Portugal Beim Titelverteidiger greifen noch nicht alle Rädchen ineinander

sda

26.6.2021 - 16:54

Portugals Nationaltrainer Fernando Santos muss nach der wenig überzeugenden Vorrunde noch an der einen oder anderen Schraube drehen.
Portugals Nationaltrainer Fernando Santos muss nach der wenig überzeugenden Vorrunde noch an der einen oder anderen Schraube drehen.
Keystone

Die Auftritte von Titelverteidiger Portugal in der Vorrunde werfen Fragen auf. Cristiano Ronaldo brilliert mit fünf Toren, der Rest des Teams kommt hingegen noch nicht richtig in die Gänge.

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In der Partie gegen Deutschland schien Fernando Santos an der Seitenlinie der Arena in München zu verzweifeln. Alle paar Minuten verwarf der ansonsten so stoische 66-Jährige die Hände, drehte sich zur Ersatzbank um und sah seine Assistenten fragend an. Santos erlebte etwas, das ihm während seiner knapp siebenjährigen Amtszeit als portugiesischer Nationaltrainer noch nie in dieser Form widerfahren war: die Defensive war bei der 2:4-Niederlage heillos überfordert – und kassierte im 85. Länderspiel unter ihm erstmals vier Gegentore.

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Portugal hatte zuvor seit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs nach dem Corona-Unterbruch im September in 14 Spielen nur sieben Gegentore zugelassen – und damit nur eines mehr als in den beiden Partien gegen Deutschland und Frankreich. Bereits am Sonntag folgt das nächste Schwergewicht: In Sevilla wartet mit Belgien die Weltnummer 1 auf den Titelverteidiger. Dann geht es aber um alles oder nichts.

Die Probleme Portugals kamen schleichend. Santos' Baustelle eröffnete sich kurz vor dem Turnierauftakt, als der Aussenverteidiger Joao Cancelo wegen einer Corona-Infektion passen musste. Ruben Dias vom englischen Meister Manchester City wurde zwar zum Spieler des Jahres in der Premier League gewählt, scheint die Strapazen der Saison aber zu spüren und wirkt überspielt. Und Pepe, Dias' Partner in der Innenverteidigung, wird auch nicht jünger. Der gebürtige Brasilianer feierte im Februar seinen 38. Geburtstag.

Ronaldo als einzige Konstante

Auch im Mittelfeld greifen die Rädchen noch nicht ineinander, phasenweise fehlt die Balance. William Carvalho, der Europameister von 2016, und Bruno Fernandes, der Aufsteiger innerhalb des Teams der letzten Jahre, wurden die Opfer der Schlappe gegen Deutschland und fanden sich gegen Frankreich auf der Bank wieder. Auch beim 2:2 gegen den Weltmeister wirkte die Defensive zwar nicht sattelfest, die personellen Wechsel trugen aber insofern Früchte, dass Portugal sich aus eigener Kraft den Platz in der K.o.-Phase sicherte.

Im hoch dotierten Angriff war Cristiano Ronaldo die bislang einzige Konstante. Die Rolle des Captains war vor dem Turnier von einigen Experten kritisch beäugt worden, auch wenn der 36-Jährige meinte: «Ich fühle mich so frisch, als sei es meine erste EM.» Geblufft hat der Torschützenkönig der Serie A dabei nicht. Mit seinen EM-Toren 10 bis 14 und inzwischen 109 Treffern in der Nationalmannschaft setzte Ronaldo zwei weitere Rekordmarken, die nicht so schnell gebrochen werden dürften.

«Um Ronaldo mache ich mir keine Sorgen. Ronaldo ist der Ronaldo, der er immer war, mit der gleichen Bereitschaft, dem Nationalteam zu dienen», sagte Santos. Es sind andere, die ihm Sorgenfalten bereiten. Der Trainer dürfte sich rückbesinnen an das Turnier vor fünf Jahren. Nach einer nicht überzeugenden Vorrunde, in der Ronaldo mit zwei Toren gegen Ungarn (3:3) das Weiterkommen sicherte, stellte Santos in der Defensive um, brachte die Mannschaft ins Lot und führte sie zum ersten grossen Titel. Schafft es der studierte Ingenieur auch diesmal, an den richtigen Schrauben zu drehen?