Wenn England und Kroatien am 13. Juni im Wembley gegeneinander spielen, werden viele von einer Revanche des WM-Halbfinals 2018 sprechen. Nach Papierform werden aber beide Teams weiterkommen.
Die Revanche ist im Sport einer der am meisten strapazierten und am inflationärsten verwendeten Ausdrücke. Ganz Fussballdeutschland sprach von Revanche, von Rache, von Wiedergutmachung, als es keine drei Monate nach dem mit 0:2 verlorenen EM-Final 1992 erneut gegen Dänemark antrat und in diesem kurzfristig erzwängten «Freundschaftsspiel» in Kopenhagen 2:1 siegte. Das Mütchen war gekühlt, und dennoch durften sich die Dänen vier Jahre lang Europameister nennen.
Man kann sich nur mit Gleichem für Gleiches tatsächlich revanchieren. Die Revanche zwischen England und Kroatien zum WM-Halbfinal 2018, den die Kroaten 2:1 nach Verlängerung gewannen, wird stattfinden, wenn die beiden Mannschaften an der EM den Final gegeneinander bestreiten werden. Wenn sie als Erster und Zweiter der Gruppe weiterkommen, können sie nicht schon im Halbfinal aufeinandertreffen. Engländer wie Kroaten haben das Rüstzeug, um unter die letzten vier zu kommen. Dass sie in der Gruppe D, der auch Tschechien und Schottland angehören, die ersten zwei Plätze belegen werden, erscheint wahrscheinlich.
Umbruch abgefedert
England verlor ab 2014 scheinbar unverzichtbare Spieler, unter ihnen Stars wie Frank Lampard, Steven Gerrard und Wayne Rooney. Es war ein Umbruch, den Englands Nationalmannschaft abfedern konnte und aus dem sie sogar gestärkt hervorgegangen ist. Der Goalgetter Harry Kane ist mit 27 Jahren jetzt gerade im besten Alter. Überragende Kräfte wie Mason Mount, Phil Foden und Jadon Sancho sind im Durchschnitt weniger als 22 Jahre alt. Jude Bellingham (17) kann man auch schon zu den Ausnahmetalenten zählen, in deren Erinnerung es das frühere Scheitern Englands an grossen Turnieren und verlorene Penaltyschiessen nicht gibt. Nur Nationalcoach Gareth Southgate wird es noch nicht vergessen haben.
Die EM-Qualifikation schloss England in einer keineswegs einfachen Gruppe mit 37:6 Toren und sieben Siegen in acht Spielen ab. In der begonnenen WM-Qualifikation haben die Three Lions im gleichen Stil weitergemacht: 3 Spiele, 9 Punkte, 9:1 Tore.
Die Turniermannschaft
Wenn es zählt, ist Kroatien meistens da. Als Titelfavorit werden die Spieler aus dem Balkan nie genannt. Deutschland, Spanien, Frankreich, England, Italien, Portugal, der Niederlande und selbst Belgien werden nach häufig vorgefassten Meinungen immer die besseren Chancen eingeräumt. Aber wie schon an der WM in Russland kann sich der erfolgreiche Nationalcoach Zlatko Dalic auf ein starkes, recht ausgeglichenes Kader abstützen. 14 Spieler sind in Klubs der fünf grossen europäischen Ligen engagiert, die meisten von ihnen in guten Rollen.
In der Qualifikation setzten sich die Kroaten vor Wales durch und vor zwei Mannschaften, die über die Barragespiele ebenfalls an die EM kamen: Slowakei und Ungarn.
