Wie im Frühling 2019 stehen die Young Boys sieben Runden vor Schluss der Super League als Schweizer Meister fest. Der vierte Meistertitel der Berner in Folge ist in mancherlei Hinsicht bemerkenswert.
Die Serie von acht Titeln, die der FC Basel zwischen 2010 und 2017 aufgestellt hat, wird noch lange einzigartig und unerreicht bleiben. Aber mit den vier Triumphen am Stück egalisieren die Berner die zweitbeste Serie in der Geschichte des Schweizer Fussballs. Sie egalisieren die Serie des eigenen Klubs: Unter Trainer Albert Sing waren die Young Boys von 1957 bis 1960 ununterbrochen die Besten.
Legendäre Spieler wie der «Bomben-Meier» Geni Meier, Heinz Schneiter, Ernst Wechselberger, Walter Eich, Toni Allemann, Willy Steffen, Otto Häuptli und Heinz Bigler waren in der Mannschaft, die im Meistercup-Halbfinal 1959 gegen Stade Reims weit über 60'000 Zuschauer ins Stehplatz-Mekka Wankdorf lockte. Auch die nunmehr viertbeste Serie gehört YB. Auf drei Titel wie die Berner (von 1909 bis 1911) brachten es später nur der FC Zürich (1974 bis 1976) und die Grasshoppers (1982 bis 1984).
Trainer Gerardo Seoane hat nach seinem dritten persönlichen Triumph am Stück nur noch den genannten Albert Sing vor sich. Der Luzerner ist auf der Höhe von Legenden angelangt. Timo Konietzka liess sich ab 1974 mit dem FCZ ebenfalls in drei Jahren ohne Unterbruch als Meistertrainer feiern. Hennes Weisweiler hätte den persönlichen Hattrick mit den Hoppers ab 1983 womöglich ebenfalls geschafft. Aber der Deutsche, nach dem der Kölner Geissbock «Hennes» getauft ist, starb im Juli 1983 – wenige Wochen nach dem Gewinn des Doubles – an einem Herzinfarkt.
Bemerkenswerte Serien wie jene von YB und Seoane kommen nur mit dauerhaft guten Leistungen zustande. Mit Beginn der Saison 2017/18 glückte es den Young Boys, einen Keil zwischen sich und alle übrigen Mannschaften, gerade auch den FC Basel, zu treiben. Waren die Basler 2017 noch mit 17 Punkten Vorsprung auf YB Meister geworden, so haben die Berner über die vier Saisons bis zur jetzigen Titelentscheidung ihrem Erzrivalen 73 Punkte abgenommen. Es ist eine Punktzahl, die allein schon für einen Meistertitel ausreichen könnte.
Die beeindruckendste Serie
Es gibt keine Rekordserie, welche die Überlegenheit und die Konstanz der Gelbschwarzen über die Jahre so deutlich unterstreicht wie die folgende: In den Runden 28 und 29 der Saison 2016/17 verlor YB zwei Meisterschaftsspiele nacheinander. Seither sind 144 Super-League-Runden – also vier volle Saisons – ins Land gezogen, ohne dass YB je wieder in der Meisterschaft zwei Spiele nacheinander verloren hätte.
Dabei müsste man annehmen, dass jegliches Spiel nach einer Niederlage ein schwieriges ist. Sowohl unter Adi Hütter als auch unter Gerardo Seoane antworteten die Berner auf eine Niederlage mit einem Unentschieden oder – weitaus häufiger – mit einem Sieg. Man muss aber anmerken, dass YB in dem Zeitraum von vier Jahren nur 15-mal verloren hat. Sie verloren im Schnitt nur jedes zehnte Spiel.
Die aktuelle Meistersaison gleicht am ehesten jener von 2018/19, in der YB dem FC Basel zahlreiche Super-League-Rekorde entriss. Auch diesmal wurden die Leistungen nicht von einem grossen Umbruch vor der Saison beeinträchtigt. Und auch diesmal war YBs Konstanz in der Meisterschaft beeindruckend. Bis der neuerliche Titelgewinn feststand, verloren sie Berner nur eines von 28 Spielen. In allen Partien waren sie die dominierende Mannschaft, auch in den neun Spielen, die unentschieden ausgingen.
