Genial sind sie beide, herausragend und – wie Brasiliens Neymar etwa sagt – «nicht von diesem Planeten». War ein Vergleich in Vergangenheit eine Glaubensfrage, so kristallisiert sich immer mehr heraus: Ronaldo ist grösser als Messi.
Seit 2008 heisst der Weltfussballer jeweils Ronaldo oder Messi. Beide haben diesen Titel nun fünfmal gewonnen. Hier der wirblige Argentinier, ausgebildet im Nachwuchszentrum La Masia des FC Barcelona, unterstützt, finanziert und therapiert, weil sein Wachstum gehemmt war. Seit er 14 Jahre alt ist, hält Messi der Blaugrana die Treue. Mit 24 Jahren wurde er Rekordtorschütze des FC Barcelona, mit 25 der jüngste Spieler in der Geschichte der spanischen Liga, der 200 Tore erzielte. Messis Genialität ist unbestritten, an einem guten Tag entscheidet er ein Spiel im Alleingang und dribbelt den Gegnern Knoten in die Beine, sein Tempo ist atemberaubend, seine Schlitzohrigkeit hat er auch als 30-Jähriger bewahrt. Ein grosser Titel mit der Albiceleste fehlt «La Pulga», dem Floh, indessen weiterhin. Der Druck ist enorm, die Erwartungshaltung bisweilen utopisch.
Auf der anderen Seite Cristiano Ronaldo. Geboren in Funchal, Madeira. Ausgebildet bei Sporting Lissabon, später bei Manchester United von Sir Alex Ferguson zum Weltstar geformt. Seit 2009 ist CR7 Real Madrids Visitenkarte. Ronaldo trifft statistisch gesehen in jeder Partie. Er ist der erste Spieler der Champions-League-Ära, der die Königsklasse fünfmal gewinnen konnte. Zudem kann sich Ronaldo Europameister nennen: Unvergessen sein Auftritt im EM-Final 2016 gegen Frankreich, als er nach seiner verletzungsbedingten Auswechslung kurzerhand den Job des Trainers übernahm und an der Seitenlinie Kommandos gab. Ronaldo kann man eine gewisse Eitelkeit nicht absprechen, damit haben einige ein Problem: Sympathiepunkte gewinnt man damit nicht.
Wer ist nun der Grösste aller Zeiten?
Messi und Ronaldo haben auch Gemeinsamkeiten. Sie sind im Normalfall nicht zu ersetzen. Die Hoffnungen von Mitspielern, Fans und Trainern lasten auf ihren Schultern. Ob Freistoss oder Elfer: Weder bei Portugal noch Argentinien stellt sich die Frage, wer ihn tritt. Fussball ist ein Mannschaftssport und doch gibt es diese überragenden Führungsspieler. So sagt etwa der argentinische Nationaltrainer Jorge Sampaoli über Messi: «Er ist ein Genie. Der Fussball schuldet ihm einen WM-Titel.» Portugals Nationaltrainer Fernando Santos ist sich dagegen sicher: «Ich habe es so oft gesagt: Cristiano ist der Beste der Welt.»
Und wer ist nun dieser GOAT – die englische Abkürzung für den Grössten aller Zeiten? Wer ist der Ali oder der Federer des Fussballs? Es ist eine Glaubensfrage, die sich nach dem ersten Spieltag in Russland beantworten lässt. Denn in einer Sache unterscheiden sich die beiden Ausnahmekönner grundlegend: In der Körpersprache. Messi hat Ausstrahlung, aber Ronaldo explodiert. Ob im Kabinengang, auf dem Platz oder im Training: Der Portugiese scheint immer extrem fokussiert, peitscht an, lässt den Kopf nicht hängen. Er lässt sich von den Erwartungen nicht erdrücken. Im Gegenteil: er sieht sie als Motivation.
Er ist ein Spieler, der sich jeder in seiner Mannschaft wünscht. Egal, ob er die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dem genialen Messi dagegen sind die Launen besser anzusehen – und das wirkt sich auf die Mannschaft aus. Macht der Leader nicht mit, traut sich keiner zu, in die Bresche zu springen. So beflügelnd ein entfesselter Messi sein kann, so lähmend wirkt sich ein schlechter Tag auf die Equipe aus.
Die Diskussion um den GOAT (engl. auch für «die Ziege») wird übrigens von beiden Spielern angeheizt: Lionel Messi liess sich vor kurzem mit Ziegen auf einem Foto ablichten. Ronaldo zeigte nach seinem ersten Treffer gegen Spanien einen noch nie zuvor gesehenen Ziegenbart-Jubel. Das erste Fernduell um diesen Titel hat der Portugiese auf alle Fälle für sich entschieden. Mit der Schlussbilanz sollten wir aber noch mindestens bis Mitte Juli warten.
We now know the secret to Messi’s success is Spanish grass.