Mit der auf die EM 2016 vorgenommenen Aufstockung auf 24 Mannschaften können sich auch Länder hervortun, die noch nie etwas oder schon lange nichts mehr zustande gebracht haben. Zur zweiten Kategorie gehören die Schotten. Zuletzt blieben sie je fünfmal in der WM- und in der EM-Qualifikation hängen. Damit sie nun erstmals seit 1998 an einem grossen Turnier mittun können, reichte ihnen in zwölf Qualifikationsspielen einschliesslich den jeweils im Penaltyschiessen gewonnenen zwei Barragespielen eine ausgeglichene Bilanz aus. Ungarn und Nordmazedonien kamen ebenfalls mit ausgeglichenen Bilanzen in die Barrage, gewannen dort aber je zwei Spiele nach 90 Minuten.
Die Tschechen scheinen eher als die Schotten in der Lage zu sein, England und Kroatien die ersten zwei Plätze in der Gruppe streitig zu machen. Waren sie in der Qualifikationsgruppe deutlich hinter England Zweite, so konnten sie doch den Engländern die einzige Niederlage zufügen, mit einem 2:1 in Prag.
England in Zahlen
Einwohner: 56 Mio.
Hauptstadt: London
Gründung des Verbandes «The Football Association»: 1863
FIFA-Ranking: 4
Bisherige Teilnahmen an EM-Endrunden (9): 1968, 1980, 1988, 1992, 1996, 2000, 2004, 2012, 2016.
Bestes EM-Resultat: Halbfinal (1996)
Qualifikation: Sieger der Gruppe A (8 Spiele/21 Punkte) vor Tschechien
Bester Torschütze in der EM-Qualifikation: Harry Kane (12 Tore)
Bekannteste Spieler: Mason Mount, Phil Foden, Jadon Sancho, Harry Kane, Raheem Sterling, Harry Maguire
Trainer: Gareth Southgate (ENG, seit 2016).
Kroatien in Zahlen
Einwohner: 4 Mio.
Hauptstadt: Zagreb
Gründung des Verbandes «Hrvatski nogometni savez»: 1912
FIFA-Ranking: 14.
Bisherige Teilnahmen an EM-Endrunden (5): 1996, 2004, 2008, 2012, 2016
Bestes EM-Resultat: Viertelfinal (1996 und 2008)
Qualifikation: Sieger der Gruppe E (8 Spiele/17 Punkte) vor Wales
Bester Torschütze in der EM-Qualifikation: Bruno Petkovic (4 Tore)
Bekannteste Spieler: Luka Modric, Sime Vrsaljko, Dejan Lovren, Andrej Kramaric, Ante Rebic
Trainer: Zlatko Dalic (CRO, seit 2017).
Schottland in Zahlen
Einwohner: 5,4 Mio.
Hauptstadt: Edinburgh
Gründung des Verbandes «Scottish Football Association»: 1873
FIFA-Ranking: 44
Bisherige Teilnahmen an EM-Endrunden (2): 1992, 1996
Bestes EM-Resultat: beide Male in der Gruppenphase ausgeschieden.
Qualifikation: Dritter der Gruppe I (10 Spiele/15 Punkte) hinter Belgien und Russland; danach Siege in der Barrage gegen Israel und Serbien
Bester Torschütze in der EM-Qualifikation: John McGinn (7 Tore)
Bekannteste Spieler: Kieran Tierney, Andrew Robertson, Scott McTominay, John McGinn, Che Adams
Trainer: Steve Clarke (SCO, seit 2019).
Tschechien in Zahlen
Einwohner: 10,6 Mio.
Hauptstadt: Prag
Gründung des Verbandes «Fotbalova asociace Ceske republiky»: 1901
FIFA-Ranking: 40
Bisherige Teilnahmen an EM-Endrunden (6): 1996, 2000, 2004, 2008, 2012, 2016
Bestes EM-Resultat: Final (1996)
Qualifikation: Zweiter der Gruppe A (8 Spiele/15 Punkte) hinter England
Bester Torschütze in der EM-Qualifikation: Patrik Schick (4 Tore)
Bekannteste Spieler: Patrik Schick, Tomas Soucek, Antonin Barak
Trainer: Jaroslav Silhavy (CZE, seit 2018).