In der Saison 2019/20 konnte sich Gerardo Seoane nicht erklären, wieso die Mannschaft in Auswärtsspielen (5 Unentschieden, 6 Niederlagen) ungewöhnliche viele Punkte liegen liess. Noch heute ist es ihm ein Rätsel. Aber seit mittlerweile 17 Auswärtsspielen in der Super League ist YB unbesiegt. YB hat damit den Rekord des FCB aus den Jahren 2013 und 2014 egalisiert. Und die Serie könnte noch weitergehen.
Seoane spricht ungern von einer Schattenmannschaft. Jeder könne und müsse jederzeit von Anfang an spielen können, sagt der Luzerner. Jedenfalls haben es die Breite und die Ausgeglichenheit des Kaders dem Trainer ermöglicht zu rotieren und in der Saison der vielen englischen Wochen die Kräfte einzuteilen. Müsste man trotzdem eine A- und eine B-Mannschaft aufstellen, kann man erahnen, dass sich auch das B-Team vor der nationalen Konkurrenz nicht verstecken müsste. Das B-Team in einem 3-5-2 könnte so aussehen: Faivre; Maceiras, Zesiger, Garcia; Sulejmani, Sierro, Martins, Rieder, Spielmann; Siebatcheu, Mambimbi. Frei verfügbar wäre damit noch Gaudino.
In der Ruhe liegt die Kraft
So erfolgreich der Klub ist, so leise wird in dem Klub gearbeitet. Die Spieler, die Mannschaft, der Staff, der ganze Klub: Keine dieser Ebenen hat in den vier Jahren Anlass zu Kritik von aussen gegeben. Wer immer kritisieren möchte, müsste zuerst das Haar in der Suppe finden. Unstimmigkeiten, wie sie im FC Basel seit Monaten an die Oberfläche kommen, dringen in Bern nicht nach aussen – vielleicht auch deshalb nicht, weil es keine Unstimmigkeiten gibt. Ist der VR-Präsident des FCB eine höchst umstrittene Figur, ist es YBs VR-Präsident nicht. Kennt jemand seinen Namen? Hanspeter Kienberger, 59-jährig, gebürtiger Aargauer, im Amt seit 2012.
Das Team über der Mannschaft
Die Ruhe im und um den Verein ermöglichen es den sportlichen Führungskräften, ungestört und überlegt zu arbeiten. Alle neuen Herausforderungen haben Seoane und Sportchef Christoph Spycher auch in der zu Ende gehenden Saison unaufgeregt gemeistert. Zu der erfolgreichen Crew gehören genauso Stéphane Chapuisat und sein Scouting-Team.
Eines der jüngeren Beispiele der Transferaktivitäten: Als sich abzeichnete, dass Torschützenkönig Jean-Pierre Nsame den Klub verlassen würde, engagierte man auf Leihbasis Jordan Siebatcheu. Nsame ist immer noch dabei, aber Siebatcheu hat auch in wichtigen Partien bewiesen, dass er ein exzellenter Torschütze ist. Ein anderes Beispiel: Guillaume Hoarau bekam trotz seiner immensen Verdienste keinen neuen Vertrag mehr. Es war ein richtiger Entscheid wie man heute weiss.
Nicht zuletzt dank der geschickten Transfers konnte YB seine dominante Stellung über die vier Saisons beibehalten. Ein Blick auf die 4-4-2-Formation bestätigt, wie viel sich verändert hat. 2017/18: Von Ballmoos/Wölfli; Mbabu, Von Bergen, Nuhu, Benito; Fassnacht, Sow, Sanogo, Sulejmani; Hoarau, Assalé. 2020/21: Von Ballmoos; Hefti, Lustenberger, Camara, Lefort; Fassnacht, Aebischer, Lauper, Moumi Ngamaleu; Elia, Nsame. Schnittmenge: Von Ballmoos, Fassnacht.