück nichts. Von dort weg dauerte es 26 Jahre bis zum Brüsseler Heysel-Drama und 30 Jahre bis zur Hillsborough-Tragödie von Sheffield. Erst seit nunmehr weiteren rund 30 Jahren sind die Standards der Sicherheit so hoch, dass kein Fan in irgendeinem Stadion mehr zerdrückt werden sollte. In Bern hätte es passieren können.
Offiziell wurden 60'000 Zuschauer angegeben. Andere Quellen sprechen von 64'000, aber auch 60'000 wären viel zu viel gewesen. Als das Stadion längst gefüllt war, legten immer noch Hunderte ihre Fünfliber auf die Theken der Kassenhäuschen. Wer gekommen war, wurde hineingelassen. Viele verpassten die ereignisreiche erste Viertelstunde. Die Zuschauer auf der breiten Stehplatzrampe standen schliesslich so dicht Leib an Leib, dass sich keiner mehr bewegen konnte. Jeder war auf den Quadratzentimetern seiner Schuhsohlen gefangen. Es stellte sich trotz der Windstille im Stadion ein Kornfeld-Effekt ein, wie man ihn von Filmaufnahmen aus englischen Stadien in den Siebzigerjahren kennt: Ganze Zuschauerreihen wogten hin und her. Keiner konnte stürzen, weil er von seinen Nachbarn nach allen Seiten gesichert war.
Es passierte auch deshalb nichts, weil vermutlich alle in friedlicher Absicht gekommen waren. In jener Zeit beschränkte sich das Martialische auf die Berichterstattung. Ein kerniger Schuss war eine Granate, Gegner wurden niedergewalzt, und den Schaffhauser Eugen «Geni» Meier, den Trumpf in YBs Sturm, nannten sie den Bomben-Meier. Heute scheint es umgekehrt zu sein. Die Sportsprache ist weitgehend frei von Kriegsausdrücken, dafür nehmen Hooligans bisweilen den Krieg ins Stadion mit.
Blitzstart mit nur einem Tor
Die Young Boys, befehligt von Trainer Albert Sing, brannten anfänglich ein Feuerwerk ab. Das vermeintliche 1:0 des deutschen Söldners Ernst Wechselberger nach 23 Sekunden wurde aus unerfindlichen Gründen nicht gegeben. In der 2. Minute trafen Gilbert Rey und Toni Allemann kurz nacheinander die Latte. In der 13. Minute unterschlug der belgische Schiedsrichter Van Nouffel den Bernern einen Foulpenalty. Der unbestechliche Chronist Walter Lutz reklamierte den Penalty in der Fachzeitung «Sport» mit einem Ausrufezeichen. Als der Bomben-Meier nach 15 Minuten aus 10 Metern das 1:0 erzielte, hätte es schon 4:0 stehen können. In der zweiten Halbzeit zollten die Young Boys den Anstrengungen Tribut. Es blieb beim 1:0. YB verlor das Rückspiel 0:3, Reims den Final in Stuttgart gegen Real Madrid 0:2.
YB stellte in jener Epoche eine Mannschaft mit vielen Internationalen. Nebst den Genannten spielten gegen Reims unter anderen Heinz Schneiter, Toni Schnyder, Marcel Flückiger, Goalie Walter Eich und der spätere erfolgreiche Unternehmer Willy Steffen. Der spätere Nationalcoach Léon Walker kam nicht zum Einsatz.